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Sonderkündigungsschutz von Datenschutzbeauftragter europarechtskonform

In Deutschland genießt der interne Datenschutzbeauftragte eine Reihe von arbeitsrechtlichen Privilegien und ist in besonderer Weise gegen arbeitgeberseitige Kündigungen geschützt. Der Schutz der deutschen Regelungen geht über die europäischen Regelungen hinaus. Dies ist zulässig, wie der EuGH nun entschied.

Arbeitsrecht
Lesezeit 3 Min.
DSGVO verstehen: Bausteine der Datenschutz-Compliance.
Foto: © stock.adobe.com/DatenschutzStockfoto

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 22.06.2022 – C 534/20

Worum geht es?

Der Sonderkündigungsschutz des internen Datenschutzbeauftragten ist im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt. Danach ist die Kündigung während der Amtszeit des Datenschutzbeauftragten sowie innerhalb eines Jahres nach deren Ende grundsätzlich unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob diese im Zusammenhang mit der Funktion des Datenschutzbeauftragten steht. In dieser Zeit ist nur eine außerordentliche Kündigung möglich.

Die betreffende Regelung in § 6 Abs. 4 BDSG lautet wie folgt: 

„Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. […]“ 

In der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist der Sonderkündigungsschutz hingegen auf Sachverhalte beschränkt, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes als Datenschutzbeauftragter stehen.

Die betreffende Regelung in Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO lautet wie folgt: 

„Der Datenschutzbeauftragte darf von dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden.“

Der Entscheidung des EuGHs liegt ein Vorlagebeschluss des BAG zugrunde. Das BAG musste in einem Kündigungsschutzprozess über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung einer Datenschutzbeauftragten durch ihren Arbeitgeber entscheiden.

Der Sachverhalt

Der Beklagte ist eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft, die nach deutschem Recht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist. Die Klägerin arbeitete dort ab dem 15.01.2018 als „Teamleiterin Recht“ und ab dem 01.02.2018 als Datenschutzbeauftragte.

Mit Schreiben vom 13.07.2018 wurde der Klägerin ordentlich zum 15.08.2018 gekündigt. Die Beklagte berief sich dabei auf eine Umstrukturierungsmaßnahme, die zur Auslagerung der internen Rechtsberatungstätigkeit und der Datenschutzabteilung geführt habe.

Die Instanzgerichte hielten diese Kündigung für unwirksam, weil der Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG anwendbar sei und das Arbeitsverhältnis somit nur aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden dürfen. Das BAG hegte jedoch Zweifel, weil die deutsche Regelung strengere Voraussetzungen an die Kündigung eines Datenschutzbeauftragten anlegt als die europäische Vorschrift.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied, dass der deutsche Sonderkündigungsschutz mit dem Europarecht vereinbar ist. Durch Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO seien die Mitgliedsstaaten nicht gehindert, strengere Schutzmaßnahmen für Datenschutzbeauftragte beizubehalten oder zu treffen. Es bestehe kein Widerspruch zwischen der europäischen und der nationalen Regelung.

Die europäische Regelung verfolge ausschließlich den Zweck, die Unabhängigkeit von Datenschutzbeauftragten zu sichern, damit diese ihre Aufgaben weisungsfrei erledigen können. Dafür müsse verhindert werden, dass Datenschutzbeauftragte wegen ihrer Tätigkeit Benachteiligungen zu befürchten haben. In Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO gehe es – im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 38 Abs. 2 BDSG – nicht um den Bestand von Arbeitsverhältnissen oder den Kündigungsschutz. Die EU habe auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes nur die Möglichkeit, Minimalstandards festzulegen. Einen Einfluss darauf, ob die einzelnen Mitgliedsstaaten strengere Schutzmaßnahmen treffen, habe die EU nicht. Der EuGH hat die Vorlagefrage des BAG damit verneint.

Was heißt das?

Nach dieser Grundsatzentscheidung des EuGH müssen die deutschen Arbeitsgerichte und damit auch die Arbeitgeber den umfangreichen Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten weiterhin beachten. Fällt der Beschäftigungsbedarf für den internen Datenschutzbeauftragten dauerhaft weg, weil der Arbeitgeber Aufgaben auf einen externen Dienstleister überträgt, kommt es für die Wirksamkeit einer deshalb ausgesprochenen (betriebsbedingten) Kündigung entscheidend darauf an, ob eine Umstrukturierung einen „wichtigen Grund“ i.S.v. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG darstellt. Dies ist immer eine Einzelfallentscheidung. Die diesbezüglichen Hürden sind jedoch sehr hoch.

Handlungsempfehlung

Arbeitgeber müssen sich bewusst sein, dass das Arbeitsverhältnis des internen Datenschutzbeauftragten nur dann gekündigt werden kann, wenn ein Grund vorliegt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Die Bestellung zum internen Datenschutzbeauftragten führt damit quasi zur Unkündbarkeit des Arbeitnehmers. Eine Alternative wäre die Einsetzung eines externen Datenschutzbeauftragten, für den der umfangreiche Sonderkündigungsschutz nicht gilt. Arbeitgeber sollten daher genau prüfen, ob sie einen internen oder stattdessen einen externen Datenschutzbeauftragten einsetzen möchten. Im Falle eines internen Datenschutzbeauftragten kann zudem eine zeitliche Befristung sinnvoll sein.

 

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