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FG: Voraussetzungen eines gültigen elektronischen Fahrtenbuches

Lohnsteuerrecht
Lesezeit 8 Min.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 24.11.2023 mit Aktenzeichen 3 K 1887/22 H(L) die Frage der Ordnungsmäßigkeit von elektronischen Fahrtenbüchern zu beurteilen.

Foto: @ stock.adobe.com/momius

Im Betriebsvermögen einer GmbH befanden sich verschiedene PKW mit den Bruttolistenpreisen 86.900 Euro und 72.800 Euro, welche auch zu privaten Zwecken genutzt werden durften. Die GmbH erfasste für die private Nutzung lediglich folgende geldwerte Vorteile als Arbeitslohn: 2.344,96 Euro (2012), 2.000 Euro (2013), 2.200 Euro (2014) und 600 Euro (Januar bis März 2015). Erfasst wurde der Anteil an den Gesamtkosten, der rechnerisch auf den Anteil der privat gefahrenen Kilometer laut Fahrtenbuch entfällt.

Ein Geschäftsführer führte für die vorgenannten Fahrzeuge elektronische Fahrtenbücher mit der Software „Fahrtenbuch Express“. In einer Prüfungsbescheinigung vom 23.11.2010 und in der Konformitätserklärung des Herstellers heißt es, dass diese Software bei ordnungsgemäßer Anwendung, die an ein elektronisches Fahrtenbuch zu stellenden gesetzlichen Anforderungen erfülle. In der Konformitätsbescheinigung wird u.a. Folgendes ausgeführt „Nachträgliche Stornierungen und Buchungen, wie in einer Finanzbuchhaltung möglich, können aufgrund der laufend geführten km-Stände nicht unterstützt werden. Mit dem Ausdruck und folgendem monatlichen Abschluss des Fahrtenbuchs werden alle Fahrten unwiderruflich gelöscht und unveränderlich in eine andere Datenbank übertragen. … Ab der Erstellung des monatlichen Fahrtenbuchs bis zum Abschluss können Fahrten geändert oder gelöscht werden. Diese Änderungen werden in einer internen Protokolldatei (nicht änder- oder löschbar) protokolliert. Das Änderungsprotokoll kann jederzeit, auch für bereits abgeschlossene Fahrtenbücher für einen wählbaren Zeitraum auf Wunsch ausgedruckt werden. Das nachträgliche Ändern oder Löschen von Fahrten nach dem Abschluss ist nicht möglich.“

Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung wurde dem Prüfer schriftlich Folgendes mitgeteilt: „Die durchgeführten Fahrten werden zunächst auf einem Zettel notiert. Meistens nach (Voll-)Tankungen werden diese dann neben des Kostenbelegs in das elektronische Fahrtenbuch eingegeben und auf Richtigkeit kontrolliert. Am Monatsende wird das Fahrtenbuch abgeschlossen, ausgedruckt und archiviert. Die Werte (Gesamt-/Privatkilometer, Kosten etc.) werden dann in eine Excel-Tabelle eingegeben, um den Kilometer-Wert zu ermitteln.“ Die erwähnten Notizzettel wurden – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – nicht aufbewahrt.

Mit der Software „Fahrtenbuch Express“ wurden neben dem eigentlichen Fahrtenbuch auch Aufstellungen über die angefallenen Kosten erstellt. Aus der Auflistung der Tankbelege ergibt sich u.a., dass die Abstände zwischen den Tankvorgängen sich häufig auf etwa zwei Wochen beliefen und teilweise sogar noch länger.

Der Prüfer kam zu dem Schluss, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei. Die Einsichtnahme der Ursprungsdaten habe ergeben, dass die Eintragungen nicht zeitnah erfolgt seien, sondern eine Aktualisierung im 3 bis 6-Wochenrhythmus erfolgt sei. Das Fahrtenbuch sei deshalb zu verwerfen und der geldwerte Vorteil sei unter Anwendung der sog. 1 % – Regelung zu ermitteln. Es würden sich geldwerte Vorteile i.H.v. 10.428 Euro (2012), 7.562 Euro (2013), 8.736 Euro (2014) und 2.184 Euro (Januar bis März 2015) ergeben. Dies führe zu Steuernachforderungen i. H. v. 10.043,93 Euro (Lohnsteuer 8.772 Euro, Solidaritätszuschlag 482,46 Euro, Kirchensteuer 789,47 Euro).

Gegen den Haftungsbescheid wurde Einspruch und anschließend Klage erhoben. 

Entscheidung:

Die Richter des Finanzgerichtes gaben dem Finanzamt Recht. Nach Ansicht der Richter hat das Finanzamt zu Recht einen höheren geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers wegen Nutzung von Firmen-PKW zu Privatzwecken angesetzt. Die vorgelegten Fahrtenbücher sind nicht ordnungsgemäß.

Die Überlassung eines betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit in aller Regel zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 EStG. Denn der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart.

Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Kfz zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der sog. 1 % – Regelung zu berechnen. Der tatsächliche Umfang der Privatnutzung wird nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige diesen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Ist dies der Fall, ist der für die Überlassung eines dienstlichen Kfz zur privaten Nutzung anzusetzende geldwerte Vorteil entsprechend dem Anteil der Privatnutzung an den insgesamt für das Kfz angefallenen Aufwendungen zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).

Der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist durch die Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Ziel ordnungsgemäßer Aufzeichnungen muss es sein, die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen. Dieser Anforderung wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen.

Nach Ansicht der Richter erfüllen die vorgelegten Fahrtenbücher die o. g. Voraussetzungen nicht. Zum einen fehlt die von der Rechtsprechung geforderte äußere geschlossene Form und zum anderen wurden die Fahrtenbücher nicht zeitnah geführt.

Nach Ansicht der Richter weist ein mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugtes Fahrtenbuch eine geschlossene Form nur dann auf, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert oder offengelegt werden und bereits bei gewöhnlicher Einsichtnahme in das elektronische Fahrtenbuch erkennbar sind. Alle erforderlichen Angaben müssen sich dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen; ein Verweis auf ergänzende Unterlagen ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Die im Streitfall geführten elektronischen Fahrtenbücher erfüllen diese Voraussetzungen nach Ansicht der Richter nicht. Denn es wurde zur Erstellung der Fahrtenbücher ein Programm verwendet, das nachträgliche Änderungen zulässt, ohne diese Änderungen im Fahrtenbuch selbst offenzulegen. Wie sich aus der Konformitätsbescheinigung des Herstellers ergibt, können eingetragene Fahrten bis zur Festschreibung des jeweiligen Monats beliebig geändert oder gelöscht werden. Vorgenommene Veränderungen sind dabei nicht unmittelbar aus dem Fahrtenbuch selbst ersichtlich, sondern werden lediglich in Protokolldateien festgehalten. Folglich kann die Ordnungsgemäßheit des Fahrtenbuchs nur unter Heranziehung der Änderungsprotokolle überprüft werden. Zwar sind diese Protokolldateien – die Richtigkeit des Inhalts der Konformitätsbescheinigung unterstellt – ihrerseits nicht änderbar oder löschbar. Solche externen Dateien sind jedoch schon dem Grunde nach nicht geeignet, so die Richter, die von der Rechtsprechung geforderte geschlossene Form des Fahrtenbuchs herzustellen. Selbst wenn der Steuerpflichtige das Fahrtenbuch und sämtliche Protokolldateien ausdruckt oder dem Finanzamt anderweitig (z. B. elektronisch) zur Verfügung stellt, handelt es sich bei den einzelnen Dateien bzw. deren Ausdrucken nach Auffassung der Richter letztlich nur um eine lose Ansammlung einzelner nicht untereinander verbundener Daten ohne äußeren Zusammenhang, d. h. ohne die erforderliche „buch“förmige äußere Gestalt.

Erschwerend kommt nach Ansicht der Richter hinzu, dass vorgenommene Änderungen gerade nicht bereits „bei gewöhnlicher Einsichtnahme“ in das elektronische Fahrtenbuch erkennbar sind, sondern es vielmehr eines erheblichen Aufwands bedürfte, den Inhalt des Fahrtenbuchs mit dem Inhalt diverser Protokolldateien abzugleichen. Die benutzte Software ist damit schon ihrer Art nach untauglich, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu stellenden Anforderungen zu erfüllen.

Zudem war zu beachten, dass die Änderungsprotokolle bzw. „sonstige interne Protokolldateien“ trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden sind. Damit lässt sich für die Richter in keiner Weise feststellen, wann die Eintragungen der einzelnen Monate „festgeschrieben“ wurden und welche Änderungen zuvor vorgenommen wurden. In letzterem Punkt unterscheidet sich das hier zu beurteilende Fahrtenbuch deutlich von einem handschriftlich geführten Fahrtenbuch, in dem nachträgliche Änderungen durch Durchstreichungen, Überklebungen oder herausgerissene Seiten sichtbar bleiben.

Die Fahrtenbücher wurden nach Ansicht der Richter auch nicht zeitnah geführt.

Eine zeitnahe Führung liegt vor, so die Richter, wenn der Nutzer des Fahrzeugs die Eintragungen im Anschluss an die betreffenden Fahrten vornimmt. Wann die Eintragungen im Streitfall konkret erfolgt sind, lässt sich mangels Vorlage der Protokolldateien nicht feststellen. Ob bereits dieser Umstand ausreichen würde, um dem Fahrtenbuch die Ordnungsgemäßheit abzuerkennen bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Die Arbeitnehmer haben selbst eingeräumt, dass die Eintragungen in das elektronische Fahrtenbuch gebündelt – üblicherweise nach jedem Tankvorgang – vorgenommen worden seien und die Fahrten in der Zwischenzeit lediglich auf Notizzetteln festgehalten worden seien. Nach Ansicht der Richter wird die gebündelte Eintragung der Fahrten mehrerer Tage bzw. sogar Wochen nicht den an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellenden Anforderungen gerecht.

Auch die Geschäftsführer schilderten, dass zwischen einzelnen Eintragungen auch zwei oder mehr Wochen liegen konnten. Bei derartigen Abständen ist nicht mehr gewährleistet, dass alle Fahrten zutreffend erfasst sind, so die Richter. Dies gilt im Streitfall umso mehr, weil zwischendurch nur „Notizzettel“ geführt worden sein sollen und bei losen Zetteln stets die Gefahr besteht, dass diese verloren gehen.

Die Richter sind weiterhin der Auffassung, dass keine „kleineren Mängel“ wie z. B. einzelne Eintragungsfehler vorliegen. Bei den vorliegenden Fehlern (fehlende geschlossene Form, keine zeitnahe Führung) handelt es sich vielmehr um grundlegende organisatorische Fehler, die die Fahrtenbücher insgesamt betreffen und letztlich dazu führen, dass keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen besteht.

Mangels Vorlage ordnungsgemäßer Fahrtenbücher ist der geldwerte Vorteil aus der Dienstwagennutzung auf Grundlage der 1 %-Regelung anzusetzen. Berechnungsfehler hier waren für die Richter nicht ersichtlich.

Praxishinweis:

Praxishinweis: Bei elektronischen Fahrtbüchern muss sichergestellt werden, dass auch hier die Eintragungen zeitnah und so erfolgen, dass sie nachträglich nicht änderbar sind.

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