Free

Berufsausbildung : Digitalisierung in der Ausbildung – was geht?

Corona hat der Digitalisierung einen kräftigen Schub verpasst – in fast allen Bereichen. Unternehmen, die bisher noch nie daran gedacht hatten, mussten ihre Mitarbeiter quasi über Nacht ins Homeoffice schicken. Davon abgesehen sind viele Unternehmen dabei, ihre Abläufe und Prozesse zu digitalisieren. Die Ausbildung kann davon nicht unberührt bleiben. Was also tut sich da?

Lesezeit 3 Min.
Eine Person, die mit einem Stift Notizen aus einem Buch auf ein Tablet macht und dabei traditionelle und moderne Methoden des Lernens und der persönlichen Verwaltung verbindet.

Recruiting

Nicht nur coronabedingt wird das Azubi-Recruiting zunehmend digitalisiert. Die Online-Bewerbung ist inzwischen genauso selbstverständlich wie eine Bewerbung über die Apps spezialisierter Anbieter. Bewerben mit wenigen Klicks und nur den notwendigsten Angaben, Hochladen der Unterlagen – das ist in vielen Betrieben schon Alltag. Wobei die Haltung der jungen Leute dazu durchaus ambivalent ist, wie die aktuelle Studie „Azubi-Recruiting Trends 2020“ des U-Form Verlags zeigt. Eine Bewerbung nur per App stößt bei den jungen Menschen ebenso wenig auf Begeisterung wie eine Bewerbung per Video. Die Mehrheit bevorzugt doch noch den klassischen Weg einer schriftlichen Bewerbung, auch wenn diese ggf. elektronisch hochgeladen wird.

Durch Corona an Bedeutung gewonnen hat das Vorstellungsgespräch im Video-Call. Das wird überwiegend sogar positiv gesehen, weil dadurch die Nervosität geringer ist. Allerdings gibt es hier auch Nachteile, die zwischenmenschlichen Aspekte kommen dabei leicht zu kurz. Auch ist mitunter nicht klar, wer da so alles mithört und zuschaut – eine Frage der Offenheit und Ehrlichkeit auf Seiten der Unternehmen. Eindeutiger Vorteil ist der Wegfall von Reisezeiten und -kosten.

Vor oder nach dem Bewerbungsgespräch ist bei vielen Unternehmen ein Testverfahren fällig. Das kann – je nach Ausgestaltung – ein echter Gewinn für alle Seiten sein, aber auch ordentlich in die Hose gehen. Bedenken auf Seiten der Unternehmen ist die Gefahr, dass jemand anders die Aufgaben löst und nicht der Bewerber selbst. Die Umfrage bei den jungen Kandidaten zeigt aber, dass diese Gefahr tatsächlich nur sehr gering ist. Die jungen Leute sind da sehr ehrlich – auch zu sich selbst.

Schon schwieriger, aber nicht unmöglich, ist die digitale Umsetzung von Assessment-Centern, wie sie auch schon im Ausbildungsbereich von einigen Unternehmen eingesetzt werden. Voraussetzung bei all diesen digitalen Formaten ist eine stabile und ausreichend schnelle Internetverbindung – was leider noch immer nicht überall gewährleistet ist.

Kontakte

Nahaufnahme einer Person, die ein Tablet mit einem Stift und einem Notizblock in der Nähe für Humanressourcen-Aufgaben verwendet.

Für den Informationsaustausch zwischen Ausbilder und Azubi, aber auch der Azubis untereinander sind digitale Medien schon selbstverständlich geworden. WhatsApp für alle? Da ist allerdings in vielen Unternehmen der Datenschutz vor. Oft ist die Nutzung dieses Messengers von Unternehmensseite nicht erlaubt. Dafür gibt es aber einige andere Anbieter, bei denen keine Sicherheitsbedenken bestehen (z. B. Signal).

Vielfach wird sogar eine Krankmeldung über WhatsApp und Co. akzeptiert. Die Kontaktpflege ist insbesondere dann wichtig, wenn sich der Azubi vorübergehend im Homeoffice befinden sollte – aber das ist ein anderes Thema.

Berichtsheft

Muss sein, ist unbeliebt, die Kammern bestehen darauf. Und das zu Recht! Das Berichtsheft hat durchaus seine Funktion – sei es als Nachweis einer ordnungsgemäßen Ausbildung oder als Informationsquelle der Ausbildungsbeauftragten über die bisherigen Themen und Lernerfolge des Azubis.

Aber man kann sich die Arbeit vereinfachen und das Berichtsheft digital führen. Für alle praktisch, kann es so nicht verloren gehen und steht den Berechtigten jederzeit zur Einsicht zur Verfügung. In einigen Regionen spielen allerdings die Kammern noch nicht mit. Einige bestehen dann für die Vorlage des Berichtsheftes bei den Prüfungen auf einen Ausdruck.

Andere sind da schon flexibler und akzeptieren auch eine Datei im PDF-Format.

Es lohnt sich durchaus, ein entsprechendes digitales Produkt anzuschaffen – Anbieter gibt es inzwischen einige.

E-Learning

Zur digitalen Ausbildung gehört ganz selbstverständlich das E-Learning. Je nach Beruf und Branche gibt es bereits umfangreiche Angebote. Insbesondere für die Prüfungsvorbereitung im kaufmännischen Bereich ist das Angebot groß – die Qualitätsunterschiede allerdings auch.

Der Vorteil der digitalen Angebote liegt darin, dass der Azubi zeitunabhängig lernen kann – wenn es eben zeitlich passt. Das macht das ganze Geschehen flexibel und sorgt für hohe Akzeptanz. Zudem kann der Ausbilder den Lernfortschritt überwachen und ggf. eingreifen, wenn die Lernziele nicht erreicht werden.

Virtual Reality

Noch nicht flächendeckend vorhanden, aber in einigen Unternehmen doch schon Standard ist die Arbeit mit Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR). Der Unterschied: Bei VR wird – beispielsweise mit einer VR-Brille – eine künstliche Umgebung simuliert. So kann der Azubi beispielsweise an Maschinen ausgebildet werden, ohne diese tatsächlich vor sich zu haben.

Bei AR wird die Realität mit virtuellen Aspekten zusammengeführt. So steht der Azubi beispielsweise vor einer Maschine, die er warten soll. In die Brille werden dann Hinweise eingeblendet, etwa welche Schrauben gelöst werden müssen oder welche Einstellungen die richtigen sind. Bei beiden Varianten kann der Ausbilder (auch aus der Ferne) an seinem Rechner sehen, was der Azubi sieht und macht. Diese digitalen Formen bieten tolle Möglichkeiten, viele Dinge auszuprobieren, ohne die Gefahr, dass etwas durch fehlerhafte Bedienung kaputtgehen könnte. Gerade in diesem Bereich gibt es noch erhebliches Potenzial – nicht nur für die betriebliche Ausbildung.

Jürgen Heidenreich

Diesen Beitrag teilen: