Corona: Arbeitgeber können die Durchführung von PCR-Tests anordnen
Mit Blick auf den Herbst ist zu erwarten, dass die Corona Neuinfektionen wieder zu nehmen. Auch wenn zu hoffen ist, dass Dank einer hohen Impfquote bzw. einer hohen Genesenenquote keine neue epidemische Lage eintritt, wird sich erneut die Frage stellen, was Arbeitgeber verlangen dürfen und wo es Grenzen gibt.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 01.06.2022 – 5 AZR 28/22
Mit Blick auf den Herbst ist zu erwarten, dass die Corona Neuinfektionen wieder zu nehmen. Auch wenn zu hoffen ist, dass Dank einer hohen Impfquote bzw. einer hohen Genesenenquote keine neue epidemische Lage eintritt, wird sich erneut die Frage stellen, was Arbeitgeber verlangen dürfen und wo es Grenzen gibt.
Das BAG gibt Arbeitgebern einen wichtigen Anhaltspunkt, indem es entschied, dass Arbeitgeber berechtigt sind, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.
Worum geht es?
Die zwischenzeitlich öffentlich-rechtlich geltenden Testpflichten und Vorgaben für Testanordnungen sind mit dem Ende der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung am 25. Mai 2022 ausgelaufen.
Daher stellt sich die Frage, was Arbeitgeber – unabhängig von den öffentlich-rechtlichen Vorschriften – dürfen. Dürfen Arbeitgeber nun trotzdem unter Berufung auf das Direktionsrecht (§ 106 GewO) einseitig Corona-Tests anordnen und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen dürfen sie dies?
Der Sachverhalt
Die Klägerin war als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts eine Teststrategie entwickelt, die unter anderem vorsah, dass die Arbeitnehmer negative PCR-Tests vorlegen müssen. Nach dem betrieblichen Hygienekonzept wurde die Vorlage der negativen PCT-Tests unter anderem darauf gestützt, dass aufgrund der Eigenart der Beschäftigung im Orchestergraben das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen nicht möglich sei und die Abstände im Orchesterbetrieb nicht immer sicher eingehalten werden könnten, da der Orchestergraben räumlich begrenzt ist und eine Ausweitung des Platzes zur Ermöglichung größerer Abstände nicht möglich. Die PCR-Tests konnten auf Kosten der Arbeitgeberin und während der Arbeitszeit erfolgen. Alternativ war auch die Beibringung eines entsprechenden Attests durch einen Arzt eigener Wahl möglich.
Die Klägerin lehnte die Durchführung der angeordneten PCR-Tests ab und berief sich auf einen Eingriff in ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie ihre körperliche Unversehrtheit. Daraufhin teilte die Bayerische Staatsoper der Klägerin mit, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne und stellte die Klägerin bis Ende Oktober 2020 unbezahlt frei. Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht negative PCR-Tests vor.
Mit ihrer Klage hat sie für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs begehrt, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens.
Die Entscheidung
Die Klage wurde von allen Instanzen – nun auch vom BAG – abgewiesen. Ausweislich der Pressemitteilung ergibt sich die Rechtmäßigkeit der Anweisung zum Testen aus dem betrieblichen Hygienekonzept und den Umständen des konkreten Einzelfalls. Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn schied wegen der fehlenden arbeitnehmerseitigen Leistungsbereitschaft aus. Auch die weiteren Anträge sah das BAG als unbegründet an.
Aus § 618 Abs. 1 BGB ergibt sich eine Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.
Hiervon ausgehend war die Anweisung des beklagten Freistaats zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig. Die Bayerische Staatsoper hat mit Blick auf die pandemische Verbreitung von SARS-CoV-2 zunächst technische und organisatorische Maßnahmen (z.B. Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken) ergriffen, diese aber als nicht als ausreichend erachtet. Zudem wurde ein Hygienekonzept erarbeitet, das unter anderem für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests in einer gewissen Regelmäßigkeit vorsah. Hierdurch sollte der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin entsprachen billigem Ermessen im Sinne von § 106 GewO.
Auch war der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verhältnismäßig. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung sowieso im Betrieb bekannt wird. Die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts war damit rechtmäßig.
Was heißt das?
Das Urteil stützt sich auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht und betont die Bedeutung eines betrieblichen Hygienekonzepts. Dennoch gibt es Leitplanken, an die sich Arbeitgeber halten müssen: Zum einen müssen die Maßnahmen des betrieblichen Hygienekonzepts verhältnismäßig sein. Zum anderen wäre ein bestehender Betriebsrat hierbei gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beteiligen.
Handlungsempfehlung Unternehmen ist zu raten, soweit dies noch nicht geschehen sein sollte, ein betriebliches Hygienekonzept auszuarbeiten bzw. anzupassen. Hierbei kann die Faustformel herangezogen werden, dass im Zweifel der Gesundheitsschutz über die Individualinteressen zu stellen ist. Dennoch ist bei der Bewertung des Urteils ist zu beachten, dass sich der Fall in einer Zeit besonderes hohen Infektionsgeschehens ereignete. Es ist daher davon auszugehen, dass es bei weiteren Fällen auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (dazu zählt insbesondere auch die betriebliche Situation) ankommt. |
Die Rechtsprechung wird für Sie aufgearbeitet von Frau Dr. Felisiak von ADVANT Beiten Steuerberatungsgesellschaft GmbH
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