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Stellenanzeigen: AGG gilt selbst bei Bewerbungen über Ebay Kleinanzeige

Der Evergreen - Stellenanzeigen. Unternehmen greifen vermehrt auf online Bewerbungsplattformen zurück. Kleinere Unternehmen setzen dabei oft auf das Internetportal „Ebay-Kleinanzeigen“. Dass selbst bei Bewerbungen über eine Chat-Funktion auch das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt, entschied das LAG Schleswig-Holstein kürzlich. Unter anderem stellte das Gericht klar, dass ein Interessent, der sich via Chat-Funktion auf eine veröffentlichte Stellenausschreibung bewirbt, den Bewerberbegriff des § 6 Abs. 2 des AGG erfüllt.

Arbeitsrecht
Lesezeit 4 Min.
Dreidimensionale Buchstaben, die „Sagg“ buchstabieren, lehnen an einer schlichten Wand auf einem Holzboden.
Foto: © adobe.stock.com/artefacti

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.06.2022 – Az. 2 Sa 21/22

Worum geht es?

Die richtige Formulierung von Stellenanzeigen gehört zu den Kernaufgaben der Personaler. Dass es hierbei zahlreiche Fettnäpfchen gibt, hat sich mittlerweile herumgesprochen.

Oftmals stellen sich grundlegende Fragen, wie z.B. ob das Gehalt in eine Stellenanzeige gehört. (Anders als in anderen Ländern, ist dies in Deutschland – bislang – nicht gesetzlich vorgeschrieben.) Aber nicht nur Inhalt und Gestaltung einer Stellenausschreibung sollten wohl überlegt sein, auch auf die genaue Formulierung kommt es an.

Nach dem AGG dürfen Eigenschaften wie z.B. das Alter und das Geschlecht bei der Auswahl der Mitarbeiter keine Rolle spielen und in der Stellenausschreibung nicht eingegrenzt werden. Daher gilt grundsätzlich: Stellenanzeigen müssen so neutral wie möglich formuliert werden. Dies gilt selbst bei online Plattformen.

Der Sachverhalt

Ein Kleinbetrieb mit einer Kfz-Werkstatt hatte auf Ebay-Kleinanzeigen eine Stellenanzeige veröffentlicht. Ein Mann hatte sich daraufhin beworben. In der Anzeige hieß es: 

„Sekretärin gesucht! 

Beschreibung:
Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.

Vollzeit/Teilzeit

Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen. …“

Der Mann hatte sich über die Ebay Chat-Funktion auf die Stelle beworben, auf seine Berufserfahrung im Büro hingewiesen und explizit danach gefragt, ob ausschließlich eine Frau für die Stelle gesucht werde.

Ebenfalls via Chat-Funktion lehnte das Unternehmen die Bewerbung mit der Begründung ab, dass man eine „Dame für die Stelle als Sekretärin“ suche. Da sich der männliche Kläger durch die Ablehnung in seinem Geschlecht diskriminiert sah, nahm er das Unternehmen auf Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern in Anspruch. Das Unternehmen wies die Ansprüche zurück und vertrat die Ansicht, dass die Bewerbung nur auf eine Entschädigung abzielte und deshalb als rechtsmissbräuchlich einzuordnen sei.

Die Entscheidung

Das LAG gab dem Kläger recht und sprach ihm eine Entschädigung von EUR 7.800,00 (drei Bruttomonatsgehälter) zu. Das LAG argumentierte, dass derjenige der eine Stellenanzeige in Ebay-Kleinanzeigen veröffentlichte, damit rechnen muss, dass sich die Bewerber über die Ebay Chat-Funktion bewerben und nicht auf klassische Weise schriftlich unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers werde gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers müsse lediglich identifizierbar sein, so das LAG.

Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs zog in diesem Fall nicht. Weder das mehrfache Nachfragen, ob das ausschreibende Unternehmen wirklich nur eine Frau suche, als auch der Umstand, dass für die vorgerichtliche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ein „Formularschreiben“ genutzt wurde, begründen den arbeitgeberseitigen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht. Denn beides sind keine hinreichenden Indizien dafür, dass eine Scheinbewerbung vorliegt, die ausschließlich darauf abzielt, nachträglich Entschädigungsansprüche zu fordern. Vielmehr sei angesichts des Anzeigentextes und der Antwort der Arbeitgeberin im Chat klar, dass der Bewerber aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden sei. Deshalb stehe ihm eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu.

Was heißt das?

Eine Stellenanzeige darf sich nicht nur auf bestimmte Personengruppen – wie z.B. Frauen – beziehen, da dies andere (Männer und Diverse) ausgrenzt und diskriminiert. Fühlen sich Bewerber deswegen benachteiligt und führen eine Absage darauf zurück, können sie dies vor Gericht geltend machen.

Zudem schafft das Urteil Rechtsklarheit zu der Frage des Bewerberstatus im Bereich des Online-Recruitings und zeigt dabei, dass auch Kleinbetriebe für das Thema AGG sensibilisiert sein sollten. Das LAG Schleswig-Holstein stellt dabei unmissverständlich klar, dass bereits mit einer kurzen Online-Chatantwort zu einer Stellenanzeige das Einstellungsverfahren beginnen kann. Bewerber im Sinne des AGG ist folglich auch schon derjenige, der sich formlos über die Chat-Funktion in wenigen Sätzen auf eine online ausgeschriebene Stelle bewirbt.

Zudem bestätigt diese Entscheidung, welch hohen Hürden die Rechtsprechung an den Einwand des Rechtsmissbrauchs stellt. So müssen Umstände in der Regel konkret darauf hindeuten, dass die Klage des Bewerbers Teil eines systematischen „Geschäftsmodells“ ist. Soweit jedoch eine Möglichkeit besteht, dass der Bewerber tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hat, liegen derartige Umstände nicht vor.

Handlungsempfehlung

Da immer mehr Unternehmen Online-Kanäle zum Zwecke des Recruitings nutzen (z.B. LinkedIn, Xing, WhatsApp), sollte bei Online-Stellenanzeigen beachtet werden, dass das Bewerbungsverfahren schon mit Eingang einer Chatnachricht beginnen kann. Dementsprechend sollten Personaler bei einer arbeitgeberseitigen Chatantwort – genau wie bei der Online-Stellenanzeige selbst – stets darauf achten, den Bewerber nicht zu diskriminieren. Denn eine vorschnelle Chatantwort kann u.U. Entschädigungsansprüche nach dem AGG auslösen.

Damit eine Stellenausschreibung AGG-konform ist, haben folgende Angaben oder gar Forderungen in Bezug auf Bewerber nichts in dem Text verloren – weder direkt noch indirekt:

  • Geschlecht
  • Alter
  • ethnische Herkunft
  • Religion/Weltanschauung
  • körperliche/geistige Behinderung
  • sexuelle Identität

Kurz zur Erinnerung: Wie immer gibt es aber auch beim AGG bei Stellenausschreibungen Ausnahmen. § 8 des AGG regelt, dass eine ungleiche Behandlung zulässig ist, wenn es sich um eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung” handelt.

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