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Abfindung: Ablehnung eines Abfindungsangebots durch Annahme unter Vorbehalt

Ein Urteil des LAG Rheinland-Pfalz sorgt für Erleichterung auf Arbeitgeberseite, wenn es um die typischen „Spielchen“ im Rahmen von Verhandlungen um Aufhebungs- oder Abwicklungsverträge geht. Das Urteil könnte unter dem Titel „wenn Arbeitnehmer sich verzocken“ laufen. Das LAG Rheinland-Pfalz stellt klar, dass das bloße Signalisieren einer Einigungsbereitschaft unter gleichzeitiger Mitteilung, dass Änderungen vorgenommen werden sollen, eine Ablehnung des Abfindungsangebots ist und Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen können, dass eine einmal angebotene Abfindung „nach oben“ korrigiert wird.

Arbeitsrecht
Lesezeit 3 Min.
Ein Aufhebungsvertragsdokument mit der Überschrift „Aufhebungsvertrag“, auf dem ein blauer Stift liegt, im Hintergrund Euro-Banknoten.
Foto: © stock.adobe.com/Stockfotos-MG

Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2023 – 5 Sa 135/22

Worum geht es?

Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen generellen Anspruch auf eine Abfindung. Eine solche gibt es nur in Sonderfällen. Dennoch werden im Zusammenhang mit Kündigungen oft Aufhebungsvereinbarungen mit einem Abfindungsangebot den betroffenen Arbeitnehmern unterbreitet. Aus Arbeitgebersicht wird damit das Prozessrisiko reduziert und etwaige Streitigkeiten bereits im Vorfeld erledigt. 

Taktisch „pokern“ Arbeitnehmer in solchen Situationen oft und lehnen Abfindungsangebote ab, in der Hoffnung, dass die Abfindungssumme im Laufe eines Gerichtsverfahrens steigt. Dass man sich hierbei auch „verzocken“ kann, zeigt das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz.

Der Sachverhalt

Ein seit 31 Jahren in einem Betrieb mit etwa 140 Arbeitnehmern beschäftigter Kraftfahrer wurde mit Schreiben vom 20.01.2021 betriebsbedingt gekündigt, da der Betrieb stillgelegt werden sollte. Einen Betriebsrat gibt es nicht.

Der Arbeitgeber bot dem Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung den Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung an. Am 28.01.2021 übermittelte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dafür eine Abwicklungsvereinbarung mit einer Abfindungsregelung. Diese war gestaffelt je nachdem, wie lange der gekündigte Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verbleiben würde, und betrug bei längster Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses maximal 1,0 Gehältern pro Beschäftigungsjahr. Im Falle des Kraftfahrers belief sich die maximale Abfindung, bei Ausscheiden zum 30.06.2021, auf 104.298,75 EUR brutto.

Mit Anwaltsschreiben vom 05.02.2021 teilte der Arbeitnehmer mit, dass dieser „grundsätzlich an einer Abwicklungsvereinbarung interessiert sei, jedoch nicht um jeden Preis und auch nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“. Weiter hieß es in dem Anwaltsschreiben: „Ich bitte Sie und stelle anheim, die vorgenannten Fragen im Vorfeld zu klären, damit in diesem speziellen Fall von Herrn A. die Abfindungssumme vor Abschluss der Vereinbarung fix feststeht, damit sodann, wenn beiderseitig gewünscht die Vereinbarung unterzeichnet werden kann“.

Die Verhandlungen scheiterten anschließend. Am 11.02.2021 reichte der Arbeitnehmer daraufhin Kündigungsschutzklage ein. Mit E-Mail vom 24.02.2021 teilte der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers mit, dass der Arbeitgeber „sich infolge der Nichtannahme der vorgeschlagenen Abwicklungsvereinbarung durch den Arbeitnehmer an die vorgeschlagenen Regelungen nicht weiter gebunden fühlt und den Vorschlag der Abwicklung hiermit zurücknimmt“.

Die Entscheidung

Das LAG Rheinland-Pfalz stellte fest, dass die Kündigung aufgrund der Betriebsstilllegung wirksam sei und keine Rechtsgrundlage für den Anspruch auf eine Abfindung bestehe.

Da vorliegend kein Betriebsrat bestand, war der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, einen Sozialplan gem. § 112 BetrVG aufzustellen. Des Weiteren hatte der Arbeitnehmer nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz auch keinen vertraglichen Anspruch auf eine Abfindung, da dessen Rechtsbeistand mit Schreiben vom 05.02.2021 die vom Arbeitgeber unterbreitete Abwicklungsvereinbarung abgelehnt hatte.

Mit dem Schreiben habe der Rechtsbeistand des Arbeitnehmers klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass dieser das Angebot in der unterbreiteten Form auf keinen Fall annimmt, sondern auf inhaltliche Änderungen bestehen würde. Er habe unmissverständlich deutlich gemacht, dass er eine Abwicklungsvereinbarung nur abschließen wolle, wenn die Abfindungssumme aufgrund des konkreten Austrittsdatums feststeht. Nach Ablehnung des Angebots sei der Arbeitgeber an sein ursprüngliches Angebot nicht mehr gebunden gewesen.

Was heißt das?

  • Auch im Rahmen der Vereinbarung einer Abfindung gelten die Grundsätze zum Angebot und Annahme nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wenn ein unterbreitetes Angebot abgeändert oder erweitert wird, handelt es sich um eine Ablehnung des Angebots unter gleichzeitiger Unterbreitung eines neuen Angebots gem. § 150 Abs. 2 BGB. Wenn der Arbeitgeber das abgeänderte bzw. erweiterte Angebot nicht annimmt, kommt kein Vertrag zustande.
  • Arbeitgeber sind bei Ablehnung eines Abfindungsangebots durch den Arbeitnehmer nicht an ihr ursprünglich unterbreitetes Angebot gebunden.

Handlungsempfehlung

Wenn ein Arbeitnehmer die unterbreiteten Konditionen eines Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrags ablehnt und zum Ausdruck bringt, weiter verhandeln zu wollen, ist ein Arbeitgeber an sein ursprüngliches Angebot nicht mehr gebunden. Der Arbeitgeber ist vor allem nicht verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer weiterzuverhandeln oder das ursprüngliche Angebot zu erneuern.

Dennoch ist es empfehlenswert, wenn Arbeitgeber zur Vermeidung von Missverständnissen unentschlossenen Arbeitnehmern – wie im vorliegenden Fall – zusätzlich noch einmal schriftlich mitteilen, dass das unterbreitete Angebot nicht länger aufrechterhalten bzw. zurückgenommen wird.

Von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte.

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