Update mobile Arbeit aus dem Ausland : Remote Work aus dem Ausland, Workation & Co.
Bis Anfang 2020 stellte das mobile Arbeiten für die Mehrheit der deutschen Unternehmen eher eine Seltenheit dar. Das allerdings änderte sich mit Beginn der Corona-Pandemie. Homeoffice aus dem Ausland, „Remote Work“ oder Workation – der Wunsch nach flexiblen Arbeitsbedingungen ist zurzeit so groß wie nie. Und dies sowohl auf Seiten der Mitarbeiter, die nicht mehr nur hinsichtlich der Arbeitszeit, sondern auch hinsichtlich des Arbeitsorts flexibel sein wollen, als auch auf Seiten der Arbeitgeber, die in dem hart umkämpften „War for Talents“ ein Interesse daran haben, die Arbeitsbedingungen so flexibel wie möglich zu gestalten.
Es gibt ganz unterschiedliche Fallkonstellationen und Motive, die für Arbeitgeber auch unterschiedliche Risiken bedeuten können. Je nach Dauer, Ort und Ausgestaltung der Auslandstätigkeit können verschiedene rechtliche Themen relevant werden (Meldevorschriften, Arbeitserlaubnis, ggf. Visum, arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Auswirkungen etc.). Arbeitgeber sollten sich für eine ordnungsgemäße Risikoabwägung mit allen diesen Themen beschäftigen.
Neben der Vielzahl der Themen ist eine weitere Hürde in der Praxis, die oftmals übersehen wird, dass eine Bewertung grundsätzlich für jedes Land separat erfolgen muss. Das bedeutet für Arbeitgeber einen hohen Zeit- und Kostenaufwand. Was Unternehmen aus Compliance-Sicht zu beachten haben, erklärt Dr. Michaela Felisiak nachfolgend.
Arbeiten aus dem Ausland unter Compliance-Aspekten richtig handhaben
Arbeiten aus dem Ausland (auch englisch „cross border remote work“ genannt) kann für Unternehmen viele Risikofelder tangieren. Gleiches gilt für einen seit Beginn der Corona-Pandemie boomenden Trend: die sogenannte „Workation“. Zusammengesetzt aus den englischen Begriffen „work“ und „vacation“ – Arbeit und Urlaub. Hierbei ist die Idee, den Urlaub zu verlängern und noch ein paar Wochen im Urlaubsland zu verweilen, um von dort zu arbeiten.
Sowohl das Arbeiten aus dem Ausland als auch die Workation werden oft auf Wunsch der Mitarbeiter vereinbart. Rechtlich ist die Einordnung noch nicht vollständig geklärt, es spricht aber viel dafür, dass diese Konstellationen ähnlich wie klassische Entsendungen bzw. Dienstreisen ins Ausland zu werten sind, jedenfalls dann, wenn die Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder nach Deutschland zurückkehren und nicht von vornherein angestellt wurden, um aus dem Ausland für ein deutsches Unternehmen zu arbeiten.
Nur hinsichtlich der Sozialversicherungsthemen innerhalb der EU haben der GKV-Spitzenverband und seit November 2022 nun auch das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) klargestellt, dass kurzzeitige Mobilarbeit im EU-Ausland auf Wunsch des Arbeitnehmers sozialversicherungsrechtlich wie eine Entsendung zu behandeln ist. D. h. auch in diesen Fällen sollte eine A1-Bescheinigung beantragt werden.
Es gibt zahlreiche weitere Regelungen, die bei Dienstreisen und Entsendungen – selbst innerhalb der EU – zu beachten sind. Die Bandbreite allein der arbeitsrechtlichen Themen ist groß und reicht von spezifischen Regelungen zu Gehaltsanforderungen und Arbeitszeit bis hin zum Arbeitsschutz. Dies hat zur Folge, dass selbst ein paar Tage Workation in der Schweiz für Unternehmen sehr risikobehaftet sein können – jedenfalls dann, wenn die zwingend vorgeschriebenen Mindestlöhne in der Schweiz in dieser Zeit nicht eingehalten und die spezifischen aufenthaltsrechtlichen Regelungen (Aufenthaltsbewilligung) nicht beachtet werden.
Ein weiteres Schreckgespenst für Unternehmen ist in diesem Zusammenhang das Risiko der Begründung einer Betriebsstätte. Grundsätzlich bergen zwar kurzzeitige Aufenthalte an einem mobilen Arbeitsort im Ausland eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass der im Ausland tätige Mitarbeiter für das Unternehmen eine ausländische Betriebsstätte begründet, dies müsste aber mit einem Steuerexperten für die konkrete Situation geprüft werden. Insoweit spielen u. a. die Verweildauer in dem jeweiligen Land und die dem Mitarbeiter eingeräumten Befugnisse eine große Rolle.
