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Offener Brief: Ihr Kinderlein kommet…

Gut gedacht ist eben nicht immer auch gut gemacht – vor allem wenn es nicht zu Ende gedacht wird. Und eine richtige Willkommenskultur haben wir ohnehin nicht. Wie sollen wir Fachkräfte nach Deutschland holen, wenn wir nicht einmal dafür sorgen können, dass diese eine angemessene und bezahlbare Wohnung finden?

AllgemeinZeitwirtschaft
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Digitale Talentsuche: Erweiterung der Fähigkeiten und des Potenzials einer virtuellen Belegschaft im Personalmanagement.
Foto: © Adobe.Stock.com/Jürgen Fälchle

Liebe Leserin, lieber Leser,

inzwischen hat es auch die Politik erkannt: Wir benötigen dringend ausländische Fachkräfte – selbst wenn alle anderen inneren Ressourcen ausgeschöpft werden sollten und könnten. Gegen die Flucht in den Ruhestand der Baby-Boomer ist eben kein Kraut gewachsen. Deshalb wurde das Fachkräfteeinwanderungsgesetz geändert. Aber reicht das? Die tägliche Erfahrung sagt etwas anderes.

Ja, die Grenzwerte für das notwendige Einkommen ausländischer Fachkräfte wurden abgesenkt. Und ja, für einige Bereiche wurde auf die Anerkennung von Prüfungen verzichtet – nachgewiesene (!) Berufserfahrung reicht häufig aus. Aber all das nützt nichts, wenn die Bürokratie wieder alles mit dem Hintern umstößt. Praktische Beispiele gibt es genug: Wir wollten eine neue Mitarbeiterin aus dem Iran einstellen – sie spricht fließend Deutsch und hat einen anerkannten Abschluss. Die Arbeitsagentur hatte schon ihr Okay gegeben. Aber dann: Für den Antrag auf ein Visum musste die Dame sechs Monate (!) auf einen Termin bei der deutschen Botschaft warten. Und dann? Dann fehlte ein Nachweis der notwendigen Deutschkenntnisse. Sie brauchte unbedingt ein Zertifikat des Goethe-Instituts. Man hätte nur fünf Minuten mit ihr sprechen müssen und hätte erkannt, dass sie besser Deutsch spricht als so mancher, der hier geboren wurde.

Und der Weg zu diesem Zertifikat führte nicht (nur) über eine Prüfung, die sie sofort und ohne Probleme hätte ablegen können, nein, sie musste zuvor noch verpflichtend einen Kurs belegen. Was aber auch wieder einige Monate Vorlaufzeit benötigte.

Ja, sie ist inzwischen hier angekommen und hat ihre Arbeit aufgenommen – wir alle sind begeistert. Aber zwischen dem ersten Gespräch und dem Arbeitsbeginn in Deutschland lagen geschlagene 18 Monate! Leider kein Einzelfall.

Nach einigen Berechnungen benötigen wir rund eine Million Zuwanderer jährlich, um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Netto sind es rund 400.000 – also deshalb so viel, weil viele schnell wieder verschwinden. Welche Behörde soll denn mit einem solchen Arbeitsanfall fertig werden? Unter den aktuellen Bedingungen – Fachkräfteeinwanderungsgesetz hin oder her – keine Chance.

Gut gedacht ist eben nicht immer auch gut gemacht – vor allem wenn es nicht zu Ende gedacht wird. Und eine richtige Willkommenskultur haben wir ohnehin nicht. Wie sollen wir Fachkräfte nach Deutschland holen, wenn wir nicht einmal dafür sorgen können, dass diese eine angemessene und bezahlbare Wohnung finden? Wenn schon die ersten Kontakte zur Ausländerbehörde scheitern, weil dort niemand Englisch spricht (die Amtssprache ist Deutsch!)?

Also leider keine guten Aussichten für die Zukunft. Wir machen trotzdem weiter und versuchen, qualifizierte Mitarbeiter aus dem Ausland zu gewinnen – wir brauchen eben nur viel Zeit und noch mehr Geduld. Aber dann wird das schon – irgendwann.

In diesem Sinne: Bleiben Sie optimistisch und lassen Sie nicht alle Hoffnung fahren – es kann doch nur besser werden.

Herzlichst, Ihr

Felix, der Glückliche

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