Entscheidungshilfen für Unternehmen – Teil 23 – ABC der Künstlersozialabgabe : Von I(nnenarchitekt) bis I(nstrumentenbauer)
Erbringt ein Architekt künstlerische Leistungen, ist er dann also Designer und damit Künstler und wären dann für seine erbrachten Leistungen Künstlersozialabgaben zu zahlen? Die Diskussionen über diese Frage werden in absehbarer Zeit nicht enden. Für den Bereich der Künstlersozialversicherung hat in Deutschland die höchstrichterliche Rechtsprechung eindeutig entschieden: Erbringt ein Architekt künstlerische Leistungen – Zeichnungen, Bühnenbilder, Skizzen, Scribbles beispielsweise für Verkaufsprospekte für Wohnanlagen – oder publizistische Leistungen – wie zum Beispiel Fachaufsätze in Fachzeitschriften o. Ä. – unterliegen Zahlungen an ihn der Künstlersozialabgabepflicht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2001 – B 3 KR 1/00 R).
Innenarchitekt
Es kann offenbleiben, sagt ein weiteres Gericht, ob und unter welchen Umständen Architektur bzw. Innenarchitektur Kunst im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) sein kann. Die (hier) Design-Entwürfe der als Architekten ausgebildeten bzw. tätigen Personen sind nicht der Architektur, sondern dem Design zuzuordnen. Wenn Architekten sich nebenher und in Erweiterung ihres traditionellen Aufgabengebiets als Designer betätigen, sind sie mit diesem Tätigkeitsfeld als Künstler im Sinne des § 1 KSVG anzusehen (vgl. zuletzt Sozialgericht Berlin, Urteil vom 06.07.2011 – S 36 KR 282/10).
Für die betriebliche Praxis bedeutet das kurzgefasst: Die Entscheidung, ob eine in Rechnung gestellte Leistung der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegt, ist niemals abhängig von der Ausbildung oder von der Berufsbezeichnung. Einzig und allein auf die tatsächlich erbrachte Leistung ist abzustellen.
Innungskrankenkasse
Ob eine Krankenkasse – hier: eine Innungskrankenkasse – der grundsätzlichen Künstlersozialabgabepflicht unterliegt, ist nicht von der Struktur der Krankenkasse abhängig. Eine Krankenkasse ist als Eigenwerbung und/oder Öffentlichkeitsarbeit treibendes Unternehmen nach den Vorschriften des KSVG abgabepflichtig, so wie viele Unternehmen in Deutschland. So hat schon 1994 das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass auch solche Unternehmen der Abgabepflicht unterliegen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler und/oder Publizisten erteilen, um deren Werke und/oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Denn daraus folgt nicht zwingend, dass der Begriff des Unternehmens im Sinne des KSVG über diese Einzelregelung hinaus stets notwendig einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Verwertung von Kunst und der Einnahmeerzielung erfordert.
Der Unternehmerbegriff im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG verlangt nicht die unmittelbare Einnahmeerzielung. Es genügt die mittelbare Einnahmeerzielung. Die Rechtsprechung ist dahingehend zusammenzufassen, dass jedenfalls eine mittelbare Verbindung zwischen Kunstverwertung und Einnahmen ausreicht. Es genügt, dass die Kunstverwertung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, Beiträgen (hier: zur gesetzlichen Krankenversicherung) oder anderen Einnahmen finanziert wird. Selbst wenn die Eigenwerbung sekundär ist und hinter den Informationsgehalt der (hier) Informationsschriften zurücktritt, wird hierdurch die Abgabepflicht nicht berührt. Die Verfolgung mehrerer, sogar vorrangig anderer Zwecke spielt für die Abgabepflicht keine Rolle, wenn tatsächlich künstlerische und/oder publizistische Leistungen und/oder Werke selbständiger Künstler und/oder Publizisten in Anspruch genommen werden. Der öffentliche Charakter der Geldeinnahmen führt ebenfalls nicht dazu, dass diese Einnahmen nicht zur Zahlung von Abgaben zur Künstlersozialversicherung herangezogen werden dürften. Öffentlich-rechtliche Körperschaften erzielen, wenn überhaupt, öffentlich-rechtliche Einnahmen. Dass mit diesen Einnahmen wiederum andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden, etwa die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, wird sichtlich nicht in Frage gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.1994 – 3/12 RK 66/92).
Installation
Wer dabei an den Sanitär-Installateur denkt: weit gefehlt. Das Künstlersozialversicherungsrecht beurteilt künstlerische Installationen als Kunstwerke, als eine gängige Kunstform. Und wer denkt dabei nicht an die legendäre Beuys’sche Fettecke.
Instrumentenbauer
Personen, die eine handwerkliche Tätigkeit im Sinne der Handwerksordnung (HwO) ausüben, können nicht als Künstler im Sinne des KSVG angesehen werden. Das ergibt sich aus dem Zweck des KSVG, vornehmlich solche Personengruppen zu schützen, die vor der Einführung des KSVG (1983) nicht abgesichert waren. Das trifft auf Handwerker nicht zu. Die für die Abgrenzung zwischen Handwerk und Kunst maßgebliche Feststellung einer eigenschöpferischen Leistung ergibt sich noch nicht daraus, dass der Betroffene nach eigener Planung individuelle Instrumente nach den Vorstellungen seiner Auftraggeber fertigt. Denn individuelle Fertigung zeichnet auch das Handwerk aus und unterscheidet es insoweit von der industriellen Produktion. Die künstlerische Leistung kann nur in dem Schaffen von Musik liegen, nicht in der Herstellung von Musikinstrumenten (bildende Kunst), weil das Instrument nicht als Gegenstand der Betrachtung, sondern als Quelle von Tönen zu beurteilen ist.
Der Abgrenzungsmaßstab kann nur darin gefunden werden, ob der Schaffende zumindest in einschlägigen fachkundigen Kreisen als „Künstler“ anerkannt und behandelt wird. Das lässt sich feststellen etwa an der Teilnahme an Ausstellungen, der Mitgliedschaft in Künstlervereinen, der Aufnahme in Künstlerlexika; bei Musikschaffenden insbesondere auch nach der Mitwirkung an Musikveranstaltungen und Konzertaufnahmen (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.1997 – 3 RK 15/96).
In der nächsten Ausgabe setzen wir das „ABC der Künstlersozialabgabe“ fort, beginnend mit dem Stichwort „Internetauftritt“, und bieten Ihnen weitere Entscheidungshilfen zur Künstlersozialabgabe an.
Joachim Zacher, Dipl.-Verwaltungswirt, Autor und Dozent, Oldenburg