Vollkommen ungeklärt ist außerdem, ob die innerhalb der EU geltenden Melde- bzw. Registrierungsvorschriften auch im Fall einer freiwilligen Auslandstätigkeit beachtet werden müssen. Die Nichtbeachtung kann – je nach Land – empfindliche Rechtsfolgen für Unternehmen haben.
Risiken in Bezug auf die Krankenversicherung
Nicht zu vernachlässigen sind auch Risiken für Arbeitgeber im Hinblick auf eine Haftung für (von der deutschen Krankenversicherung) nicht erstattete Krankheitskosten. Zwar besteht innerhalb der EU der europäische Krankenversicherungsschutz, Krankheitskosten für medizinische Behandlungen im Ausland werden von der deutschen Krankenversicherung allerdings nur insoweit erstattet, wie sie auch in Deutschland angefallen wären. Sind die Behandlungskosten in dem jeweiligen Land also höher, als sie in Deutschland wären, könnte der Arbeitgeber hierfür nach § 17 Sozialgesetzbuch (SGB) V haften. Diese Vorschrift betrifft in der Regel Entsendungen und Dienstreisen von Mitarbeitern ins Ausland, bei denen der Arbeitgeber für sämtliche Krankheitskosten haftet. Dies könnte aber ebenso auf die Fälle mobiler Arbeit im Ausland und auf Workation übertragen werden.
Praxistipp
Es empfiehlt sich der Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung für die jeweiligen Mitarbeiter.
Analyse
Um das gesamte Thema anzugehen, sollten Arbeitgeber in einem ersten Schritt die Länder identifizieren, in denen die flexiblen Arbeitsformen möglich sein sollen. Hierbei können bereits die Mitarbeiter einbezogen werden. Auch könnten Arbeitgeber mit Blick auf die Risiken überlegen, welche Dauer der Tätigkeit außerhalb Deutschland erlaubt sein soll. Insoweit kann es einen Unterschied machen, ob die Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der EU erfolgen soll und welche Nationalität der betreffende Mitarbeiter hat. Auch rein praktische Erwägungen – wie z. B. das Aufdeckungsrisiko – können eine Rolle spielen.
In einem weiteren Schritt ist dann eine klare Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern wichtig. Bestimmte Länder könnten als Zielland für eine Auslandstätigkeit erst einmal ausgeschlossen werden.
Employer of Record
Soweit der Auslandsaufenthalt eine längere Zeit andauern soll, können „Employer of Records“ für Arbeitgeber relevant werden. Dies ist insbesondere mit Blick auf ein weltweites Recruiting interessant und scheint auf dem ersten Blick diverse Möglichkeiten für Arbeitgeber zu eröffnen.
Bei einem „Employer of Record“ (kurz EOR) handelt es sich um einen Arbeitgeber „auf dem Papier“, der den Mitarbeiter im Ausland anstellt und die formalen länderspezifischen Regelungen (z. B. bezüglich Steuern und Sozialversicherung) beachtet und entsprechend abwickelt. Der EOR weist dem betreffenden Mitarbeiter aber keine Tätigkeiten zu, sondern dieser arbeitet vielmehr „remote“ für den Kunden des EOR, beispielsweise ein deutsches Unternehmen. Dies ist für Unternehmen interessant, die auf Dauer einen Mitarbeiter im Ausland einstellen wollen, ohne in dem betreffenden Land eine rechtliche Einheit zu gründen. D. h. für Workation-Konstellationen kommen EORs nicht in Betracht, allerdings gibt es auch hierfür Dienstleister, die Unternehmen vermeintlich die genannten Risiken rechtssicher abnehmen wollen.
Gestaltungstipps
Sowohl aufgrund der Neuerungen des Nachweisgesetzes (§ 2 Abs. 2 und Abs. 3) als auch zur Schaffung von Rechtsklarheit empfiehlt sich der Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag, jedenfalls dann, wenn die Auslandstätigkeit länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erfolgen soll. Inhalt dieser Ergänzungsvereinbarung könnten folgende Punkte sein :
- Ort und die Dauer der Auslandstätigkeit
- klarstellende Regelungen zur Tätigkeit (z. B. Angaben zum Erfüllungsort sowie Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte im steuerlichen Sinne, Regelungen zu betriebsbedingten Fahrten zur betrieblichen Arbeitsstätte)
- Regelung besonderer Pflichten des Mitarbeiters (z. B. die Pflicht zum Führen eines Reisekalenders, zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit, Pflicht zum Mitführen bestimmter Dokumente)
- Regelungen zu den sozialversicherungsrechtlichen Konsequen (darunter z. B. auch die Pflicht zum Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung)
- Festlegung bestimmter Voraussetzungen der Auslandstätigkeit (z. B. keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe; technische Voraussetzungen)
- Regelungen zur Arbeitszeit und Erreichbarkeit des Mitarbeiters mit Blick auf die arbeitsschutzrechtlichen Aspekte
- Regelungen zu den Anforderungen der Räumlichkeiten
- Klarstellung zu Kostenübernahme/ Kostenerstattung/Nutzung des Firmenwagens
- Datenschutz und Datensicherheit
- Hinweis auf Haftungsregelungen.
Der Abschluss einer entsprechenden Ergänzungsvereinbarung legt die „Spielregeln“ der Mobilarbeit aus dem Ausland fest und hilft Arbeitgebern, jedenfalls gegenüber den Mitarbeitern, die rechtlichen Risiken zu steuern. Unerlässlich ist jedoch in jedem Fall eine vorhergehende Analyse. Auch ist zwingend der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.
Risiken bei Einschaltung eines EOR
EORs bieten den Kunden (deutsches Unternehmen) unterschiedliche Serviceleistungen an, um deren administrativen Aufwand möglichst gering zu halten. Aber Vorsicht! In diesem Fall handelt es sich um eine klassische Arbeitnehmerüberlassung. Der EOR stellt den im Ausland sitzenden Mitarbeiter ein und wird gegenüber seinem Kunden als Verleiher tätig, damit benötigt der EOR grundsätzlich eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, die er im Zweifel nicht hat. Soweit eine solche rechtlich notwendig ist, weil der betreffende Mitarbeiter z. B. nach Deutschland reist, ergeben sich für das deutsche Unternehmen unterschiedliche rechtliche Risiken – u. a. drohen dem EOR und dem deutschen Unternehmen jeweils für die Überlassung bzw. das Tätigwerdenlassen des Mitarbeiters Geldbußen in Höhe von bis zu 30.000 Euro.
Die maßgebliche Frage in diesem Zusammenhang ist, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) überhaupt Anwendung findet. In vielen Rechtsgebieten, so auch insbesondere im Sozialversicherungsrecht, gilt grundsätzlich der tatsächliche Aufenthaltsort als Arbeits-/Beschäftigungsort. Das AÜG hat jedoch einen anderen Schutzzweck, sodass es nicht allein auf die körperliche Anwesenheit ankommt. Sinn und Zweck des AÜG sind u. a. das Fernhalten unzuverlässiger Verleiher von der Arbeitnehmerüberlassung, der soziale Schutz von Leiharbeitnehmern und der Schutz der Entleiher.
Nach dem Territorialitätsprinzip kommt das AÜG nur zur Anwendung, wenn Mitarbeiter zur Arbeitsleistung in bzw. nach Deutschland überlassen werden. Das AÜG stellt maßgeblich auf die Tätigkeit in Deutschland ab. Bei der Frage, wo ein Leiharbeitnehmer jedoch „tätig wird“, sind die Besonderheiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen, z. B. ob die Tätigkeit an einem bestimmten Ort gebunden ist. Das ist bei IT-Spezialisten oder anderen Mitarbeitern, die rein geistig arbeiten, nicht der Fall. Diese können von überall auf der Welt arbeiten und dennoch in die Arbeitsorganisation eines deutschen Unternehmens eingebunden sein.
Würde man die Tätigkeit eines körperlich im Ausland sitzenden IT-Spezialisten für ein deutsches Unternehmen mit Blick auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht als Verleih nach Deutschland betrachten, könnten deutsche Unternehmen generell dazu übergehen, nur noch im Ausland sitzenden IT-Ingenieure zu beschäftigen. Rechtssicherheit besteht damit selbst bei Einschaltung eines EOR nicht! Die Bundesagenturen für Arbeit vertreten teilweise in Bezug auf die skizzierte Konstellation die Auffassung, dass derartige Fälle sehr wohl vom Anwendungsbereich des AÜG erfasst sind und Ordnungswidrigkeiten relevant werden können.
Erfahrungen mit EORs
Unabhängig von den rechtlichen Risiken bei der Einschaltung von EORs zeigen erste Erfahrungen, dass es in der praktischen Abwicklung oft zu Problemen kommen kann. Dies beispielsweise, wenn der im Ausland tätig Mitarbeiter nicht wie gedacht performt – oder gar gekündigt werden soll. Die entsprechende Kommunikation stellt sich dann häufig als langwierig und schwierig dar. Außerdem kennen sich Arbeitgeber mit dem im Ausland geltenden Recht oftmals nicht aus, sodass die Einholung eines entsprechenden Rechtsrats notwendig wird. Zwar bieten auch EORs diesen Service an, allerdings kann auch dies langsam sein, was das Unternehmen am Ende unter Umständen Geld kostet.
Fazit
Es lohnt sich nicht, blind jedem Trend zu folgen. Vielmehr sollte man die mit einer Auslandstätigkeit verbundenen Risiken im Blick behalten. Wenn Arbeitgeber wissen, worauf sie sich einlassen, kann die Mobilarbeit aus dem Ausland – ob für eine kurze oder eine längere Dauer – viele Chancen bieten.
Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten