Die Krux mit der Ausschlussfrist
Vorlagen für Arbeitsverträge haben die meisten „in der Tasche“. Dass eine regelmäßige Überprüfung des Inhalts auf Aktualität sinnvoll ist, wissen die meisten nicht erst seit den Änderungen des Nachweisgesetzes. Die Ausschlussklausel wird jedoch regelmäßig vernachlässigt. Wie wichtig die richtige Formulierung der Ausschlussfrist ist, zeigt eine nun veröffentlichte Entscheidung des BAG.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24.05.2022 – 9 AZR 461/21
Worum geht es?
Es geht um die Frage, wann ein Urlaubsabgeltungsanspruch klageweise geltend gemacht werden muss und wie man eine gerichtsfeste Ausschlussklausel formuliert.
Dass auch Urlaubsabgeltungsansprüche einer vertraglichen Ausschlussfrist unterliegen, bestätigt das BAG in der genannten Entscheidung nochmal. Endet das Arbeitsverhältnis, wandelt sich ein Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um. Ein solcher Geldansprüche kann sowohl verjähren als auch der üblichen Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen unterfallen. Voraussetzung ist aber, dass die vereinbarte Ausschlussfristenregelung wirksam ist und den aktuellen Ansprüchen der Rechtsprechung genügt.
Der Sachverhalt
Die klagende Arbeitnehmerin war bei der beklagten Rechtsanwältin als Rechtsanwaltsfachangestellte seit dem 07.01.2019 an fünf Tagen der Woche gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 1.300,00 € brutto angestellt.
In dem Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise zum Urlaub und zur Ausschlussfristenregelung wie folgt:
„§ 5 Urlaub
Der Urlaubsanspruch beträgt 24 Arbeitstage, wobei zur Berechnung des Urlaubsanspruchs die Arbeitswoche fünf Tage umfaßt.
…
§ 15 Verfallfristen-/Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.
Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers/in auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.
Bleibt die Geltendmachung erfolglos, erlöschen sie, wenn der Anspruch nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich anhängig gemacht wird.“
Die Rechtsanwältin kündigte der Mitarbeiterin am 05.07,2019 fristgerecht zum 19.07.2019. Erst am 23.01.2020 erfolgte die Zustellung der Klage, mit der die Klägerin – aufgrund einer Klageerweiterung – die Abgeltung von insgesamt 24 Urlaubstagen geltend machte. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Anspruch nicht erloschen sei, obwohl sie die Abgeltung erst nach Ablauf der in § 15 des Arbeitsvertrags bezeichneten Frist verlangt habe. Die Klausel sei intransparent und damit unwirksam.
Die Entscheidung
Die Klägerin scheiterte in allen Instanzen – nun auch vor dem BAG. Der Abgeltungsanspruch ist mit dem Ablauf des 19.10.2019 gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags verfallen.
Das BAG bestätigt damit die Auffassung der Vorinstanz und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die erste Stufe der Ausschlussfrist in § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 bis 4 des Arbeitsvertrags wirksam ist. Nur hierauf kommt es an.
Die Annahme der Klägerin, dass die Formulierung in § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei, weil die Klausel tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen erfasse, teilt das BAG nicht. Insoweit steht bereits entgegen, dass bei Vertragsschluss der Anwendungsbereich von § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG und § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG nicht eröffnet war. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirkten keine Kollektivnormen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein. Auch die anderen von der Klägerin vorgetragenen Gründe für die Intransparenz scheitern.
Auf die Wirksamkeit der zweiten Stufe kam es nicht an, obwohl erhebliche Zweifel hiergegen bestanden. Das BAG stellt klar, dass eine etwaige Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussfrist die Wirksamkeit der Regelungen zur ersten Stufe unberührt lässt.
Hierfür spricht u.a., dass die erste und die zweite Stufe der Ausschlussklausel in § 15 des Arbeitsvertrags sprachlich und inhaltlich trennbar geregelt sind. § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 bis 4 des Arbeitsvertrags enthält eine eigenständige sachliche Regelung. Zudem ist es – entgegen der Auffassung der Klägerin – dabei ohne Auswirkung, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags beide Stufen in einem Satz nennt. Es reicht aus, dass die beiden Halbsätze sprachlich und inhaltlich trennbar sind. Der Anspruch der Klägerin ist damit verfallen.
Was heißt das?
Bei einer zweistufigen Ausschlussfristenklausel handelt es sich in der Regel um eine teilbare Klausel. Die Prüfung der Wirksamkeit erfolgt daher getrennt für jede Stufe. Das setzt voraus, dass die Regelungen nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sind. Das BAG wendet für diese getrennte Prüfung den sogenannten Blue-Pencel-Test an. Mit diesem Test wird der unwirksame Teil gestrichen und dann ermittelt, ob die verbleibende Klausel aufrechterhalten werden kann. Ist das der Fall, bleibt dann die getrennte Klausel – wie in dem entschiedenen Fall – weiterhin wirksam, auch wenn ein zweiter Teil unwirksam ist.
Handlungsempfehlung Die Formulierung einer wirksamen Ausschlussklausel ist durchaus anspruchsvoll und die Anforderungen unterliegen einem stetigen Wandel. Kleinste Fehler können zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führen. Aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit sollte genau geprüft werden, ob eine zweistufige Ausschlussklausel notwendig ist. Sollte dies der Fall sein, ist darauf zu achten, die Voraussetzungen für einen möglichen Blue-Pencel-Test zu schaffen. |
Die Rechtsprechung wird für Sie aufgearbeitet von Frau Dr. Felisiak von ADVANT Beiten Steuerberatungsgesellschaft GmbH.