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Zurück ins Büro nur mit Zustimmung des Betriebsrats

Erlaubt eine Betriebsvereinbarung, ortsunabhängig zu arbeiten, dürfen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zurück ins Büro holen, so das LAG München in einem Fall des Allianz-Konzerns.

ArbeitsrechtHomeoffice
Lesezeit 2 Min.
Eine Nahaufnahme eines Holzstempels mit dem deutschen Wort „Betriebsrat“ im Fokus, mit einem unscharfen Computerbildschirm im Hintergrund.
Foto: © stock.adobe.com/Gina Sanders

Landesarbeitsgericht (LAG) München, Beschluss vom 10.08.2023 – 8 TaBVGa 6/23

Worum geht es?

Es geht um die Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von betrieblichen Regelungen zur mobilen Arbeit.

Der Sachverhalt

Im Streitfall hatte eine Versicherungsgesellschaft der Allianz-Gruppe mit 300 Arbeitnehmern mit dem Betriebsrat im Juli 2016 eine Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten abgeschlossen, die auf freiwilliger Basis und in Absprache mit dem Vorgesetzten auch das Arbeiten von zu Hause vorsah. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeit sollte dabei aber in Präsenz am eigenen Arbeitsplatz in den Betriebsräumen erfolgen.

Im Zuge der Coronapandemie änderte die Arbeitgeberin die Regeln zum Homeoffice und dem mobilen Arbeiten und empfahl den Beschäftigten, zu Hause zu arbeiten. Zum 31. März 2023 teilte sie dann das Auslaufen der während der Corona-Pandemie geltenden Regelungen mit.

Nachdem die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über ein „Ende der Freiwilligkeit“ und der Umsetzung des „Return to Office“ ohne Ergebnis verlaufen war, hatte die Arbeitgeberin einseitig die Betriebsvereinbarung „konkretisiert“ und vier Präsenztage pro Monat auf Basis eines Präsenzkatalogs angeordnet, sowie Präsenz bei Vorliegen bestimmter betrieblicher Gründe.

Der Betriebsrat war mit dem Vorgehen nicht einverstanden und machte gerichtlich geltend, dass bei der Änderung der während der Corona-Pandemie geschaffenen Regeln, die aus seiner Sicht einen Anspruch auf mobiles Arbeiten eingeschlossen habe, ein Mitbestimmungsrecht bestehe. Selbst wenn die Betriebsvereinbarung von 2016 noch gelten sollte, seien die getroffenen neuen Regelungen jedenfalls nicht von dieser gedeckt.

Die erste Instanz sah dies anders und lehnte den geltend gemachten Anspruch des Betriebsrats ab.

Die Entscheidung

Das LAG München stimmte dem Betriebsrat hingegen zu und argumentierte, der Betriebsrat habe einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Anordnung der Präsenzpflichten.

Das Gericht stellte fest, dass dem Betriebsrat nach § 87 I BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der Anordnung zu Präsenzpflichten zusteht, die ohne seine Mitbestimmung getroffen wurde und die von der bestehenden Betriebsvereinbarung nicht gedeckt war. Bei der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte könne aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG) als Nebenpflicht das Gebot abgeleitet werden, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung der erzwingbaren Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG entgegensteht. Maßnahmen in diesem Bereich solle der Arbeitgeber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen können, so das LAG. Verstoße der Arbeitgeber hiergegen, entstehe eine betriebsverfassungswidrige Lage. Der Betriebsrat könne deshalb auch die Beseitigung der betriebsverfassungswidrigen Anweisung verlangen.

Was heißt das?

  • Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.14 BetrVG betrifft nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern das „Wie“.
  • Das Bestehen eines Individualrechts auf mobile Arbeit spielt grundsätzlich keine Rolle für die Eröffnung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs.1 Nr.14 BetrVG.
  • Wenn in einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten steht, dass Arbeitnehmer individuelle Absprachen mit ihren Vorgesetzten treffen können, aber keine Regelungen zum „Wie“ der mobilen Arbeit existieren, dann stellt eine allgemeine Anweisung des Arbeitgebers, die eine Anwesenheit an vier Tagen pro Monat vorschreibt, eine konkrete Regelung dar, die über die Betriebsvereinbarung hinausgeht. Eine solche Vorgabe zum „Wie“ des mobilen Arbeitens fällt unter die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.

Handlungsempfehlung

Wenn es um die Mitbestimmung geht, müssen Arbeitgeber immer genau hinschauen. Bei Änderungen, die von bestehenden Betriebsvereinbarungen abweichen, gilt dies um so mehr! Grundsätzlich ist es in solchen Konstellationen empfehlenswert, eine einvernehmliche Lösung mit dem Betriebsrat zu erzielen.

Von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte.

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