BAG bestätigt den Beginn des Kündigungsverbots für schwangere Arbeitnehmerinnen
Die Kündigung einer schwangeren Frau ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. So will es das Mutterschutzgesetz. Was gilt aber, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft noch nicht feststeht? Sollten Frauen nach Erhalt einer Kündigung vorsorglich einen Schwangerschaftstest machen, um die Frist von zwei Wochen einhalten zu können? Das kann nicht richtig sein, entschied das BAG.
Worum geht es?
Es geht um die Frage, wie lange der besondere Kündigungsschutz für schwangere Frauen besteht. Grundsätzlich beträgt die diesbezügliche Schutzfrist nach ständiger Rechtsprechung 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin. Die Vorinstanz war allerdings von 266 Tagen ausgegangen. Dies würde zu dem Ergebnis führen, dass rein rechnerisch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung kein Sonderkündigungsschutz für die schwangere Arbeitnehmerin besteht, obwohl diese tatsächlich aber schon schwanger war.
Der Sachverhalt
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2020 ordentlich. Mit einem am 12.11.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.12.2020 teilte die Klägerin mit, in der sechsten Woche schwanger zu sein. Der am 07.12.2020 der Beklagten zugegangenen Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung ihrer Frauenärztin vom 26.11.2020 beigefügt.
Die Klägerin legte im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung vor, in welcher der voraussichtliche Geburtstermin mit 05.08.2021 angegeben wurde. Entsprechend berief sich die Klägerin auf das Kündigungsverbot nach § 17 Abs. 1 MuSchG. Sie sei zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits schwanger gewesen, auch wenn sie hiervon erst später sichere Kenntnis erhalten hatte. Die verspätete Mitteilung an die Beklagte sei unverschuldet und unverzüglich nach ihrer – der Klägerin – Kenntnis erfolgt.
Die Beklagte war der Auffassung, dass die Klägerin sie schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen hätte müssen. Jedenfalls sei die Mitteilung der Klägerin nicht mehr unverzüglich erfolgt. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der verspäteten Übermittlung der ärztlichen Bescheinigung müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.
Die Entscheidung
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Anders das BAG. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.
Das LAG ging davon aus, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 07.11.2020 keine Schwangerschaft vorgelegen habe. Argumentiert wurde insoweit wie folgt: Das Bestehen einer Schwangerschaft und damit der Beginn des Kündigungsverbots werde bei natürlicher Empfängnis ausgehend von dem ärztlich festgestellten mutmaßlichen Entbindungstermin entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung (zuletzt BAG vom 26.3.2015, Az. 2 AZR 237/14) nicht durch eine Rückrechnung eines Zeitraums von 280 Tagen, sondern lediglich von 266 Tagen bestimmt. Abzustellen sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze für den möglichen Beginn einer Schwangerschaft (280 Tage), sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer (266 Tage).
Das BAG teilt diese Argumentation nicht und sieht sich nicht veranlasst, seine ständige Rechtsprechung zu ändern. Die teilweise auch im Schrifttum vertretene Auffassung der Vorinstanzen berücksichtige nur ungenügend die sich aus dem Unionsrecht und aus nationalem Verfassungsrecht ergebenden Vorgaben, so das BAG.
Was bedeutet das?
Für Arbeitnehmerinnen steht damit fest, dass diese beim Erhalt einer Kündigung nicht sofort loslaufen müssen, um eine mögliche Schwangerschaft überprüfen zu lassen: Das Untätigsein der Arbeitnehmerin beim Vorliegen einer bloßen, mehr oder weniger vagen Schwangerschaftsvermutung reicht nicht aus, ihr ein schuldhaftes Verhalten, mit der Folge des Verlusts des besonderen Kündigungsschutzes, vorzuwerfen. Eine Frau, die von ihrer Schwangerschaft erfährt, hat dies dem Arbeitgeber jedoch unverzüglich mitzuteilen
Handlungsempfehlung Für Arbeitgeber steht fest, dass eine Frau sich auch noch nach der im Gesetz genannten zwei Wochen auf den besonderen Kündigungsschutz berufen kann. Dies sollte beim Ausspruch der Kündigung als Risiko berücksichtigt werden. |
Die Rechtsprechung wird für Sie aufgearbeitet von Frau Dr. Felisiak von ADVANT Beiten Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH.