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Scheinselbstständigkeit: Abhängige Beschäftigung von Fitnesstrainern

Der Dauerbrenner „Scheinselbstständigkeit“ geht in die nächste Runde. Das bayerische LSG führt die bisherige strenge Rechtsprechung fort und stellt (einmal mehr) klar, dass oftmals vermeintlich freie Mitarbeiter bei näherer Betrachtung abhängig Beschäftigte sind. Erneut werden die diesbezüglich maßgeblichen Kriterien von dem LSG dargestellt und Unternehmen verdeutlicht, dass mit diesem Thema nicht fahrlässig umgegangen werden sollte.

Arbeitsrecht
Lesezeit 3 Min.
Eine Person liegt beim Bankdrücken, während sie von einem Trainingspartner einen Platz erhält, wobei der Schwerpunkt auf Sicherheit und Teamwork beim Krafttraining liegt.
Foto: © stock.adobe.com/kapinon

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23

Worum geht es?

In vielen Branchen ist es üblich, dass Personen mit den Auftraggebern Verträge über zu erbringende Leistungen schließen, die sie als selbständig tätige Personen ausweisen, mit der Folge, dass keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.

So auch in Fitnessstudios. Die Fitnesstrainer betreuen Kunden oder halten Kurse ohne im Fitnessstudio angestellt zu sein, sondern auf Basis einer freien Tätigkeit und damit als Selbständige auf Rechnung. Werden im Rahmen von Betriebsprüfungen diese Sachverhalte näher betrachtet, kann dies massive Folgen (hier für das Fitnessstudio) haben. Unter anderem sind die Sozialversicherungsbeiträge samt Zinsen nachzuzahlen.

Der Sachverhalt

Das Fitnessstudio bietet seinen Kunden Einzel- und Gruppentraining sowie Fitnesskurse an. Diverse Trainer werden dabei als sog. freie Mitarbeiter eingesetzt, die Kurse in den Räumlichkeiten des Studios anbieten. Die so eingesetzten Trainer stellten dem Fitnessstudio Rechnungen nach vereinbarten Stunden- bzw. Minutensätzen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung beanstandete die für die Prüfung zuständige Rentenversicherung die Vereinbarung von freier Mitarbeit. Die Rentenversicherung stufte die Vertragsverhältnisse als abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ein und forderte vom Fitnessstudio als Arbeitgeber entsprechend Sozialversicherungsbeiträge nach.

Hiergegen wendete sich das Fitnessstudio mittels eines Eilverfahrens beim Sozialgericht München. Das Sozialgericht lehnte den Eilantrag des Fitnessstudios ab; zu Recht sei die Prüfbehörde von einer abhängigen Beschäftigung der Fitnesstrainer ausgegangen.

Die Entscheidung

Auch das Bayerische Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts:

Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist im Einzelfall anhand der wesentlichen Umstände zu beurteilen, wobei es insbesondere auf die Eingliederung des Betreffenden in den Betrieb des Auftraggebers ankommt und das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit beim Auftragnehmer mit entsprechendem unternehmerischem Risiko einerseits und unternehmerischer Gewinnchancen andererseits.

Die Fitnesstrainer sind auch als Kursleiter allesamt nach Annahme des Kursleitungsauftrages in die betriebliche Organisation des Fitnessstudios eingebunden gewesen. Das Studio hat das Angebot an Trainingsmöglichkeiten und Kursen bestimmt, ebenso, ob Kurse bei fehlender Auslastung nicht stattfanden, und hat die Kunden akquiriert. Die Kursleiter haben lediglich die Aufgabe gehabt, das vorgegebene Programm auszufüllen.

Außerdem hatten die Kursleiter nicht die Möglichkeit, das Kursangebot zu verändern oder durch andere Kurse zu ersetzen. Die Kurse wurden in den Räumlichkeiten des Studios durchgeführt und die Kursleiter hatten damit faktisch keinerlei unternehmerische Gestaltungsfreiheiten. Hinzu kam, dass die Kursleiter nach Stunden bzw. geleisteten Minuten bezahlt wurden. Hieraus ergibt sich kein Unternehmerrisiko, da geleistete Arbeit stets vergütet worden ist.

Was heißt das?

  • Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist im Einzelfall anhand der wesentlichen Umstände zu beurteilen, wobei es insbesondere auf die Eingliederung des Betreffenden in den Betrieb des Auftraggebers ankommt und das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit beim Auftragnehmer mit entsprechendem unternehmerischen Risiko einerseits und unternehmerischen Gewinnchancen andererseits.
  • Die von der Rechtsprechung angenommene strenge Sichtweise wird auch durch dieses Urteil bestätigt.

Handlungsempfehlung

Das Thema „Scheinselbständigkeit“ sollte von den auftraggebenden Unternehmen nicht unterschätzt werden. Trotzdem scheinen immer noch viele mit diesem Thema fahrlässig umzugehen. Betroffen sind vielfältige Branchen: neben Sporteinrichtungen z.B. Gastronomie, IT-Berater, Kraftfahrer, Reinigungskräfte, Lehrkräfte, aber auch freie Berufe wie Anwälte oder Journalisten.

Vorsicht ist vor allem geboten, wenn ein zuvor bestehendes abhängiges Beschäftigungsverhältnis aufgelöst und ein selbständiges Auftragsverhältnis zwischen den bisherigen Arbeitsvertragsparteien vereinbart wird, aber die Tätigkeiten und die Einbindung in die Organisation des Auftraggebers unverändert bleiben. Auch der umgekehrte Fall, in dem auf ein selbständiges Auftragsverhältnis eine abhängige Beschäftigung folgt, birgt ein erhebliches Risiko im Rahmen einer Betriebsprüfung als unrichtig aufzufallen. Ein prüfender Blick lohnt sich bei diesem Thema immer!

Von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte.

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