Happy 2024 – Ist Ihr Unternehmen fit für 2024?
Der Jahreswechsel ist schon drei Wochen her und so langsam sind alle im neuen Jahr angekommen. Damit Sie auch bestens informiert in das neue Jahr starten, haben wir nachfolgend einen Überblick über die aktuellen arbeitsrechtlichen Themen und Neuerungen zusammengestellt:
Die „Schonfrist“ für das Hinweisgeberschutzgesetz ist abgelaufen
Bereits im Dezember 2023 lief die Schonfrist für das Hinweisgeberschutzgesetz ab. Seit dem 18.12.2023 müssen alle Arbeitgeber mit 50 und mehr Beschäftigten eine vertrauliche interne Meldestelle für Hinweise auf Rechtsverstöße vorhalten. Bisher galt diese Pflicht nur für größere Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sowie für Arbeitgeber in speziellen Branchen.
Kommen Unternehmen dieser Pflicht nicht nach, kann seit Dezember 2023 erstmals ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro verhängt werden. Auch andere Verstöße gegen Vorschriften im Hinweisgeberschutzgesetz sind bußgeldbewährt.
Neue Richtlinie für telefonische Krankschreibung
Seit dem 07.12.2023 können sich sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte telefonisch ihre Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen. Auch Eltern erhalten diese Möglichkeit ab dem 18.12.2023, wenn ihr Kind krank ist und sie es betreuen müssen. Die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gilt für maximal fünf Kalendertage und wird (bei gesetzlich Versicherten) elektronisch direkt an die Krankenkasse übermittelt.
Voraussetzungen sind:
- Es handelt sich nur um einen leichten grippalen Infekt.
- Der Patient ist der Praxis bereits bekannt.
- Eine Video-Konsultation ist nicht möglich.
Für den Fall, dass die telefonisch festgestellte Erkrankung fortbesteht, muss der Patient für eine Folgebescheinigung allerdings die Arztpraxis aufsuchen. Eine Ausnahme besteht, wenn die erstmalige Bescheinigung anlässlich eines Praxisbesuchs ausgestellt wurde; in diesem Fall ist die Feststellung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit wiederum per Telefon möglich.
Mindestlohnerhöhung
Seit dem 01.01.2024 wurde der gesetzliche Mindestlohn auf 12,41 Euro pro Stunde erhöht. Die Verdienstgrenze für Minijobs steigt damit auf 538,00 Euro monatlich. Die jährliche Verdienstgrenze erhöht sich entsprechend auf 6.456 Euro brutto.
Achtung: Arbeitgeber müssen im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, in denen Arbeitnehmer auf Basis eines Stundenlohns bezahlt werden, darauf achten, dass mit dem gestiegenen Mindestlohn die monatliche Verdienstgrenze nicht überschritten wird. |
Familienstartzeit (Partnerschaftsurlaub)
Zeitnah soll es außerdem eine Regelung für die sogenannte Familienstartzeit geben. Obwohl Deutschland auch insoweit hinterherhinkt (bis zum 02.08.2022 hätte die zugrunde liegende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden müssen), befindet sich der Referentenentwurf des Familienministeriums noch in der Ressortabstimmung.
Der Entwurf des Familienstartzeitgesetzes sieht für den nicht gebärenden Elternteil einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer von zehn Arbeitstagen (bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche) nach der Geburt eines Kindes vor. Währenddessen erhält der Partner vom Arbeitgeber einen sogenannten Partnerschaftslohn, der sich nach den Regeln des Mutterschutzlohns berechnet.
Verringerung des Kinderkrankengelds
Das Kinderkrankengeld wird für die Jahre 2024 und 2025 angepasst. Der Anspruch besteht bei Erkrankung des Kindes für 15 Tage pro Kind und Elternteil, sofern die weiteren Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Alleinerziehende bis zu 30 Arbeitstage). Insgesamt ist der Anspruch auf 35 Tage pro Elternteil begrenzt (Alleinerziehende bis zu 70 Tage).
Damit wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld im Vergleich zu der im Zuge der Corona-Pandemie geltenden Regelung verringert (pro Kind und Elternteil 30, insgesamt 65 Tage; bei Alleinerziehenden 60 pro Kind, insgesamt 130), die Anzahl der Tage bleibt aber höher als vor 2020 (seinerzeit: je Elternteil 10 Tage, Alleinerziehende 20).
