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Weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist keine erste Tätigkeitsstätte

Liegt bei einem Tätigwerden im Hafengebiet eine erste Tätigkeitsstätte vor oder kann der Arbeitgeber hier steuerlich eine Auswärtstätigkeit annehmen? Die Richter des Bundesfinanzhofs (BFH) haben mit Urteil vom 15.02.2023 zum Aktenzeichen VI R 4/21 diese Frage beurteilt.

Lohnsteuerrecht
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Ein Arbeiter mit Schutzhelm und Warnweste hält ein Tablet in der Hand und schaut nach oben, um im Rahmen der Personalverwaltung möglicherweise den Lagerbestand zu überprüfen oder die Abläufe in einer Schifffahrtswerft oder einem Industriestandort zu überwachen.
Foto: © stock.adobe.com/kanpisut

Der Arbeitnehmer ist Hafenarbeiter. Er war ausschließlich bei einem Unternehmen angestellt, das u. a. auch die Arbeitnehmerüberlassung auf dem Gebiet des Hamburger Hafens betrieb. Im Rahmen dieser Arbeitnehmerüberlassung wurde der Arbeitnehmer bei verschiedenen Hafeneinzelbetrieben tätig. Gemäß seinem Arbeitsvertrag war er verpflichtet, sich „nach Bedarf gegebenenfalls zu entsprechenden Arbeiten in einer anderen Abteilung, Betriebsstätte oder in einem Beteiligungsunternehmen des Arbeitgebers einsetzen zu lassen“. Außer- dem gab der Arbeitnehmer „sein unwiderrufliches Einverständnis gem. Absatz 4 Ziff. 2 der Richtlinien zu § 7 der Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg, sich auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Hafeneinzelbetrieben einsetzen zu lassen“. Im Streitjahr 2015 wurde der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber an 164 Arbeitstagen an vier verschiedenen Orten innerhalb des Gebiets des Hamburger Hafens eingesetzt (63 Tage am Ort Z, 30 Tage am Ort Y, 51 Tage am Ort X und 20 Tage bei der BKG (Ort W)).

Für die Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt machte der Arbeitnehmer anstatt der Entfernungspauschale den Ansatz der tatsächlichen Kosten geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab und entschied, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorlag. Es wurde nur die Entfernungspauschale berücksichtigt.

In der ersten Instanz wies das Finanzgericht Niedersachsen mit Urteil vom 03.02.2021 mit Aktenzeichen 4 K 11006/17 die Klage ab. Der Arbeitnehmer habe „typischerweise arbeitstäglich“ das Gebiet des Hamburger Hafens und damit „dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet“ aufsuchen müssen, sodass die Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG – trotz Fehlens einer ersten Tätigkeitsstätte – nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden könnten.

Die Richter des BFH dagegen gaben dem Arbeitnehmer recht.

Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, gilt die vorgenannte Regelung über die Entfernungspauschale für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG). Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets gelten § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG entsprechend, nach denen die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten oder die pauschalen Kilometersätze angesetzt werden können, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG).

Ein Tätigwerden in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet liegt nach Ansicht der Richter nur vor, wenn der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten auszuüben hat.

Nach Auffassung der Richter hat das Finanzgericht die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten von seiner Wohnung bis zu dem von ihm angefahrenen Hafenzugang zu Unrecht nur nach Maßgabe der Entfernungspauschale und nicht in tatsächlicher Höhe zum Werbungskostenabzug bei dessen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit zugelassen.

Arbeitnehmer, die ihrer eigentlichen Tätigkeit in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung nachgehen, arbeiten nicht in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet, auch wenn ihnen ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet zugewiesen ist und sie dort in verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen tätig werden, so die Richter.

Nach diesen Maßgaben hat die Vorentscheidung des Finanzgerichts keinen Bestand. Nach Auffassung und Feststellung der Richter ist der Arbeitnehmer nicht auf einer festgelegten Fläche, sondern aufgrund tagesaktueller Weisungen in ortsfesten betrieblichen Einrichtungen von (vier) Kunden seines Arbeitgebers tätig geworden.

Nach Ansicht der Richter kommt es nicht darauf an, dass sich alle Einsatzorte des Arbeitnehmers auf dem Gebiet des Hamburger Hafens befinden.

Übt ein Arbeitnehmer aufgrund der Weisungen des Arbeitgebers seine berufliche Tätigkeit, anders als im Streitfall, typischerweise arbeitstäglich in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet aus, findet für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet die Entfernungspauschale Anwendung.

Wird das weiträumige Tätigkeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist die Entfernungspauschale aus Vereinfachungsgründen bei diesen Fahrten nur für die kürzeste Entfernung von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang anzuwenden, so das BMF- Schreiben vom 25.11.2020, Rz 43.

Für alle Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets sowie für die zusätzlichen Kilometer bei den Fahrten von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang können weiterhin die tatsächlichen Aufwendungen oder der sich am Bundesreisekostengesetz orientierende maßgebliche pauschale Kilometersatz angesetzt werden. Dies regelt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 3und 4 EStG.

Auf die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten als Werbungskosten sowie den steuerfreien Arbeitgeberersatz hat diese Festlegung „tätig werden in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet“ keinen Einfluss. Der Arbeitnehmer ist weiterhin außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig. Es liegt somit eine Auswärtstätigkeit vor. Es wird nur die Anwendung der Entfernungspauschale für die Fahrtkosten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang zu dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet sowie die Besteuerung eines geldwerten Vorteils bei Dienstwagengestellung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen.

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