Gesamtzusage – Gleichbehandlungsgrundsatz
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser oder ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nichts herleiten.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt danach, dass eine vorgenommene Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zugleich Anspruchsgrundlage und Schranke der Rechtsausübung. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift er nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft. Liegen einer Leistung bestimmte Voraussetzungen zugrunde, muss die vom Arbeitgeber damit selbst geschaffene Gruppenbildung, gemessen am Zweck der Leistung, im genannten Sinne sachlich gerechtfertigt sein.
Der Arbeitgeber ist nicht nur dann an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn er einseitig allgemeine Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung bestimmt hat, sondern auch dann, wenn arbeitsvertragliche Vereinbarungen vorliegen. Danach begrenzt der Grundsatz um des Schutzes des Arbeitnehmers willen die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Das gilt insbesondere auch bei Gesamtzusagen, da sich der einzelne Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit befindet. Die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Gesamtzusagen ist deshalb in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt.
Rechtsfolge einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist dann die Korrektur der arbeitgeberseitig bestimmten gleichbehandlungswidrigen Voraussetzung. Die sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung führt im Ergebnis zu einer Anpassung dieses Merkmals durch ein gleichbehandlungskonformes. Der Arbeitnehmer, der ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt wurde, kann die Leistung, von der er nach der Regelbildung des Arbeitgebers wegen Nichterfüllung des gleichbehandlungswidrigen Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen war, von diesem verlangen, wenn es keine weiteren Voraussetzungen gibt oder etwaige weitere Voraussetzungen von ihm erfüllt werden.
Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Betriebsrentenrecht hat der arbeitsrechtliche arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz daher schon kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung. Er stellt im Zusammenspiel mit der vom Arbeitgeber geschaffenen Ordnung eine Anspruchsgrundlage auf Leistungen des Arbeitgebers dar.
Versorgungszusagen werden vielfach in Form einer Gesamtzusage gemacht. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags im Sinne von § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ist ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer – auch die nachträglich in den Betrieb eintretenden – erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an.
Quelle: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil mit Az. 3 AZR 730/19, bearbeitet durch das alga-Competence-Center, RA Dr. Hans-Otto Blaeser
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