Achtung: Die Krankenkasse springt allerdings nur ein, wenn die Regelung des § 616 BGB arbeitsvertraglich abbedungen wurde. Arbeitgeber sollten bestehende Vertragsmuster überprüfen und ggf. anpassen. |
Höhere Ausgleichsprämie für Arbeitgeber
Private und öffentliche Arbeitgeber mit durchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind nach § 154 SGB IX dazu verpflichtet, wenigstens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen oder ihnen gleichgestellten Personen zu besetzen. Wird diese Pflichtquote nicht erfüllt, ist eine monatliche Ausgleichsabgabe zu zahlen (§ 160 SGB IX).
Seit dem 01.01.2024 wurde die Ausgleichsabgabe erhöht, u.a. wurde eine neue Staffel von 0% eingeführt, für welche ein Ausgleich in Höhe von 720,00 Euro zu entrichten ist. Auch die Abgaben der anderen Staffeln wurden erhöht:
Jahresdurchschnittliche Beschäftigtenquote schwerbehinderter Menschen | Monatliche Ausgleichsabgabe vor 01.01.2024 | Monatliche Ausgleichsabgabe ab 01.01.2024 |
ab 5 % | EUR 0,00 | EUR 0,00 |
3 % bis weniger als 5 % | EUR 125,00 | EUR 140,00 |
2 % bis weniger als 3 % | EUR 220,00 | EUR 245,00 |
(neu: mehr als) 0 % bis weniger als 2 % | EUR 320,00 | EUR 360,00 |
0 % (NEU!) | – | EUR 720,00 |
Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung
Mit der Novellierung der Unfallversicherungs-Meldeverordnung wird ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung der öffentlichen Träger getan.
Ab dem 01.01.2024 können Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten per elektronischer Datenübertragung als Meldeweg an die gesetzliche Unfallversicherung gemeldet werden. Verpflichtend wird dies jedoch erst ab 2027.
Fachkräfteeinwanderung
Im November 2023 startete bereits die „Modernisierung“ der Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung. Anforderungen an die Einwanderung sollen – abhängig von Qualifikation, Ausbildung oder „Potenzial“ bzw. Chancen auf dem Arbeitsmarkt – schrittweise gelockert werden.
Bereits seit November 2023 wurden erste Erleichterungen eingeführt, die insbesondere die sogenannte „Blaue Karte“ als speziellen Aufenthaltstitel für besonders hochqualifizierte Drittstaatsangehörige zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen. Es wurden u. a. die Verdienstgrenzen orientiert an der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung auf ein Jahreseinkommen von derzeit 43.800 Euro anstelle von 58.400 Euro abgesenkt und in sogenannten Mangelberufen (insbesondere Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) auf derzeit 39.682,80 Euro.
IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können eine „Blaue Karte“ erhalten, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss oder Fachkräfte mit Berufsausbildung können selbst dann nicht reglementierte Berufe ausüben, wenn kein Bezug zu ihrem Abschluss besteht (reglementiert in diesem Sinne ist z. B. der Beruf als Lehrer, Arzt oder Rechtsanwalt).
Ab März 2024 folgen nun weitere Gesetzesänderungen. U. a. werden die Anforderung an die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation gesenkt. Fachkräfte können nach einer zweijährigen Ausbildung im Herkunftsstaat in nicht reglementierten Berufen arbeiten, wenn sie über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Die notwendige Berufserfahrung von IT-Fachkräften wird auf zwei Jahre verringert. Außerdem wird zum Beispiel die bisherige 18-monatige Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von Anpassungsmaßnahmen bei Ersterteilung für 24 Monate ausgestellt. Auch können im Ausland qualifizierte Fachkräfte ohne Anerkennung in Deutschland aufgrund mehrjähriger Berufserfahrung in ihrem Herkunftsland eine Arbeitsgenehmigung erhalten. Dies galt bislang lediglich für Beschäftigte im IT-Bereich.
