Garantiezinssenkung : Was bedeutet das für die bAV?
Im Zuge der Betriebsrentenrechtsreform wird viel über Betriebliche Altersversorgung ohne Garantien geredet. Aber auch die Altersversorgung – als Lohn eines ausgefüllten Arbeitslebens – sollte dauerhaft sicher sein. Zum 1. 1. 2017 ist der Garantiezins bereits auf 0,90 Prozent gesenkt worden, ab 1. 1. 2021 auf 0,50 Prozent! Deshalb lohnt ein Blick hinter die Kulissen der Betrieblichen Altersversorgung. Der nachfolgende Beitrag will deshalb aufklären, provozieren und sensibilisieren. Denn mit Nachdenken fängt Erkenntnis an.
Eine Betriebliche Altersversorgung ist richtig und notwendig, in Form der Entgeltumwandlung sogar gesetzlich als Rechtsanspruch des Arbeitnehmers vorgeschrieben. In Deutschland haben etwa 20 Millionen Arbeitnehmer entsprechende Abschlussmöglichkeiten. Aber wussten Sie, dass Sie als Arbeitgeber bzw. Personalverantwortlicher die volle Verantwortung für den umgewandelten Betrag und dessen Schicksal im Rahmen des Durchführungsweges haben? Beispielsweise ist es in den Durchführungswegen Unterstützungskasse und Pensionsfonds für Arbeitgeber zu erheblichen Nachschussverpflichtungen gekommen, um Wertverluste (z.B. durch Finanzkrise und fehlerhafte Geldanlage der Anbieter) aufzufangen. Jüngst gerieten zahlreiche Pensionskassen in Schieflage. Und auch die Direktversicherung hat ihre Tücken.
Besonderheiten für die Betriebliche Altersversorgung
Im Lebensversicherungsgeschäft, das gerade oft aus steuerlichen Aspekten interessant ist, sinkt die Nachfrage nach klassischen Produkten deutlich, da die Garantiezinsen durch mangelnde Ertragschancen drastisch gesunken sind. Der Garantiezins (richtiger: gesetzlicher Höchstrechnungszins) in Deutschland auf den Sparanteil einer Lebensversicherung (Beitrag nach Abzug von Risiko- und Kostenanteil) beträgt inzwischen sage und schreibe 0.90 % pro Jahr für Neuabschlüsse. In den Jahren 1995-2000 betrug dieser Zinssatz immerhin 4% per annum.
Nachfolgende Übersicht gibt einen kleinen Eindruck zur historischen Entwicklung:
Garantiezins/Höchstrechnungszins pro Jahr
Jahr der Gültigkeit
3,00 % 1942-Juni 1986
3,50 % Juli 1986-Juni 1994
4,00 % Juli 1994-Juni 2000
3,25 % Juli 2000-Dezember 2003
2,75 % Januar 2004-Dezember 2006
2,25 % Januar 2007 –Dezember 2011
1,75 % Januar 2012 – 31.12.2014
1,25 % Seit 01.01.2015 bis 31.12.2016
0,90 % Ab 01.01.2017
Die Versicherungswirtschaft sucht Lösungen, die den Kunden mit mehr Rendite ködern. Am Markt sind auch verschiedene Fondsprodukte mit Garantien (z.B. Höchststand, Ablaufsumme, Beitragserhalt) mit unterschiedlich starrer oder flexibler Fondsauswahl. Inzwischen rütteln einige Versicherer in der Betrieblichen Altersversorgung sogar an der Beitragsgarantie (100 Prozent zum Ende der Laufzeit) und bieten niedrige Sätze (z.B. 80 %) an, was die Haftung für den Arbeitgeber deutlich erhöht und die Bilanz durch Rückstellungen belasten kann.
Als Personalverantwortlicher prüfen Sie bitte die jährlichen Standmitteilungen des Anbieters, die zu jedem Einzelvertrag erstellt werden müssen, um die Effizienz und Rendite Ihres BAV-Unternehmens zu prüfen. Achten Sie außerdem darauf, welcher Betrag dem Mitarbeiter von Ihnen – dem Arbeitgeber – zugesagt wurde. Viele machen den Fehler, die prognostizierte Gesamtleistung anzugeben. Hier ist lediglich eine Zusage in Höhe der garantierten Renten bzw. Kapitalauszahlungen bzw. eine entsprechende beitragsorientierte Leistungszusage angeraten. Denken Sie aber daran: Prüfen Sie, ob am Laufzeitende alle Beiträge plus Inflationsausgleich (zwischen 2-3 % aktuell, Tendenz steigend) erhalten bleiben, sonst sind Sie für die Differenz in der Haftung!
Zukunft der Absicherung
Im Moment sinken die Gesamtrenditen der Lebens- und Rentenversicherungen stetig. Laut Angaben der Anbieter liegen die Gesamtrenditen (also inklusive Garantie- plus Überschussanteilen) zwischen 2,0 und 3,5%. Im Durchschnitt 2,20 Prozent (2019). Einige Versicherer (laut Angaben des Finanzministeriums jeder 5. Anbieter am Markt) sind schon heute nicht mehr in der Lage, die Altverträge mit bis zu 4% Garantiezinsen zu bedienen und greifen auf alle verfügbaren Reserven zurück, die natürlich auch endlich sind. Auf Bestreben der Versicherungswirtschaft sind die Garantiezinsen für Neuabschlüsse ab 01.01.2017 auf 0,90% (auf den Sparanteil) gesenkt worden. Im Dezember 2019 hat Deutschlands Marktführer die Allianz (ca. 10 Millionen Kunden) verkündet, dass die Gesamtverzinsung 2020 auf 2,5% (statt 2,8 im Vorjahr) gesenkt wird. Die Mehrheit der anderen Anbieter ist dem gefolgt. Merken Sie etwas?
Nun sind die Versicherer auf eine interessante Idee verfallen. Sie lasten das Anlagerisiko auf den Kunden. Es gibt zwar Chancen auf höhere Renditen (an der Börse), aber auch das Risiko des Totalverlustes, wenn es mal schlecht läuft. Um Ihr Eigenkapital zu schonen, werden einfach keine Garantien (z.B. in Form von Altersrenten oder Kapitalzahlungen) ausgesprochen. In der Betrieblichen Altersversorgung ist diese „Wundertüte“ besonders schlimm, da der Arbeitgeber ja für den umgewandelten Lohn haftet. Leider ist auch der Gesetzgeber im „Sozialpartnermodell“ auf diesen Zug aufgesprungen und will sogar Beschäftigte tarifvertraglich zwingen, Geld in Produkte mit ungewissen Auszahlungen zu investieren.
Handlungsoptionen
Gerade bei der Betrieblichen Altersversorgung für die allerdings der Arbeitgeber weitestgehend haftet, muss der Personalverantwortliche genau das Kleingedruckte des Produktes prüfen und einerseits einen finanzstarken Anbieter auswählen – der auch Verluste bei Börsencrashs zugunsten der Garantien ausgleichen kann – sowie die Sinnhaftigkeit eines börsenorientierten Produktes zur Deckung von Versorgungslücken prüfen, da der alte Grundsatz „Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach“ auch hier Geltung entfaltet.
Bei der Betrieblichen Altersversorgung ist eine Ausschreibung – gerade im Vorfeld der Gesetzesänderungen 2020/21 – angeraten, um mehr Einfluss auf das Produkt und die Anbieterauswahl zu erhalten. Zusätzliche Garantiekomponenten, Bruttobeitragsgarantien oder Bonuszahlungen sind bei Ausschreibungen üblich, wohingegen der einfache Privatkunde meist nur reine Fondsprodukte erhält, die oft nicht einmal am Ende die eingezahlten Beiträge erwirtschaften.
Prüfen Sie daher Ihre Verträge, Zusagen und Anbieter auf Herz und Nieren und holen Sie sich dazu einen neutralen Berater, der Anbieter selbst und seine Vermittler können hier nur bedingt – im Rahmen der eigenen Interessenlage – helfen. Experten rechnen mit Umschichtungen von Kapital zwischen starken/solventen und weniger starken Lebensversicherern, was die Krise bei den schwachen Marktplayern verschärfen wird. Gehören Sie nicht zu den letzten, die aufwachen, denn das Knacken im Gebälk wird immer lauter…
Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger. Er berät Ministerien und Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung von Gesetzen sowie Ausschreibungen der Betrieblichen Altersversorgung und ist dem Hause Datakontext als Seminarleiter und Fachautor verbunden. www.nareuisch.de