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Berufsunfähigkeit : Optionen in der bAV

Die wenigsten Bürger sind gegen biometrische Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit richtig abgesichert, obwohl das Risiko mit steigendem Lebens- und Renteneintrittsalter zunimmt. Als Personalverantwortlicher sollten Sie sich unbedingt in 2020 diesem Thema widmen, auch im Sinne des Gesundheits- und Demografie-Managements.Dieser Beitrag soll hierzu Denkanstöße und Hilfestellung geben.

Lesezeit 4 Min.
Zwei leuchtend gelbe Verkehrsschilder verdeutlichen Barrierefreiheit und Vorsicht: Auf dem einen ist das universelle Symbol für Rollstuhlgerechtigkeit zu sehen, auf dem anderen das Symbol einer ausrutschenden und stürzenden Person, was auf eine potenzielle Gefahr für Fußgänger hinweist.

Mit der Reform des Altersversorgungssystems von 2001 erfolgte für alle nach dem 02.01.1961 geborenen ein Wechsel von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente zur Erwerbsminderungsrente. Letztendlich heißt dies, dass vom Rententräger nicht mehr auf den erlernten oder ausgeübten Beruf abgestellt wird, sondern nur noch dann eine Rente gezahlt wird, wenn das Restarbeitsvermögen auf dem gesamten Arbeitsmarkt (egal in welcher Tätigkeit)

  • Unter 3 Stunden täglich für die volle Erwerbsminderungsrente und
  • Unter 6 Stunden täglich für die halbe Erwerbsminderungsrente beträgt und in diesen 5 Jahren mindestens 36 Kalendermonate Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet worden sein.

Jeder 4. Arbeitnehmer wird im Laufe seines Arbeitslebens berufsunfähig! Fast 4 Millionen Deutsche beziehen schon eine solche Teil- oder Vollrente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit. Allerdings beträgt der Durchschnittszahlbeitrag nach Abzug der Sozialabgaben 735 Euro monatlich – Tendenz sinkend (aufgrund niedriger persönlicher Entgeltpunkte/ Rentenansprüche). Viele Menschen sind daher auf auffüllende Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) angewiesen.

Neue staatliche Förderung

Mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG) beabsichtigt der Staat eine stärkere Förderung privater Berufsunfähigkeitspolicen ab 01.01.2014.

Das „Geschenk“: Die Beiträge für staatlich zertifizierte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsverträge können ab 01.01.2014 im Rahmen der Basisversorgung steuerlich voll abgesetzt werden. Allerdings zählen in diese Summe auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und anderer Basisverträge. Allerdings haben die milden Gaben einige Haken (Fördervoraussetzungen).

Neue Gesetzgebung

Jährlich gehen fast 200.000 Menschen in die Erwerbsminderung. Wenn jemand beispielsweise mit 50 Jahren erwerbs- bzw. berufsunfähig wird, fehlen ihm 17 Jahre Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung und damit fällt auch die Altersrente oft unter Grundsicherungsniveau. Bisher wurde fiktiv die Erwerbsminderungsrente bis zum 62. Lebensjahr berechnet, um diesen Effekt zu mildern. Seit 01.01.2018 wird diese so genannte Zurechnungszeit schrittweise bis zum Jahr 2024 um 3 Jahre auf 65 erhöht, was etwa 1.5 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird, aber die Altersarmut mindern soll. Weitere Verbesserungen sind geplant.

Was nun – in der Betrieblichen Altersversorgung?

Sie sollten überlegen, ob Sie für Ihre Mitarbeiter einen Berufsunfähigkeitsschutz anbieten wollen. Dies kann:

  • über selbstständige private Berufsunfähigkeitsverträge geschehen, für die Sie einen Rahmen-Gruppenvertrag mit dem Anbieter aushandeln.
  • über einen Baustein in der Betrieblichen Altersversorgung geschehen, der allerdings unter 50 % des Beitrages liegen sollte, um auch ohne Eintritt des Leistungsfalles z.B. in der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Betriebsrente beziehen zu können.

