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Corona-Prämie ist unter bestimmten Voraussetzungen unpfändbar

Eine freiwillig gezahlte Corona-Prämie an einen Arbeitnehmer, der nicht im Pflegebereich tätig ist, ist als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Voraussetzung hierfür ist, dass der Zweck der Prämie in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt und dass die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt, so das BAG.

Arbeitsrecht
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Ein Taschenrechner mit der Aufschrift „Fehlerbonus“ umgeben von verschiedenen Banknoten und Münzen, die finanzielle Berechnungen oder Budgetierung symbolisieren.
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Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 25.08.2022 – 8 AZR 14/22

Worum geht es?

Es geht um die Frage, inwieweit Sonderzahlungen – hier die Corona-Prämie – pfändbar sind. Hierzu hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.02.2022 – 23 Sa 1254/21) entschieden, dass tarifliche Corona-Prämien pfändbar sind, jedenfalls dann, wenn die Auszahlung unabhängig von der tatsächlichen Belastung durch die Corona-Pandemie erfolgt. Dies entspricht dem sogenannten „Gießkannen-Prinzip“. Geklagt hatte in dem LAG-Fall ein Omnibusfahrer, der im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die pfändbaren Anteile seines Arbeitseinkommens an die Insolvenzverwalterin abgetreten hatte. Der Omnibusfahrer erhielt nur einen Teil der Corona-Prämie, die für die Jahre 2020 und 2021 ausgezahlt wurde. Der Rest ging an die Insolvenzverwalterin. Dies missfiel dem Omnisbusfahrer und er klagte – jedoch ohne Erfolg.

Rechtlich ist die Frage bei § 850a Zivilprozessordnung (ZPO) zu verordnen und es ist zu beantworten, ob es sich bei der Corona-Prämie um unpfändbares Arbeitseinkommen handelt. Nach § 850a Nr. 3 ZPO sind Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen unpfändbar, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.

Nach dem LAG Berlin-Brandenburg sind tarifliche Corona-Prämien pfändbar und unterfallen nicht der Regelung des § 850a Nr. 3 ZPO. Begründung: Eine tarifliche Regelung unterscheidet nicht danach, in welchem Maße die Beschäftigten aufgrund der Corona-Krise besonderen Belastungen ausgesetzt waren/ sind. Stattdessen sollen alle Beschäftigten – unabhängig von den konkreten Umständen der individuellen Arbeitsleistung – gleichermaßen (= Gießkannnen-Prinzip) von der Prämie profitieren. In dem vom BAG entschiedenen Fall ist das anders.

Der Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin hatte im Jahr 2015 Privatinsolvenz angemeldet. Sie war als Küchenhilfe und Thekenkraft in einem Restaurant beschäftigt und ihr Arbeitgeber zahlte ihr – zusätzlich zu ihrem Lohn – eine freiwillige Corona-Prämie in Höhe von 400 Euro.

Die Insolvenzverwalterin war der Meinung, dass zumindest ein Teil der Prämie pfändbar sei und forderte den Arbeitgeber zur Auszahlung des pfändbaren Betrags in Höhe von 182,99 Euro netto auf. Nach Ansicht der Insolvenzverwalterin galten im vorliegenden Fall andere Regelungen als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGBXI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe. Sie argumentierte daher, dass es eine Regelung über die Unpfändbarkeit einer Sonderzahlung schlicht nicht gebe, woraus sich die Pfändbarkeit der Corona-Prämie ergebe.

Der Arbeitgeber sah dies anders, so dass die Insolvenzverwalterin Klage erhob. In den Vorinstanzen war sie bereits erfolglos gescheitert.

Die Entscheidung

Das BAG bestätigte die Sicht der Vorinstanzen und wies die Klage ab.

Die Corona-Prämie gehöre nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin, so das BAG. Mit dem Begriff der „Erschwernis“ in § 850a Nr. 3 ZPO seien besondere Belastungen bei der Erbringung der Arbeitsleistung gemeint. Dazu gehörten insbesondere Umstände, die für die Gesundheit der Arbeitnehmer nachteilig seien und Maßnahmen zu ihrem Schutz erforderten. Die Arbeitnehmerin habe als Thekenkraft insbesondere Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einzuhalten und unterliege der Maskenpflicht. Auch sei sie durch den Kontakt mit den Restaurantgästen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt, wodurch nicht zuletzt eine besondere psychische Belastung bestehe.

Sinn und Zweck der Pfändungsschutznorm des § 850a Nr. 3 ZPO sei es, dem Schuldner (hier der Arbeitnehmerin) die wirtschaftliche Existenz zu sichern. Daher sei es geboten, solche Zulagen dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen, die nicht nur ungünstige, sondern besonders belastende Arbeitsumstände ausgleichen sollen. Der Zweck der Corona-Prämie, nämlich die Anerkennung für die Erbringung der Arbeitsleistung unter den besonderen Bedingungen der Pandemie, würde verfehlt, wenn diese Prämien nicht pfändungsfrei gestellt würden, so das BAG. Die Corona-Prämie solle daher uneingeschränkt der Arbeitnehmerin zugutekommen.

Was heißt das?

Aus dem Zweck der freiwillig gezahlten Corona-Prämie – die Honorierung von besonderen Belastungen, die pandemiebedingt die Arbeitsleistung erschweren – folgt die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie.

Ob das BAG dabei der strengeren Linie des oben genannten Urteils des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.02.2022 – 23 Sa 1254/21) folgt, wonach der Pfändungsschutz einzelfallbezogen davon abhängt, ob die Prämienregelung unterschiedslos allen Arbeitnehmern eine Zulage gewährt (dann pfändbar) oder auf das konkrete Ausmaß der individuellen Belastung des einzelnen Arbeitnehmers abstellt (dann unpfändbar), lässt sich der Pressemitteilung des BAG nicht entnehmen. Insoweit bleibt die vollständige Urteilsbegründung abzuwarten.

Handlungsempfehlung

Mit dieser BAG Entscheidung scheint geklärt zu sein, dass Corona-Prämien jedenfalls dann vor einer Pfändung geschützt sind, wenn der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich besonderen pandemiebedingten Belastungen bei seiner Tätigkeit ausgesetzt ist und die Prämie den Grenzbetrag von 1.500 EUR nicht übersteigt. Arbeitgeber können bei Vorliegen dieser Voraussetzungen einen etwaigen Pfändungsversuch von Gläubigern des Arbeitnehmers zurückweisen und die Prämie an den Arbeitnehmer auszahlen.

Werden dagegen Corona-Prämien im „Gießkannen-Prinzip“ ohne Unterscheidung nach der individuellen Erschwernis an alle Arbeitnehmer ausgezahlt, ist Vorsicht geboten. In dieser Konstellation ist bis zum Vorliegen des vollständigen Entscheidungsgründe zu empfehlen, zunächst weder an den Arbeitnehmer noch den Pfändungsgläubiger auszuzahlen, sondern zu versuchen, sich mit diesen auf einen vorläufigen Einbehalt zu einigen oder, falls dies misslingt, den Prämienbetrag gerichtlich zu hinterlegen.

 

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