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EuGH soll Nachgewährung von Urlaub bei einer Quarantäne klären

Er­gibt sich aus dem europäischen Recht die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, einem Ar­beit­neh­mer be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub nach­zu­ge­wäh­ren, wenn die­ser zwar wäh­rend des Ur­laubs selbst nicht er­krankt ist, in die­ser Zeit aber eine be­hörd­lich an­ge­ord­ne­te häus­li­che Qua­ran­tä­ne ein­zu­hal­ten hatte? Diese Frage hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in einem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen an den Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof (EuGH) ge­rich­tet, nachdem das Landesarbeitsgericht (LAGH) in Hamm am 27.01.2022 die Nachgewährung des Urlaubs entschieden hat. Die Berufung vor dem BAG führt nun zur Anfrage beim EuGH.

Arbeitsrecht
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Der Klä­ger, seit 1993 bei der Be­klag­ten als Schlos­ser be­schäf­tigt, nahm für die Zeit vom 12. bis 21.10.2020 Er­ho­lungs­ur­laub. Mit Be­scheid vom 14.10.2020 ord­ne­te die Stadt Hagen die Ab­son­de­rung des Klä­gers in häus­li­che Qua­ran­tä­ne für die Zeit vom 09. bis 21.10.2020 an, weil er zu einer mit dem Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 in­fi­zier­ten Per­son Kon­takt hatte. Für die Zeit der Qua­ran­tä­ne war es dem Klä­ger un­ter­sagt, seine Woh­nung ohne aus­drück­li­che Zu­stim­mung des Ge­sund­heits­amts zu ver­las­sen und Be­such von haus­halts­frem­den Per­so­nen zu emp­fan­gen.

Die Be­klag­te be­las­te­te das Ur­laubs­kon­to des Klä­gers mit acht Tagen und zahl­te ihm das Ur­laubs­ent­gelt. Der Klä­ger hat die auf Wie­der­gut­schrift der Ur­laubs­ta­ge auf sei­nem Ur­laubs­kon­to ge­rich­te­te Klage dar­auf ge­stützt, es sei ihm nicht mög­lich ge­we­sen, sei­nen Ur­laub selbst­be­stimmt zu ge­stal­ten. Die Si­tua­ti­on bei einer Qua­ran­tä­ne­an­ord­nung sei der in­fol­ge einer krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­un­fä­hig­keit ver­gleich­bar. Der Ar­beit­ge­ber müsse ihm des­halb ent­spre­chend § 9 BUrlG, dem zu­fol­ge ärzt­lich at­tes­tier­te Krank­heits­zei­ten wäh­rend des Ur­laubs nicht auf den Jah­res­ur­laub an­ge­rech­net wer­den dür­fen, nach­ge­wäh­ren.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist die­ser Auf­fas­sung ge­folgt und hat der Klage statt­ge­ge­ben (BB 2022, 953). Für den Neun­ten Senat des BAG ist es hin­ge­gen ent­schei­dungs­er­heb­lich, ob es mit Art. 7 der Ar­beits­zeitricht­li­nie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Union im Ein­klang steht, wenn vom Ar­beit­neh­mer be­an­trag­ter und vom Ar­beit­ge­ber be­wil­lig­ter Jah­res­ur­laub, der sich mit einer nach Ur­laubs­be­wil­li­gung durch die zu­stän­di­ge Be­hör­de an­ge­ord­ne­ten häus­li­chen Qua­ran­tä­ne zeit­lich über­schnei­det, nach na­tio­na­lem Recht nicht nach­zu­ge­wäh­ren ist, weil der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer selbst nicht krank war.

 BAG, Beschluss vom 16.08.2022 – 9 AZR 76/22 (A)

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