Abrechnungspraxis : Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst
In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.
Ansprüche für die Arbeit innerhalb der Rufbereitschaft; Freizeitausgleich
§ 8 Abs. 5 Satz 5 i.V.m. Satz 7 TV-L
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 30.10.2019 – 6 AZR 581/18 –:
- Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 TV-L sind Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft unabhängig davon, ob es sich um zusätzlich geleistete Arbeit oder Überstunden im Tarifsinn handelt, unter Berücksichtigung der tariflichen Rundungsregelung mit dem Entgelt für Überstunden zu bezahlen. Das umfasst das Überstundenentgelt i. S. d. Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 TV-L und den Überstundenzuschlag nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TV-L (Rn. 15).
- Die in § 8 Abs. 5 Satz 7 TV-L angeordnete entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 4 TV-L ermöglicht die Umwandlung sämtlicher von § 8 Abs. 5 TV-L erfasster Entgeltbestandteile in Zeit und deren Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto, soweit dies nach § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L zulässig ist (Rn. 16).
- Mit der Zahlung des regulären Tabellenentgelts erfüllt der Arbeitgeber nicht zugleich Ansprüche nach § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L. Diese Tarifnorm ist eine Vergütungsregelung für Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft und damit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers (Rn. 23).
Weiterführender Hinweis: Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob die Gutschrift des in Zeit umgewandelten Überstundenentgelts nach § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L zugleich einen Freizeitausgleich darstellt mit der Folge, dass der Arbeitgeber nur den Feiertagszuschlag gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d Spiegelstrich 2 TV-L in Höhe von 35 Prozent schuldet (vgl. dazu BAG vom 17. November 2016 – 6 AZR 465/15 – Rn. 23 ff. zu § 43 Nr. 3 Abs. 3 Satz 5, § 43 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TV-L).
Reduzierung Sollarbeitszeit um dienstplanmäßig freie Stunden an Vorfeiertagen
Auslegung von §8 Abs. 3 TV-V; Abgrenzung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD/TVöD-K
Anschließend die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 11.07.2019 – 6 AZR 460/18 –:
- Die nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TV-V vorgesehene Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden tritt nur an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, hingegen nicht an sog. Vorfeiertagen (24. und 31. Dezember) ein (Rn. 17 ff., 22).
- Diese bewusste Differenzierung steht einer Heranziehung der zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, § 6 Abs. 3 Satz 3, § 6.1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b TVöD-K ergangenen Rechtsprechung auf Vorfeiertage im Geltungsbereich des TV-V entgegen. Es ist Ausdruck der von Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie, wenn Tarifvertragsparteien für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen vergleichbare Sachverhalte abweichend regeln. Art. 3 Abs. 1 GG zwingt nicht dazu, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systematischen Zusammenhängen gleich zu regeln (Rn. 20).
- Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags setzt voraus, dass eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. Lassen die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage hingegen bewusst ungeregelt, verbietet sich eine ergänzende Tarifauslegung, sofern dies höherrangigem Recht nicht widerspricht (Rn. 26).
- § 8 Abs. 3 TV-V weist in Bezug auf dienstplanmäßig an einem Vorfeiertag ausgefallene Stunden keine Regelungslücke auf, die durch eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags geschlossen werden könnte (Rn. 27). Diese bewusste Differenzierung der Tarifvertragsparteien benachteiligt (Wechsel-) Schichtdienstleistende nicht (Rn. 30 f.).
Stufenzuordnung gemäß TV-L nach Höhergruppierung bei unveränderter Tätigkeit
Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 18.10.2018 – 6 AZR 300/17 –:
- Der konstitutive Antrag gemäß § 29a TVÜ-Länder auf Zuordnung zu einer höheren Entgeltgruppe ist eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung. Er bedarf keiner Annahme durch den Arbeitgeber und führt bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen unmittelbar zur geänderten Eingruppierung (Rn. 35).
- Die Rechtsfolgen eines solchen Antrags bestimmen sich, da er auf den 1. Januar 2012 zurückwirkt, nach den Verhältnissen an diesem Tag (Rn. 35).
- Der Antrag gemäß § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder ist ebenfalls eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung, die bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen unmittelbar dazu führt, dass der Antragsteller zu seinem individuellen Aufstiegszeitpunkt den Bewährungsaufstieg nachvollzieht (Rn. 36).
- Wird aufgrund eines Antrags gemäß § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder die Tarifautomatik in Gang gesetzt und der Beschäftigte endgültig und konkret einer höheren Entgeltgruppe zugeordnet, scheidet danach die Nachholung eines Bewährungsaufstiegs gemäß § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder aus. Das gilt aber nicht, sofern durch den Beschäftigten von der Möglichkeit des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder bezogen auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2012 Gebrauch gemacht wird (Rn. 37).
- Ein solcher Fall ist auch gegeben, wenn der Beschäftigte die Voraussetzungen des Bewährungsaufstiegs, namentlich seine Bewährungszeit mit Ablauf des 31. Dezember 2011, erfüllt. Er hat dann ab dem 1. Januar 2012 einen Anspruch auf ein Entgelt nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder. Dieses ist Grundlage aller ab diesem Tag erfolgenden Stufenzuordnungen aufgrund von Höhergruppierungen, auch solcher infolge eines Antrags gemäß § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder (Rn. 39 f.).