Variante 1: Betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung mit Berufsunfähigkeit

Aufgrund sinkender gesetzlicher Rentenansprüche (z.B. durch Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und des demographischen Faktors) setzt der Staat stärker auf Eigenvorsorge seiner Bürger. Zu diesem Zweck fördert er Betriebsrenten nicht nur steuer-und sozialabgabenrechtlich, sondern hat auch einen Rechtsanspruch für jeden Arbeitnehmer zum Aufbau einer Altersversorgung geschaffen.

Jeder Arbeitnehmer – unabhängig von der Größe des Betriebes – hat laut §1 a des Betriebsrentengesetzes seit 2002 das Recht, von seinem Arbeitgeber zu verlangen, Teile seines künftigen Entgeltes bis zu 8 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei in eine Betriebliche Altersversorgung zu investieren. Jeder Arbeitnehmer kann also z.B. bis zu 552 Euro (im Jahre 2020) monatlich von seinem Gehalt steuer und 276 Euro sozialabgabenfrei in die eigene Altersversorgung investieren. Für Arbeitnehmer lohnt sich diese so genannte Entgeltumwandlung auf jeden Fall, da diese Brutto für Netto einzahlen können und – neben dem Aufbau einer staatlich geförderten Altersrente – der tatsächliche „Verlust“ an Nettogehalt (durch Wegfall der Steuer- und Sozialabgaben) viel kleiner ist. Dafür wartet allerdings in der Leistungsphase der Betriebsrente der volle persönliche Einkommenssteuersatz und die volle Kranken- und Pflegebeitragspflicht (wenn gesetzlich versichert) abzüglich neuen Freibetrags von ca. 159 Euro (ab 2020).

Beispiel: Mitarbeiter Heinz aus München, Alleinstehend ohne Kind und Freibeträge, 35 Jahre und Steuerklasse I mit Kirchensteuer, erhält 3500 Euro Bruttoentgelt im Monat. Sein Nettoentgelt beträgt derzeit 2139,15 Euro. Ab 01.02.2019 wandelt er monatlich 100,00 Euro in die Betriebliche Altersversorgung um. Sein Arbeitgeber beteiligt sich nicht daran. Mit der Betrieblichen Altersversorgung beträgt sein neues Nettogehalt 2091,19 Euro, also nur 47,96 Euro weniger als vorher. Dafür gehen auf 32 Jahre 100 Euro in die Betriebsrente, was in etwa einer Altersrente ab 67 von mindestens 160 Euro (plus bis zu 350 Euro bei guter Überschussbeteiligung des Anbieters) bei 5 Jahren Rentengarantiezeit. Das lohnt sich auf jeden Fall!

Variante 2 – der Rahmenvertrag

Sie als Personaler überlegen sich, für welche Berufsgruppen, in welcher Höhe und zu welchen Konditionen die Mitarbeiter eine private Berufsunfähigkeit abschließen sollten. Als guter Arbeitgeber handeln Sie dazu mit einem ausgewählten Anbieter (am besten durch Ausschreibung neutral ermittelt) den Rahmenvertrag aus, der u.a.

  • Verbesserte Gesundheitsfragen (oder gar keine Gesundheitsprüfung)
  • Regelungen zum Ausscheiden (Arbeitgeberwechsel) • Anforderungen an den Anbieter (z.B. geringe Streitfall-Quote bei Berufsunfähigkeit)
  • Leistungen der Berufsunfähigkeit und deren Feststellung enthalten sollte.

Ausblick

Auch durch die sinkende staatliche Ausgestaltung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit wird die unterschätzte Gefahr klar. Ein Nachdenken über die Absicherung des Risikos für Ihre Mitarbeiter ist unerlässlich, um schon heute für die Zukunft vorzusorgen. Gerade auch bei höherem Fördervolumen und ab 2019/22 bei Weitergabe der Sozialbeiträge / Sozialpartnerrente wird eine Biometrie-Absicherung über die bAV lukrativer, aber nicht einfacher. Niemand kann ohne das Risiko „Berufsunfähigkeit“ bleiben, aber sein Leben (finanziell) bestmöglich gestalten!

Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger. Er berät Ministerien und Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung von Gesetzen und ist dem Hause Datakontext als Seminarleiter und Fachautor verbunden. www.nareuisch.de

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