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BAG: Neues zur Kündigung eines Geschäftsführers

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.07.2023 - Az. 6 AZR 228/22

AllgemeinArbeitsrecht
Lesezeit 4 Min.
Ein verwirrter Mann kratzt sich mit einem Fragezeichen am Kopf und hält ein Dokument mit der Aufschrift „Kündigung“ in der Hand, während ein anderer Mann einen Finger hebt und möglicherweise eine Erklärung oder Regel zum Personalmanagement abgibt, mit einem
Foto: © stock.adobe.com/Alexander Limbach

Ein Klassiker: Arbeitnehmer werden – ohne Abschluss eines Dienstvertrags – zum Geschäftsführer befördert. Im Falle einer Insolvenz geht nur das Arbeitsverhältnis, nicht aber die Organstellung auf den Käufer des Unternehmens mit über. Damit können sich Geschäftsführer auf die allgemeinen Regelungen des Kündigungsschutzes berufen.

Worum geht es?

Es geht um die Frage, ob ein Geschäftsführer sich im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auf den allgemeinen Kündigungsschutz bzw. den Kündigungsschutz gem. § 613a BGB berufen kann.

Relevant ist hierfür, wie die Vertragskonstellation im Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens ist, so das BAG.

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs.

Ein kaufmännischer Angestellter wurde nach 13 Jahren zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt. Ein entsprechender Vertrag wurde aber nie geschlossen – weder schriftlich noch mündlich oder konkludent. Allerdings wurde eine „Änderung zum Arbeitsvertrag“ vereinbart.

Am 14.10.2019 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin wurde zunächst weitergeführt. Ein anderes Unternehmen des Konzerns führte die Geschäfte fort, übernahm die wesentlichen Betriebsmittel – etwa die angemieteten Lagerräume – und kaufte auch sonst diverse Vermögenswerte – wobei umstritten ist, ob dies für einen Betriebsübergang gem. § 613a BGB ausreicht.

Mit Beschluss vom 15.01.2020 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Ebenfalls mit Schreiben vom 15.01.2020 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers „sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis“ zum 30.04.2020 gekündigt. Das Schreiben ging dem Kläger am Vormittag des 16.01. 2020 zu. Der Kläger erklärte ebenfalls am 16.01.2020 in einer an den Geschäftsführer und den Insolvenzverwalter adressierten und um 14:56 Uhr gesendeten E-Mail, dass er das Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederlege.

Der Kläger wehrte sich gegen die ausgesprochene Kündigung: Zum einen, weil sein Arbeitsverhältnis gem. § 613 Abs. 4 BGB auf den Erwerber übergegangen sei. Zum anderen, weil die Kündigung nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial ungerechtfertigt sei. Das LAG sah dies jedoch anders und führte aus, der Kläger habe eine Organstellung besessen – auch wenn er einen Arbeits- und keinen Dienstvertrag gehabt habe. Rechtlich knüpfte das LAG an eine teleologische Reduktion des § 613a BGB, wonach dieser nicht auf Organmitglieder juristischer Personen anwendbar sei.

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Kläger Recht. Der Argumentation des ehemaligen Geschäftsführers, die Kündigung sei gem. § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, folgte das BAG jedoch nicht. Denn der Kündigungsschutz gelte gem. § 14 Abs. 1 S. 1 KSchG generell nicht „in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist“. Nach Ansicht des BAG war der Kläger zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch Geschäftsführer, da er erst später sein Amt niedergelegt hatte.

Das BAG argumentierte allerdings damit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergang gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergegangen sei. Damit sei die Klage wegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Diese Vorschrift knüpft dem Wortlaut nach an den Begriff „Arbeitnehmer“ mit „Arbeitsverhältnissen“ an – und der Geschäftsführer sei hier auf Grundlage eines Arbeits- und nicht eines Dienstvertrages tätig gewesen. Gründe für eine teleologische Reduktion bestünden nicht, denn es liege hier schon keine planwidrige Regelungslücke vor. Das BAG führt aus:

Im Streitfall sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Anwendung des § 613a BGB auf GmbH-Geschäftsführer, die ihre Geschäftsführertätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags ausüben, zu zweckwidrigen Ergebnissen führt.“ 

Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern sei strikt zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Durch die Bestellung als solche werde keine schuldrechtliche Beziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer begründet. Deshalb gehe die Organstellung – im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis – nicht auf den Übernehmer des Betriebs über. Ein Anspruch, beim Erwerber zum Organ bestellt zu werden, folgt aus § 613a BGB nicht.

Der Kläger hat damit einen Anspruch auf eine Beschäftigung mit den Tätigkeiten, die er als Geschäftsführer aufgrund seines Arbeitsvertrags ausgeübt hat. Eine andere Tätigkeit könnte ihm ohne Änderung – einvernehmlich oder durch Änderungskündigung – des Arbeitsvertrags nur übertragen werden, wenn die Parteien vereinbart hätten, dass mit dem Ende der Organstellung nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder die ursprüngliche oder eine im Einzelnen festgelegte anderweitige Tätigkeit zum Vertragsinhalt wird. Letzteres hatte die Beklagte aber nicht vorgetragen.

Das LAG muss jetzt prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen des § 613a BGB bestehen, also ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat.

Was heißt das?

  • Liegt der rechtlichen Beziehung zwischen Organ und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis zugrunde, geht bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zwar das Arbeitsverhältnis, nicht aber die Organstellung auf den Erwerber über.
  • Es besteht kein Kündigungsschutz gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer bestanden hat. Dies gilt auch dann, wenn zwischen Organ und Gesellschaft „nur“ ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt.
  • Die Bestellung zum Geschäftsführer begründet kein schuldrechtliches Verhältnis zwischen Organ und Gesellschaft.

Die Kündigung eines Arbeitsvertrags eines Geschäftsführers kann wegen Verstoß gegen § 613a BGB unwirksam sein.

Handlungsempfehlung

Es sind strikt die vertragliche und die organschaftliche Ebene auseinanderzuhalten. Vorsicht, wenn Geschäftsführer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang gekündigt werden sollen, die keinen Dienst-, sondern einen Arbeitsvertrag haben.

 von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte.

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