Prüfung der Jahresarbeitsentgeltgrenze
Der Jahreswechsel ist auch die Zeit der Prüfung der Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die „Jahreswechsel-Prüfung“ erfolgt in Form einer Prognose zum Zeitpunkt nach vorliegender Abrechnung des Monats Dezember des abgelaufenen Jahres. Dabei wird nicht das aufgelaufene sozialversicherungspflichtige Brutto betrachtet, sondern das laufende regelmäßige Entgelt des Monats Dezember x 12 + regelmäßige Einmalzahlungen (für das abgelaufene Jahr auf Basis des Dezember-Wertes, für das Folgejahr die aktuellen Werte; siehe hierzu jedoch die Differenzierung aufgrund bisheriger KV-Freiheit und KV-Pflicht.). Dieses Prognose-Entgelt wird verglichen mit der bisherigen und mit der neuen Jahresarbeitsentgeltgrenze. Siehe dazu in den „Grundsätzlichen Hinweisen zur Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze“ des GKV-Spitzenverbandes vom 20.03.2019 Punkt 2.5 („auf Grundlage der gegenwärtigen“ – nicht der zurückliegenden Daten) und Seite 9 („Multiplikation der aktuellen Monatsbezüge mit 12“).
Wie bisher tritt eine zum Prüfzeitpunkt festgestellte Versicherungspflicht sofort ein, eine Versicherungsfreiheit frühestens zum nächsten Jahreswechsel. Das gilt auch dann, wenn die Entgeltminderung nur vorübergehend oder befristet ist, aber nicht, wenn die Entgeltminderung nur von kurzer Dauer ist.
Entgeltänderungen sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie nur von kurzer Dauer sind. Als „kurze Dauer“ kann keine starre Zeitgrenze festgelegt werden, sie wird aber nun in der Regel bei einer vorübergehenden Entgeltminderung von nicht mehr als drei Monaten angenommen (für frühere Fälle genügte ein Monat, siehe vorherige Fassung der „Grundsätze“ vom 22.03.2017). Damit eine Teilzeit-Vereinbarung zur KV-Pflicht führt, muss diese für mehr als drei Monate oder unbefristet gelten. I. d. R. kann erst nach mehr als drei Monaten wieder Vollzeitbeschäftigung vereinbart werden. Eine sich daraus ergebende KV-Freiheit greift erst ab dem darauffolgenden Jahreswechsel.
Bei dem Wechsel KV-/PV- Pflicht/-Freiheit sollte der Arbeitnehmer entsprechend informiert werden. Nur wenn ein Arbeitnehmer im Jahr 2023 die Jahresarbeitsentgeltgrenzeüberschritten hat und im Jahr 2024 die Jahresarbeitsentgeltgrenzenicht überschreiten wird, kann er sich innerhalb von drei Monaten von der KV-Pflicht befreien lassen. Diese Befreiung gilt bis zur Beendigung des laufenden Beschäftigungsverhältnisses (siehe Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.05.2011 und Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 23./24.11.2011).
Die zum Prognosezeitpunkt (z. B. zum Jahreswechsel) feststehenden bzw. mit hinreichender Sicherheit absehbaren Entgeltveränderungen (Erhöhung bzw. Verminderung) sind zu berücksichtigen. D.h., auch die zu einzurechnenden Einmalzahlungen sind auf Basis des aktuellen (Prognose)Jahres zu berücksichtigen.
Siehe dazu Punkt 4.2 in den „Grundsätzlichen Hinweisen zur Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze“ des GKV-Spitzenverbandes vom 20.03.2019.
Bei einem bisher KV-pflichtigen Arbeitnehmer sind feststehende Entgeltänderungen, die zum Zeitpunkt der Prüfung der Jahresarbeitsentgeltgrenzebereits bekannt sind (z. B. Mutterschutzfrist, vereinbarte Arbeitszeitänderung, Lohnerhöhung), in der Prognose zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass der betroffene Arbeitnehmer zum 01.01.
- durch die Berücksichtigung zukünftiger Entgeltminderungen KV-pflichtig bleibt, statt ohne Berücksichtigung dieser Änderung KV-frei zu werden,
- durch die Berücksichtigung zukünftiger Entgelterhöhungen KV-frei wird, statt ohne Berücksichtigung dieser Änderung KV-pflichtig zu bleiben.
Um das berücksichtigen zu können, muss dafür gesorgt werden, dass die Informationen (z. B. Schwangerschafts-Bescheinigung, Vertrag über die Änderung der Arbeitszeit) an der richtigen Stelle vorhanden sind (z. B. bei Bearbeitung durch einen Dienstleister).
Bei einem bisher KV-freien Arbeitnehmer sind solche Änderungen nicht zu berücksichtigen. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer erst bei Eintritt der zukünftigen Entgeltänderung KV-pflichtig oder wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzebereits zum 01.01. KV-pflichtig. Hier ergeben sich gegenüber dem bisherigen Vorgehen keine Änderungen. Das führt dazu, dass der betroffene Arbeitnehmer zum 01.01.
- ohne die Berücksichtigung zukünftiger Entgeltminderungen KV-frei bleibt, statt mit Berücksichtigung dieser Änderung bereits KV-pflichtig zu werden,
- ohne die Berücksichtigung zukünftiger Entgelterhöhungen KV-pflichtig wird, statt mit Berücksichtigung dieser Änderung KV-frei zu bleiben.
Beispiele:
- ein in der Zukunft liegender Beginn der Mutterschutzfristen, ggf. eine sich anschließende Elternzeit
- ein in der Zukunft liegender, bereits vertraglich vereinbarter Beginn einer Arbeitszeitänderung (Verminderung oder Erhöhung)
- eine in der Zukunft liegende, bereits feststehende Entgelterhöhung, z. B. aufgrund einer Höhergruppierung oder durch eine Tariferhöhung
Autor: Frank Müller, Mitglied des alga-Competence-Centers