Ab Juni 2024 folgt die Einführung der sog. „Chancenkarte“, welche es Fachkräften mit Deutschlandbezug mittels eines Punktesystems ermöglicht sich während der Arbeitsplatzsuche in Deutschland aufzuhalten. Fachkräfte mit einer anerkannten Berufsausbildung oder einer akademischen Berufsausbildung erhalten die Karte ohne weitere Voraussetzungen. Für andere Drittstaatsangehörige gelten folgende Voraussetzungen:
- Sie müssen einen im Ausbildungsstaat anerkannten qualifizierten Berufs- oder Hochschulabschluss nachweisen. Alternativ ist unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen auch ein Abschluss einer deutschen Auslandshandelskammer möglich.
- Darüber hinaus müssen einfache Sprachkenntnisse in Deutsch (A1) oder Englisch (B2) nachgewiesen werden.
- Schließlich müssen sechs Punkte nach einem Punktesystem erreicht werden, die für fachliche Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, den Bezug zu Deutschland und das Alter vergeben werden.
Die Inflationsausgleichsprämie läuft Ende 2024 aus
Seit Oktober 2022 können Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern einen Betrag bis zu 3.000 Euro steuer- und sozialabgabenfrei als Ausgleich für inflationsbedingt gestiegene Lebenshaltungskosten zahlen, die sog. Inflationsausgleichsprämie. Noch bis zum 31. Dezember 2024 ist eine Gewährung der Prämie möglich.
Friendly Reminder – Urlaub!!!
Gemäß der BAG-Rechtsprechung seit 2019 sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer dazu aufzufordern, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, und ihnen konkret, klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der nicht genommene Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird (sog. Mitwirkungsobliegenheit). Seit der BAG-Rechtsprechung vom 31.01.2023 (Az. 9 AZR 107/20) hat der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer bereits frühzeitig im Jahr, spätestens nach sechs Werktagen nach Entstehen des Urlaubsanspruchs, auf den Verfall hinzuweisen (Ausnahmen wie z.B. Betriebsferien möglich). Dies war 2024 der 08.01.2024.
Relevant wird dies im Zusammenhang mit Langzeiterkrankten: Für diese gilt seit der BAG-Rechtsprechung aus 2012 (BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 353/10), dass der gesetzliche Urlaubsanspruch bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Bleibt der Arbeitnehmer auch nach Ablauf des Urlaubsjahres, in dem er erkrankte, durchgehend arbeitsunfähig, erlischt der seither entstehende Urlaub nach 15 Monaten. Denn in diesem Fall ist nicht eine etwaig unterlassene Mitwirkung des Arbeitgebers, sondern die Arbeitsunfähigkeit kausal dafür, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Auf die Frage, ob oder wann ein Arbeitgeber einen Hinweis auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche erteilt hat, kommt es nicht an. Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr vor seiner Erkrankung aber tatsächlich gearbeitet hat. In diesem Fall setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (Hinweis). Das BAG hatte mit Urteil vom 31.01.2023 (9 AZR 107/20) klargestellt, dass auch im Fall eines fehlenden Hinweises durch den Arbeitgeber Urlaubstage generell nur in dem Umfang erhalten bleiben können (nicht nach Ablauf der 15 Monatsfrist verfallen), in dem der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit im laufenden Urlaubsjahr tatsächlich hätte in Anspruch nehmen können. In dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer den vollständigen Urlaub trotz (hypothetischer) Belehrung durch den Arbeitgeber aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte antreten können, verfalle der Anspruch nach Ablauf der 15 Monatsfrist. Diese für den gesetzlichen Mindesturlaub aufgestellten Grundsätze gelten laut BAG ebenso für tariflichen Mehrurlaub, sofern die Tarifvertragsparteien diesen nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben regeln.
Das heißt Folgendes: Ist ein Arbeitnehmer bereits in der ersten Januarwoche erkrankt, verfällt sein Urlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des betreffenden Urlaubsjahres, selbst wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit (noch) nicht erfüllt hat.
Praxistipp: Arbeitgeber sollten auch bei Rückkehr von Arbeitnehmern aus Elternzeit, Mutterschutz, Sabbatical und Pflegezeit etc. so schnell wie möglich auf den Verfall von Urlaubsansprüchen hinweisen! |
Fazit
Auch in diesem Jahr stehen viele bedeutsame Veränderungen im Arbeitsrecht an, die zu Anpassungsbedarf in der betrieblichen Praxis führen werden. Wir halten Sie über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden.