Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst
Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung; Zustimmungsersetzungsverfahren; Stufenaufstieg nach dem TVöD/VKA; einseitige Erledigungserklärung im Beschlussverfahren; Erledigung des Verfahrens
Orientierungssätze des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.01.2021 – 4 ABR 1/20:
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen nach §99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) umfasst alle Faktoren, die im Zusammenhang mit einer Ein oder Umgruppierung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können. Dazu gehört auch die Änderung der Stufe innerhalb einer Entgelttabelle, wie sie beispielsweise § 16 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst/Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) vorsieht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung nach den tarifvertraglichen Bestimmungen durch reinen Zeitablauf erfolgt oder andere Faktoren maßgeblich sind. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob über einzelne Faktoren der Stufenzuordnung Streit zwischen den Betriebsparteien besteht (Rn. 11).
Erreichen Beschäftigte während eines Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 16 Abs. 3 i. V. m. § 17 TVöD/VKA eine höhere Stufe in der vom Arbeitgeber als zutreffend erachteten Entgeltgruppe, tritt eine Erledigung des Verfahrens ein. Der Arbeitgeber beabsichtigt nicht mehr die ursprüngliche Maßnahme, die Zuordnung zu der betreffenden Entgeltgruppe mit der niedrigeren Stufe der Entgelttabelle. Das Verfahren ist in einem solchen Fall auch dann einzustellen, wenn der Betriebsrat der vom Arbeitgeber abgegebenen Erledigungserklärung widerspricht (Rn. 12 f.).
Teilzeitausbildung; Ausbildungsvergütung; Pro-rata-temporis-Grundsatz
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 01.12.2020 – 9 AZR 174/20:
Nach § 8 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD-BT ist die Höhe der Ausbildungsvergütung in Abhängigkeit von der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden zu bestimmen (Rn. 21 ff.)
Auch die nach § 14 Abs. 1 Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, besonderer Teil (TVAöD-BT) an Auszubildende zu erbringende Jahressonderleistung ist in Abhängigkeit von der Höhe des gemäß § 8 Abs. 1 TVAöD-BT zu zahlenden Ausbildungsentgelts zu berechnen. (Rn. 44).
Vermögenswirksame Leistungen dienen dagegen der langfristigen Vermögensbildung und damit wesentlich anderen Zwecken als die Ausbildungsvergütung. Der Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TVAöD-AT (allgemeiner Teil) honoriert nicht die Leistung des Auszubildenden und ist nicht in Abhängigkeit von der wöchentlichen Ausbildungszeit zu bestimmen. Er steht Auszubildenden, die ihre Ausbildung in Teilzeit absolvieren, nach den Regelungen des TVAöD-AT in ungekürzter Höhe zu (Rn. 47 ff.).

Eingruppierung; Erzieherin in offener Ganztagsschule; Darlegungslast; wertender Vergleich
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 14.10.2020 – 4 AZR 252/29:
- Das Tätigkeitsbeispiel der Protokollerklärung Nr. 6 Buchst. B zu den Tätigkeitsmerkmalen für den Sozial- und Erziehungsdienst im Anhang zu der Anlage C (VKA) zum TVöD, welches seit dem 01.01.2017 inhaltsgleich in Teil B Abschnitt XXIV der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA übernommen worden ist, setzt die Tätigkeit in einer Gruppe voraus, die ausschließlich aus Menschen mit Behinderung oder Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten besteht (Rn. 19).
- Im Eingruppierungsrechtsstreit hat der Kläger nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen diejenigen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, dass seine Tätigkeit die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals einschließlich etwaiger Qualifizierungen im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt (Rn. 30).
- Die Darlegungslast bezieht sich nicht auf die Auslegung der anzuwendenden Tarifvorschriften. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung dem Gericht obliegt. Der Kläger muss (nur) diejenigen Tatsachen beibringen, die dem Gericht die Rechtsanwendung im konkreten Fall ermöglichen (Rn. 31).
- Mit der bloßen Darstellung der ihm im Einzelnen übertragenen Aufgaben genügt der Kläger seiner Darlegungslast dann nicht, wenn die in Anspruch genommene Entgeltgruppe ein Qualifizierungsmerkmal enthält und sich deren genauer Inhalt erst durch einen Vergleich mit der Ausgangsentgeltgruppe erschließt. In diesem Fall hat er auch darzulegen, wodurch sich seine Tätigkeit von der „Normaltätigkeit“ unterscheidet.
- Sind die Anforderungen in der Ausgangsentgeltgruppe durch die Verwendung eines feststehenden Berufsbilds oder mittels rechtlich geregelter Aus- und Weiterbildungen bestimmt, muss der Kläger insoweit nur diejenigen Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass seine Tätigkeit dem Tarifmerkmal der Ausgangsentgeltgruppe entspricht. Die Auslegung des Tätigkeitsmerkmals, die auch die Feststellung umfasst, welche Einzelaufgaben Gegenstand der im Tätigkeitsmerkmal genannten Aus- oder Weiterbildung oder des feststehenden Berufsbilds sind, obliegt hingegen dem Gericht (Rn. 35).
- Die Erfüllung der tariflichen Anforderung „mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten“ i. S. d. Entgeltgruppe S 8b TVöD/VKA durch eine Erzieherin setzt voraus, dass sich ihre Tätigkeit sehr deutlich von der Tätigkeit einer Erzieherin i. S. d. Entgeltgruppe S 8a TVöD/VKA abhebt. Für die Bewertung bedarf es einer Gesamtschau aller quantitativen und qualitativen Elemente der übertragenen Aufgaben (Rn. 42).
Claudia Czingon