Eine ganzheitliche Perspektive – Diversity und Inklusion : Von der Vielfalt profitieren
2006 trat in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Seitdem ist die Beteiligung unterschiedlichster Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Erwerbsleben immer weiter ins Bewusstsein gerückt. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Letzteres von allen als Bereicherung empfunden wird, ist ein ganzheitliches Diversity Management und eine aktive Inklusion.
Inklusion beinhaltet laut Definition alle Maßnahmen, die eine einbeziehende Unternehmens- und Organisationskultur fördern sollen. Dabei wolle man die Einbeziehung von Personen und die Zusammenarbeit innerhalb von Gruppen sicherstellen, schreibt das Gabler Wirtschaftslexikon. Der Begriff sei eng verbunden mit Diversity, also mit dem Versuch, Vielfalt zu erkennen und zu fördern, Benachteiligung zu verringern und Chancengleichheit zu erreichen. Doch wie lässt sich Diversity Management als ganzheitliches Managementkonzept etablieren? Wie organisiert man Personalprozesse und Strukturen so, dass alle in ihrer Unterschiedlichkeit Wertschätzung erfahren und ihr Potenzial voll einbringen können?
Immer mehr Ältere im Arbeitsleben
Nach dem streng methodischen Ansatz unterscheiden sich die Beschäftigtengruppen im Hinblick auf die sogenannten Vielfaltsdimensionen: Alter, ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft. Der für die Praxis derzeit maßgeblichste Aspekt ist das Alter: Denn die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen nimmt so stark zu wie in keiner anderen Altersgruppe. Im Jahr 2022 lag sie laut Statistischem Bundesamt bei 63,3 Prozent. 3,8 Millionen Beschäftigte waren in dieser Altersgruppe, hinzu kommen noch einmal 1,5 Millionen, die 65 Jahre oder älter sind.

Ein genauer Blick in die Zahlen zeigt, dass in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen nicht nur die Erwerbstätigenquote am stärksten gestiegen ist. Vielmehr analysierte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, dass darunter auch der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse zugenommen hat. Es gebe also keine Hinweise, dass der Aufwuchs bei der Erwerbstätigkeit Älterer durch nennenswerte Einbußen bei der Qualität erkauft werden musste, schreiben die Forschenden. Dies kann als Indiz für eine gelungene Integration Älterer gelten.
Für eine Fortsetzung dieses Trends spielt sowohl die Qualifizierung Älterer auf individueller Ebene als auch die Attraktivität des Arbeitsmarkts insgesamt eine große Rolle. Als klassisches Erfolgskriterium in der betrieblichen Praxis gilt die Bildung von altersgemischten Teams.
Mitarbeitende mit Behinderung
Noch stärker im Fokus als die Älteren steht durch die gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichsabgabe bei Nicht-Erfüllung der Quote die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Zu Beginn des Jahres 2024 wurden die Abgaben für nicht besetzte Pflichtarbeitsplätze für Schwerbehinderte noch einmal erhöht, während die Arbeitslosenstatistik gleichzeitig rund 170.000 Schwerbehinderte ausweist.

Im Gegensatz zur Integration älterer Beschäftigter fühlen sich viele Betriebe mit dem Thema noch immer überfordert, während insbesondere Großunternehmen das Potenzial erkannt haben, das diese Gruppe mit sich bringt. Inzwischen gibt es aber gerade für kleinere und mittlere Unternehmen ohne eigene personelle Ressourcen eine ganz Reihe von Anlaufstellen, die Unterstützung bieten, insbesondere die Integrationsfachdienste, die seit 2022 gemäß Teilhabestärkungsgesetz als einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber zur Verfügung stehen, diese beraten und unterstützen, über Leistungen für Arbeitgeber informieren und die Bewilligung dieser abklären sollen.
Doch bei der Inklusion geht es um mehr als barrierefreie Arbeitsplätze: Erst regelmäßige Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung für die gesamte Belegschaft und besondere Schulungen der Führungskräfte sorgen für eine diversitätsfreundliche Unternehmenskultur und tragen entscheidend dazu bei, dass die angestrebte Einbeziehung gelingt. Wesentlich in diesem Zusammenhang sei, „ressourcen- statt defizitorientiert zu denken“, meinen Experten.
So sagt Olaf Guttzeit, Inklusionsbeauftragter bei Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, im Gespräch mit der Publikation „Wegweiser: Inklusion im Betrieb“ von Aktion Mensch und dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA): „Ressourcen- statt defizitorientiert zu denken – das heißt, wenn sie [die Beteiligten] auf die Stärken und Fähigkeiten des Einzelnen schauen, nicht auf seine Defizite. Das betrifft sowohl die Führungskräfte vor Ort als auch die betreffende Person selbst.“
Recruiting barrierefrei gestalten
Das Gegenteil können unbeabsichtigt oft Stellenanzeigen signalisieren: Sie enthalten Anforderungsdetails, die für den Job oftmals gar nicht unbedingt erforderlich sind, und schließen gleichzeitig Schwerbehinderte aus. Sich auf das Wesentliche zu beschränken, kann lohnenswert sein, ebenso, wie im Vorstellungsgespräch mit einem Bewerber oder einer Bewerberin mit Behinderung die gleichen Fragen zu besprechen wie auch sonst. Fachliche Themen und die Passung von Qualifikationen, Erfahrung und Persönlichkeit sollten im Mittelpunkt stehen, die Behinderung – so bekannt – erst im späteren Verlauf eine Rolle spielen.
Wie wesentlich ein bewusster Umgang mit dem Thema ist, zeigt überdies eine Umfrage der Jobbörse Indeed aus dem Jahr 2023: Danach schaffen es 43 Prozent der Unternehmen, die ihre HR-Verantwortlichen im vorurteilsfreien Umgang schulen, ihre offenen Stellen innerhalb von zwei Monaten zu besetzen. Von den Unternehmen ohne Diversitätsstrategie erreichen das nur 32 Prozent.
Alexandra Buba, M. A., Wirtschaftsredakteurin