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Betrieb & Familie : Das Kind ist krank

Berufstätige Eltern kennen das Problem: Alles ist wunderbar organisiert, Plätze in der Kita, Ganztagsschule, bei der Tagesmutter oder andere Unterbringungsmöglichkeiten sind sichergestellt. Bis – ja, bis das Kind plötzlich krank wird.

Lesezeit 5 Min.
Ein kleines Kind im gemütlichen Pyjama genießt ein warmes Getränk aus einer rot gepunkteten Tasse, mit einer unscharfen Atmosphäre und einem Blumenstrauß im Hintergrund.

Dann brechen fast alle Unterbringungsmöglichkeiten weg und die Eltern stehen in der Pflicht, sich selbst um das Kind zu kümmern. Wohl dem, der vielleicht noch die Großeltern in der Nähe hat, die einspringen können – wenn sie denn können und wollen. Und wenn diese Regelung vom kranken Kind akzeptiert wird, was auch nicht immer der Fall ist.

Was dann? Anruf beim Arbeitgeber, dass man nicht zur Arbeit kommen kann. Mitunter besteht die Möglichkeit, für einige Tage im Homeoffice zu arbeiten, aber das ist natürlich abhängig von den Rahmenbedingungen und vor allem von der Art des Jobs.

Muss der Arbeitgeber Vater oder Mutter für die Betreuung des erkrankten Kindes freistellen? Klar, die Betreuung des erkrankten Kindes ist vorrangig und stellt einen wichtigen Grund dar, der den Beschäftigten an der Erfüllung seiner Pflicht hindert. Wenn die Verhinderung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ aus Gründen besteht, die nicht in ihrer Person liegen, haben die Arbeitnehmer sogar Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts – theoretisch.

Mittels Tarifverträgen kann der Entgeltanspruch des Beschäftigten ausgeschlossen werden – nicht jedoch das Recht auf Freistellung. Dieser Ausschluss ist recht häufig, weil dann an die Stelle der Entgeltfortzahlung seitens des Arbeitgebers das sogenannte Kinderkrankengeld (offiziell Kinderpflegekrankengeld) durch die gesetzliche Krankenkasse tritt.

Der Anspruch gegen die Krankenkasse beträgt im Regelfall 10 bzw. bei Alleinerziehenden 20 Arbeitstage je Krankheitsfall. Dabei gilt eine jährliche Obergrenze von 25 bzw. 50 Arbeitstagen. Das Kinderkrankengeld von der Kasse ist nachrangig gegenüber einem Anspruch gegen den Arbeitgeber. Ist dieser aber durch eine tarifvertragliche Regelung von der Leistung frei, kommt die Krankenkasse zum Zuge. Das Kinderkrankengeld der Krankenkasse setzt voraus, dass das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Außerdem muss das Kind gesetzlich krankenversichert sein. Die Art der Versicherung, also ob als Familienangehöriger, Waisenrentner oder als freiwilliges Mitglied, spielt keine Rolle. Der Anspruch auf das Kinderkrankengeld kann auf den anderen Ehegatten bzw. Lebenspartner übertragen werden. Weiterhin Voraussetzung ist der grundsätzliche Anspruch auf Krankengeld. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten besteht dieser grundsätzlich (außer bei Altersrentnern nach Erreichen der Regelaltersgrenze). Freiwillig Versicherte können sich wahlweise mit oder ohne Krankengeldanspruch versichern, etwa wenn sie für das Krankengeld eine private Absicherung gewählt haben.

Als Kinder in diesem Sinne gelten neben den leiblichen und adoptierten Kindern auch Stiefkinder, Enkel und Pflegekinder, soweit die Pflege dem Beschäftigten obliegt.

Bedingung für das Kinderkrankengeld, aber auch für die Freistellung durch den Arbeitgeber ist ein ärztliches Attest über die Erkrankung des Kindes.

So viel zur geldlichen Seite, die natürlich für die betroffenen Arbeitnehmer von erheblicher Bedeutung ist. Für die Unternehmen geht es jedoch um viel mehr. Die Führungskraft kann der Freistellung zähneknirschend zustimmen (es bleibt ihr ja auch gar nichts anderes übrig) oder Empathie und Anteilnahme zeigen. Ein erheblicher Unterschied für die künftige Zusammenarbeit. Im Übrigen spielen auch die Kollegen eine wichtige Rolle. Denn diese müssen naturgemäß die Arbeit für den ausfallenden Beschäftigten mit übernehmen. Da ist es gut, wenn auch diese selbst in die Verlegenheit kommen könnten, also selbst Kinder haben. Aber in einem guten, kollegialen Klima spielt das keine Rolle.

Manchmal gibt es ja auch Alternativen: So können die Betroffenen vielleicht für einige Tage im Homeoffice arbeiten. Sicher nicht ganz so effektiv wie im Büro, wenn zu Hause gleichzeitig ein krankes Kind betreut werden muss, aber immerhin besser als ein Totalausfall. Dann spielt auch die sehr begrenzte Zahl an Tagen für das Kinderkrankengeld keine Rolle. Motivierend für den Beschäftigten ist ein solches Angebot seitens des Arbeitgebers allemal.

Auch Gleitzeit oder flexible Arbeitszeiten können das Problem entschärfen. Vorausgesetzt, der betroffene Mitarbeiter bekommt kurzfristig die Möglichkeit, einen Gleittag zu nehmen oder Stunden abzubummeln. Vielleicht arbeitet der Betroffene ja auch Teilzeit und kann die ausgefallenen Stunden später problemlos nachholen. Es ist immer eine Frage des Umgangs und des gegenseitigen Verständnisses. Ein motivierter Mitarbeiter wird den Arbeitsausfall so weit wie irgend möglich begrenzen. Ein Unternehmen, das sich Familienfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat, wird nicht umhinkommen, praxisgerechte Lösungen anzubieten. Nur so lassen sich Arbeit und Familie gut miteinander vereinbaren. Zum Vorteil aller Beteiligten.

Wenn Oma ausfällt …

Das Problem kranker Kinder ist grundsätzlich nicht neu. Nur wurde es früher anders gelöst. Häufig war die Mutter ohnehin zu Hause, so dass ein krankes Kind für den beschäftigten (meistens) Vater keine Auswirkungen hatte. Oder die Großeltern sprangen ein und versorgten das kranke Kind. Das funktioniert heute nur noch in Ausnahmefällen. Zum einen sind die Großeltern häufig selbst noch im Job und stehen deshalb nicht zur Verfügung, oder sie leben in einer anderen Stadt oder sie genießen ihren Ruhestand und sind nicht bereit, für die kranken Enkel alles stehen und liegen zu lassen. Durchaus verständlich und nachvollziehbar.

Also müssen andere Lösungen her. Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit des Kinderkrankengeldes einiges getan. Die Beschränkung auf wenige Tage im Jahr wird in vielen Fällen kein Problem darstellen, mitunter reicht dieser Anspruch aber nicht aus. Dann ist wieder das Unternehmen gefragt.

Freistellung gibt es immer!

Der Anspruch auf eine Freistellung von der Arbeit besteht nach § 275 BGB und ist nicht abdingbar. Verweigert der Arbeitgeber die Freistellung, kann der Beschäftigte trotzdem der Arbeit fernbleiben. Sollte der Arbeitgeber deshalb arbeitsrechtliche Maßnahmen (Abmahnung, Kündigung) ergreifen, so sind diese unwirksam.

Aber mal im Ernst: Wer wird denn ernsthaft einem Elternteil die Betreuung und Pflege eines kranken Kindes verweigern wollen? Wenn das Unternehmenspolitik ist, darf man sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter in die innere oder tatsächliche Kündigung flüchten und es schwierig bis unmöglich wird, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren oder zu halten. Im Übrigen besteht statt der (ehrlichen) Freistellung wegen des kranken Kindes auch immer die Möglichkeit, sich selbst vom Hausarzt krankschreiben zu lassen. Und wenn es wegen der psychischen Belastung aufgrund des kranken Kindes oder der unmenschlichen Behandlung seitens des Arbeitgebers ist. Ob das auf Dauer vorteilhafter ist als eine familienfreundliche Regelung?

Jürgen Heidenreich

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