Abrechnungspraxis : Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst
In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.
Rückwirkende Feststellung eines Arbeitsverhältnisses;
Rückzahlung überzahlter Honorare
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18 -:
- Der Arbeitgeber kann die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird und die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar (Rn. 15).
- Eine für freie Mitarbeit individuell getroffene Vergütungsvereinbarung kann in der Regel nicht zugleich für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Für eine solche Annahme bedarf es vielmehr – vom Arbeitnehmer darzulegender – besonderer Anhaltspunkte. Fehlt es daran, ist nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung geschuldet (Rn. 23 ff.).
- Bei der Rückzahlung überzahlter Honorare muss sich der Arbeitgeber im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht nur die im Arbeitsverhältnis geschuldete Bruttovergütung, sondern auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen (Rn. 39).
Arbeitnehmerstatus; Übersetzer
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 -:
- Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG hat das Gericht inzidenter zu überprüfen, ob das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Fehlt es an einem Arbeitsverhältnis, kann ein der Klage stattgebendes Urteil schon aus diesem Grunde nicht ergehen (Rn. 10).
- In Abgrenzung zu dem Rechtsverhältnis eines selbständig Tätigen ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (Rn. 13).
- Regeln die Vertragspartner grundlegende Fragen ihrer Vertragsbeziehung in einem Rahmenvertrag, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrags maßgeblich, ob der Rahmenvertrag der einen Partei das Recht zubilligt, frei über die Annahme der künftigen Einzelverträge zu entscheiden, oder ob einer Partei ein Weisungsrecht zustehen soll, infolge dessen sie die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere Partei verbindlich festzulegen berechtigt ist (Rn. 26).
Verminderter Anspruch auf Urlaub infolge Sonderurlaubs
Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 21.05.2019 – 9 AZR 259/18 -:
- Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers setzt gemäß § 1 BUrlG – dem Grunde nach – allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Er steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat (Rn. 12).
- Um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu sichern, ist die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung der für den Bezugszeitraum maßgeblichen Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage zu ermitteln. Bei einem unterjährigen Wechsel der Anzahl der Arbeitstage ist der Gesamtjahresurlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung umzurechnen (Rn. 13).
- Die Tarifbestimmung des § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-L, der zufolge sich die Dauer des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis ruht, vermindert, bildet den §§ 1, 3 BUrlG zugrunde liegende Proportionalitätsgedanken nach. Indem sie eine Verminderung der Urlaubsdauer an volle Kalendermonate bindet, weicht die Regelung nicht zulasten, sondern zugunsten des Arbeitnehmers von der ansonsten taggenau vorzunehmenden Berechnung der Urlaubsdauer ab (Rn. 15).
- Der Urlaub eines Arbeitnehmers kann gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG in der Regel nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Kalenderjahres erlischt (Rn. 21).
- Die Tarifvertragsparteien des TV-L haben die Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitsvertragsparteien nicht von den gesetzlichen Vorgaben abweichend geregelt (Rn. 21).
Claudia Czingon