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Check-Up: Compliance – Arbeitszeit

Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung warten Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland auf ein entsprechendes Gesetz. Die längst angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes lässt jedoch weiter auf sich warten und man gewinnt die Vermutung, dass in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr damit zu rechnen ist. Warum ist das so?

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Eine minimalistische Illustration, die einen Mann im Business-Anzug zeigt, der an einem Schreibtisch sitzt und an einem Computer arbeitet, der auf einer Wippe balanciert, an deren anderem Ende eine große Uhr hängt, vor einem schlichten hellblauen Hintergrund mit Wolken.
© stock.adobe.com/Vanz Studio

Weil die Praxis sich an den Status Quo „gewöhnt“ hat und der noch vor ein paar Monaten zwingende Handlungsbedarf verpufft ist. Auch wenn sich eine „Abwarten und Tee trinken“-Stimmung auftut, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bereits nach der aktuellen Gesetzeslage Bußgelder verhängt werden können – und zwar gegenüber den Unternehmensverantwortlichen.

 

Aufzeichnungspflichten

Eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung gibt es bislang nicht. Bereits im Jahr 2019 hat der EuGH in einem Urteil (vom 14. Mai 2019 – C-55/18) entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die geleistete tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer gemessen werden kann.

Im Jahr 2022 hat das BAG in einem aufsehenerregenden Beschluss die Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz hergeleitet (Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21). Das BAG hatte in diesem Fall entschieden, dass der Betriebsrat zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems kein Initiativrecht hat, da der Arbeitgeber bereits aufgrund einer unionsrechtlichen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet sei, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfasst werden kann.

Der Beschluss des BAG wird nach wie vor kontrovers diskutiert und ist umstritten. Derzeit mehren sich die Stimmen, dass das BAG mit diesem Beschluss seine Kompetenz überschritten habe und die Entscheidung daher möglicherweise verfassungswidrig sein könnte. Stand jetzt ist der Beschluss aber rechtskräftig und damit „in der Welt“.

Als Reaktion auf diese beiden zuvor genannten Urteile hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im April 2023 einen Vorschlag zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz erstellt. Ob dieser tatsächlich noch regierungsintern beraten wird, ist unklar. Klar ist aber, dass der Gesetzgeber bislang nach wie vor nicht tätig geworden ist, so dass im nationalen deutschen Recht grundsätzlich keine ausdrückliche allumgreifende Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung existiert – mit der Ausnahme in Bezug auf Überstunden und einigen Sonderkonstellationen.

 

Haftungsrisiko für Geschäftsführer

Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Manager tragen eine erhebliche Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Persönliche Haftung ist hier ein kritisches Stichwort, denn Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz können schwerwiegende finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird bei einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden ein Verstoß festgestellt, kann dies zu empfindlichen Bußgeldern führen. Eine sorgfältige Dokumentation der eingeführten Maßnahmen zur Sicherstellung der Arbeitszeit-Compliance ist daher essentiell, um einer möglichen Haftungsfalle zu entgehen.

Aber warum geht es, wenn tatsächlich mal jemand näher hinschauen würde? Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz gelten regelmäßig als Ordnungswidrigkeiten, die mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro pro Verstoß geahndet werden können. Der Bußgeldbescheid kann sich sowohl gegen das Unternehmen als auch gegen die verantwortlichen Manager persönlich richten. Die Festlegung der Bußgeldhöhe obliegt dabei dem Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörden, wie etwa der Bezirksregierung oder der Gewerbeaufsicht, die sich an den Vorgaben des von dem Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik herausgegebenen Bußgeldkatalogs orientieren.

 

Kalter Kaffee?

Die Verjährungsfrist für solche Verstöße beträgt zwei Jahre. Dies bedeutet, dass die Aufsichtsbehörden die Möglichkeit haben, die Arbeitszeitnachweise der letzten 24 Monate zu überprüfen und alle festgestellten Verstöße entsprechend zu ahnden. Was zunächst nach überschaubaren Einzelbeträgen klingen mag, kann sich in der Praxis schnell zu beträchtlichen Summen akkumulieren, selbst in kleineren Unternehmen.

Darüber hinaus können beharrliche Wiederholungen und vorsätzliche Verstöße, die beispielsweise eine Gesundheitsgefährdung für Mitarbeiter darstellen, sogar strafrechtlich relevant sein. Solche Fälle können mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafen geahndet werden, was die Bedeutung einer strikten Einhaltung und Überwachung der Arbeitszeitregelungen unterstreicht.

 

Vertrauensarbeitszeit – und damit ist alles gut?

Ein häufig diskutierter Ansatz zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ist die sogenannte Vertrauensarbeitszeit, bei der Mitarbeiter innerhalb gewisser Rahmen eigenverantwortlich über die Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit entscheiden können. Dies mag auf den ersten Blick als ein wirksamer Weg erscheinen, um die starren Vorgaben traditioneller Arbeitszeitmodelle zu umgehen und somit die Haftungsrisiken für Führungskräfte zu minimieren. Doch dieser Ansatz birgt Tücken.

Trotz der flexiblen Handhabung der Arbeitszeit durch die Mitarbeiter gilt das Arbeitszeitgesetz auch bei Vertrauensarbeitszeit uneingeschränkt. Das bedeutet, dass die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften weiterhin beim Arbeitgeber liegt. Eine wesentliche Hürde dabei ist die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeiten, welche häufig in Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit vernachlässigt wird. Aber ohne präzise Aufzeichnung der Arbeitszeiten fehlen im Falle einer Überprüfung die notwendigen Nachweise, was die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften betrifft.

Interessanterweise nehmen Aufsichtsbehörden gerade bei Modellen der Vertrauensarbeitszeit eine besonders strenge Prüfungshaltung ein. Der Grund dafür ist, dass die Freiheiten, die dieses Arbeitszeitmodell bietet, oft zu Überschreitungen der maximal zulässigen Arbeitszeiten führen können, ohne dass dies sofort offensichtlich ist. Somit sind Unternehmen, die auf Vertrauensarbeitszeit setzen, besonders gefordert, effektive Kontrollmechanismen zu implementieren, die sowohl den gesetzlichen Anforderungen genügen als auch die Dokumentation der Arbeitszeiten lückenlos sicherstellen.

 

Handlungsbedarf?

Jedenfalls sollten die internen Prozesse analysiert und beurteilt werden, welche Dokumentationslage im Zweifel der Aufsichtsbehörde gegenüber offengelegt werden kann.

 

von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte