Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Abo

„Working apart together?“ : Wie man sich – trotz Arbeitsabstand – am besten nicht „zerreißt“!

Eine Frage, die uns im Grund alle, ob nun digitaler Nomade im Ausland, New-Work-Anhänger, Homeoffice-Angestellter oder Mitarbeiter vor Ort, beschäftigt, und das nicht erst seit der Pandemie: „Wie können wir unseren Joballtag und das Arbeitsumfeld optimal gestalten – für uns und am besten auch für andere? Organisationsexpertin Sandra Einhoff hat wertvolle Tipps für ein optimiertes Arbeitsmanagement und für eine gelungene Selbstfürsorge.

Lesezeit 4 Min.
Eine lächelnde Frau mit schulterlangen Haaren, die eine blaugrüne Bluse vor weißem Hintergrund trägt und sich auf Personalmanagement spezialisiert hat.

 

Sandra Einhoff: Expertin für ,,Work-Leicht-Balance“‚ + Mindset-Mentorin, Arbeitsmarktmanager in der Agentur für Arbeit – Schwerpunkt Beratung und Prozessoptimierung 

Welche drei Hauptkriterien verhindern aus Ihrer Sicht bei vielen ein effizientes Arbeiten und wo stehen sich arbeitende Menschen häufig am meisten im Weg?

Ablenkungen bzw. Reizüberflutungen, fehlende Prioritäten und der Drang, alles auf einmal erledigen zu wollen (Multitasking), sind die größten Effizienzkiller. Je mehr wir uns durch äußere Faktoren (unser Smartphone, neu eingetroffene E-Mails, Social Media …) ablenken lassen, desto unproduktiver werden wir. Jede Arbeitsunterbrechung kostet wertvolle Zeit und Energie. Mein Tipp an dieser Stelle: Aus den Augen, aus dem Sinn! Beugen Sie Ablenkungen vor. Lassen Sie Ihr Handy in der Schublade, deaktivieren Sie Push-Benachrichtigungen bei E-Mails.

Das Zweite sind die fehlenden klaren Prioritäten. Sonst tendieren wir dazu, in den sturen Bearbeiter-Modus zu gehen und Anliegen, so wie sie kommen, zu bearbeiten. Deshalb hilft es immens, jeden Tag klar vor Augen zu haben, welche Aufgaben Vorrang haben. Ich notiere mir jeden Morgen meine drei wichtigsten To-dos. Damit bekommt mein Tag einen roten Faden und mein Fokus ist klar ausgerichtet.

Der dritte Effizienzkiller ist das Multitasking. Wer glaubt, schneller mit der Arbeit fertig zu werden, weil während des Telefonierens schon E-Mails bearbeitet werden, der irrt! Die Wahrheit ist, dass unser Gehirn sich immer nur mit einer Sache beschäftigen kann. Das Stichwort an dieser Stelle ist Monofokus. Die Kunst besteht darin, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren und gedanklich nicht schon das nächste To-do durchzugehen. Das vermeidet Stress, fördert die Konzentration und führt zu qualitativ besseren Ergebnissen.

Wo verstärkt das Thema (verordnete) Distanz zu den anderen und damit das dezentrale Arbeiten diese Problematik am deutlichsten und mit welchen Mitteln kann es gerade hier gelingen, zu einer entsprechenden Leichtigkeit zu gelangen?

Wer dezentral produktiv arbeiten möchte, braucht eine gute Selbstorganisation und aktive Selbstfürsorge. Gerade am dezentralen Arbeitsplatz sind gute Strukturen und Gewohnheiten notwendig, die das Arbeiten unterstützen. Der einzelne Mitarbeiter sollte sich selbst ein gutes Arbeitsumfeld schaffen und sich gut organisieren. Während im Büro die gemeinsame Mittagspause oder der Austausch mit Kollegen für gewisse Routinen sorgt, liegt es im Homeoffice in unserer Verantwortung, aktiv Zeit für Regeneration und Pausen einzuplanen. Wenn wir nicht selbst gut auf uns achten, tut es keiner.

Welche absolut äußerlichen Arbeits-(Markt-)Gegebenheiten erschweren uns trotz allem, das gewünschte und gewollte Optimum zu erreichen, und was können wir persönlich umso mehr dagegen tun?

Zielblindheit und der ständige Druck, weiterzumachen, vermitteln das Gefühl, nie zufrieden sein zu können mit dem, was bereits da ist. Oftmals fehlen zudem die Anerkennung und die Wertschätzung für die viele Mehrarbeit und das besondere Engagement, das geleistet wurde.

Unsere Arbeit umfasst einen großen Teil unserer Lebenszeit. Deshalb sollten wir achtsam mit dieser Zeit umgehen. Wir können aktiv beeinflussen, wie wir persönlich arbeiten möchten, mit welcher Haltung und zu welchem Zweck. Es erhöht unwahrscheinlich die eigene Motivation, wenn wir das Gefühl haben, unseren Werten entsprechend zu arbeiten und mit unserer Arbeit einen sinnstiftenden Beitrag zu leisten.

Auf welche Weise können die Vorteile der Digitalisierung dabei noch stärker genutzt und eingesetzt werden und welche weiteren Möglichkeiten werden zudem immer noch zu wenig bedacht?

Die Digitalisierung ermöglicht es, zeit- und ortunabhängig zu arbeiten. Das kann genutzt werden, um die Arbeitszeit an den persönlichen Biorhythmus und die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Das erhöht die Produktivität und die Zufriedenheit. Mitarbeiter können sich im Arbeitsalltag freier bewegen und haben einen größeren Gestaltungsspielraum.Außerdem sehe ich bei längeren Telefonaten oder Meetings den großen Vorteil, diese losgelöst vom Schreibtisch verbringen zu können. Die Digitalisierung ermöglicht es, z. B. Besprechungen mit einem Spaziergang zu verbinden. Neben den gesundheitsförderlichen Aspekten der körperlichen Bewegung und der sauerstoffreichen Luft gibt es noch weitere Vorteile.Wenn wir physisch unseren Standort verändern, wechseln wir auch gedanklich die Perspektive. Ein neues Umfeld führt dazu, dass wir facettenreicher auf ein Thema schauen können. Damit können wir Probleme besser lösen und kreativere Ideen generieren. Zudem fördert die Bewegung unser Wohlbefinden und ist ein Ausgleich zur überwiegend sitzenden Haltung.

Welche Wege sollten Arbeitende gehen, wenn von alledem so gar nichts „greifen“ mag und die Zerreißprobe immer noch vorprogrammiert scheint?

Ich empfehle, zunächst in die Selbstreflektion zu gehen und sich im Alltag zu beobachten, um die Ursache herauszufinden. Außerdem kann es helfen, andere Kollegen mit einzubeziehen oder professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.

Wichtig ist: Jeder von uns ist für sein Leben und sein Wohlbefinden selbst verantwortlich. Die Selbstfürsorge ist für mich deshalb eine aktive Fürsorge, da wir uns bewusst darum kümmern sollten. Von allein findet sie keinen Platz in unseren vollen Terminkalendern. Wer aus Zeitgründen bei der Erholung spart, um dafür das volle E-Mail-Postfach zu leeren, tut dies an der falschen Stelle.

Wenn wir unserem Wohlbefinden einen hohen Stellenwert geben und den Tag über achtsam mit uns selbst umgehen, profitieren davon auch im erheblichen Maße unsere Arbeit und unser Umfeld. Wir sind erfolgreicher und produktiver, wenn wir innerlich ausgeglichen, ausgeruht und auf einem hohen Energielevel sind. Der Schlüssel zu mehr Erfolg und Balance besteht darin, aus dem täglichen Spagat einen Spaziergang zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin + Jobcoach

Diesen Beitrag teilen: