Betriebliche Altersversorgung : Fortführung der betrieblichen Altersvorsorge nach einem Arbeitgeberwechsel
Noch immer viel Unsicherheit beim Umgang mit Direktversicherung und Co. – Übernahme, Übertragung oder Verweigerung? Im Beitrag erhalten Sie einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten unter Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen.

Können Sie sich noch an die Zeiten erinnern, als Betriebsrenten das Privileg von Großkonzernen waren? Der Mittelstand kannte Zusagen für Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenleistung nur beim neidischen Blick auf die große Konkurrenz.
Das hat sich nennenswert geändert, als die Lebensversicherungen anfingen, den bAV-Markt für sich zu entdecken. Zunächst hat die Staatliche Förderung der Entgeltumwandlung durch Einführung einer pauschalen Steuer einen Schub gebracht. Der nächste große Schritt wurde gemacht, als der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung eingeführt wurde.
In dieser Zeit war die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte schon in vollem Gange. Noch bis Ende des letzten Jahrtausends waren langjährige Unternehmenskarrieren, die bereits mit der Ausbildung in einem Unternehmen anfingen, nicht gerade selten. Doch nach und nach wurden die Menschen mutiger und ein Arbeitgeberwechsel war immer häufiger karrierefördernd statt -hinderlich. So war der Rechtsanspruch auf Fortführung einer versicherungsförmigen bAV, der es 2005 ins Betriebsrentengesetz geschafft hat, auch nur folgerichtig.
Wirtschaftlicher Blickwinkel
Der mathematische Hintergrund ist klar: Sparverträge, wie sie in Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds üblich sind, entfalten den Zinseszinseffekt umso mehr, je länger sie regelmäßig bespart werden. Ganz abgesehen davon, dass Kosten sehr häufig am Vertragsanfang belastet werden.
Aber die Finanzen bilden selten die Grundlage für arbeitsrechtliche Regelungen. Die Interessen von drei Parteien sind unter einen Hut zu bringen. Ein Blick durch die jeweilige Brille des Beteiligten hilft uns, die Gemengelage zu bewerten.
Abgebender bzw. alter Arbeitgeber:
- Mit einer sauberen Abmeldung über das „versicherungsvertragliche Verfahren“ kann der abgebende Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus einer Direktversicherung grundsätzlich als erledigt betrachten.
Zukünftiger bzw. neuer Arbeitgeber:
- Der neue Arbeitgeber hat zwei Möglichkeiten, die bestehende Versorgung weiterzuführen.
- Übernahme oder Übertragung? Was sind die Unterschiede?
Bei der sogenannten Übernahme wird neben dem Versicherungsvertrag auch die Zusage des alten Arbeitgebers übernommen. Abwicklungstechnisch und wirtschaftlich gesehen erfolgt ein Versicherungsnehmerwechsel. Die bestehende Versicherung bleibt vom Grundsatz her erhalten. Geringfügige Änderungen können sich durch den Verlust von speziellen Sonderkonditionen ergeben.
Anders verhält es sich bei der Übertragung. Hier wird der bestehende Versicherungsvertrag aufgelöst und der Wert des Vertrags auf einen neuen Versorgungsträger bzw. Versicherer übertragen. In diesem Zusammenhang wird eine neue, wertgleiche Zusage erteilt. Der Vorteil dieser Lösung besteht neben der damit verbundenen Vertragshoheit auch in der einheitlichen Vorgehensweise sowie der einfachen Vertragsverwaltung für Arbeitgeber.
Auf diese Umsetzung kann ein Arbeitnehmer bei versicherungsförmigen Zusagen sogar bestehen, wenn er seinen Anspruch innerhalb von 12 Monaten (nach Austritt beim abgebenden Arbeitgeber) geltend macht und die Zusage ab 2005 begründet wurde.
Arbeitnehmer
Der Blick durch die Brille des Arbeitnehmers offenbart, dass das Fortbestehen des existierenden Versicherungsvertrags eher wirtschaftliche als rechtliche Interessen in den Vordergrund rückt. So durften Versicherer noch bis Anfang dieses Jahrtausends Lebens- und Rentenversicherungsverträge mit einem Höchstrechnungszins von vier Prozent ausfertigen. Diese auch als Garantiezins bezeichnete Kalkulationsgrundlage bot Garantieleistungen, die heutzutage ihresgleichen suchen.
Wird eine Übertragung vorgenommen und der Altvertrag aufgelöst, ist zwar die Vergangenheit gerettet, aber die Zukunft wird mit aktuellen Rechnungsgrundlagen fortgeschrieben. Der seit 2022 gültige Höchstrechnungszins beträgt nur noch 0,25 Prozent.
Diese Vorgehensweise führt zu teils schmerzhaften Einschnitten bei den zugesagten Garantiewerten.
Je früher eine Direktversicherung begonnen hat, desto größer ist der nachvollziehbare Wunsch des Arbeitnehmers in Bezug auf eine Weiterführung zu bestehenden Konditionen.
Ergänzend ist hier zu bemerken, dass Versicherungsleistungen neben einer Garantie auch noch Überschüsse erwirtschaften. Die Garantie fixiert die Mindestleistungen, die Überschüsse erhöhen die Werte zusätzlich. Die aktuelle Kapitalmarktsituation bringt es allerdings mit sich, dass Überschüsse stark reduziert werden mussten oder müssen und Gesamtrenditen eher deutlich unter vier Prozent liegen.
Gegenläufige Interessen

Beim Zusammentreffen der Arbeitgeberinteressen und der Arbeitnehmerwünsche lässt sich feststellen, dass es gegenläufige Interessen gibt. Dem nachvollziehbaren Wunsch auf Arbeitnehmerseite, die ursprünglichen Konditionen beizubehalten, stehen die Verantwortung und die Handhabung auf Arbeitgeberseite entgegen.
Rechtskonform ist die Übertragung. Arbeitgebern ist zu empfehlen, eine solche Regelung zum Standard zu machen.
Für Arbeitnehmer ergibt sich noch die Möglichkeit, die Direktversicherung privat fortzuführen. Diese Lösung bedeutet zwar, dass der gesamte Beitrag netto investiert werden muss, aber für die Zeit der privaten Fortführung werden spätere Auszahlungen auch analog zu privaten Sparverträgen versteuert und nicht mit Sozialabgaben belegt.
Der Rechtsanspruch auf Fortführung ist als kleinstmöglicher Nenner für alle Beteiligten zu verstehen. Liegt der ursprüngliche Vertragsbeginn noch nicht sehr lange zurück, sind die Garantien aus den Verträgen auch längst nicht mehr so weit entfernt von heutigen Kalkulationen, sodass sich mit der Übertragung ein praktikabler Weg etabliert hat.
Arbeitgeber sind gut beraten, bereits ab dem Recruiting neuer Mitarbeiter die Regelungen zu bestehenden bAV-Verträgen klar zu kommunizieren. Das sorgt zum einen für klare Verhältnisse und zum anderen wird gleich mit Kompetenz gepunktet.
Martin Stolzenburg, „Mister bAV®“