Offener Brief
Desk-Sharing
Mein Chef ist sparsam – was ja eigentlich nichts Schlechtes ist. Aber manchmal übertreibt er es, wie ich finde. Corona hat ihn auf die Idee gebracht: Homeoffice ist o.k., zumindest teilweise. Hin und wieder sollen wir aber noch im Büro auftauchen. Oder können – wenn man zu Hause nicht so richtig arbeiten kann. Sie wissen schon: Ehepartner und Kinder zu Hause, vielleicht auch noch der Hund – da lässt es sich nicht in Ruhe arbeiten. Und der Platz am Küchentisch ist auf Dauer auch nicht sonderlich bequem. Wir können also auch zurück ins Büro – aber nicht wie vorher!
Die Bürofläche wurde schon kräftig verkleinert – muss ja nicht alles leer stehen. Das Dumme ist nur: Mein Schreibtisch ist weg! Klar, war nicht wirklich meiner, gehört ja meinem Chef. Aber ich habe ihn genutzt und geliebt. War schon sehr persönlich, mit den Bildern der Familie (und des Hundes), ein paar Blümchen (meist vertrocknet, aber der gute Wille zählt ja), bunten Zeichnungen meiner Jüngsten und einigen persönlichen Dingen mehr.
Gibt es nicht mehr! Alles muss in einen kleinen Kasten passen. Ansonsten gilt das papierlose Büro, persönliche Dinge unerwünscht. Na, wie denn auch, wenn man jeden Tag an einem anderen Platz sitzen muss? Da vergeht zu viel Zeit mit der Einrichtung des Platzes und abends mit dem Einpacken. Ich weiß ja auch gar nicht, wo ich morgen sitzen werde. Ich muss mich für den nächsten Tag immer elektronisch anmelden und der Computer entscheidet, auf welchem Platz ich mich ausbreiten kann.
Ich habe zwar mein Notebook, das ich dann am Arbeitsplatz einstöpseln muss – Bildschirm, Tastatur und Maus sind immer vorhanden. Aber da geht es schon los: Wir haben auch Linkshänder, die dann die Maus verstellen. Und wie die Tastatur manchmal aussieht: Brötchenkrümel, Staubflusen und andere, meist undefinierbare Hinterlassenschaften der Kollegen. Zugegeben, meine Tastatur sah früher auch nicht immer klinisch rein aus, aber da wusste ich wenigstens, dass das mein eigener Schmutz war.
Manchmal habe ich so meine Probleme mit der neuen Zeit – dabei bin ich doch noch gar nicht so alt. Aber liebe Gewohnheiten zu verändern, das fällt eben nicht immer leicht. Ich werde mir wohl doch noch einen anständigen Schreibtisch und einen Stuhl für zu Hause besorgen. Dann setze ich mir Kopfhörer auf, um den Lärm von Kindern und Co. auszublenden, klebe die Fotos und Bilder meiner Kleinen an die Wand vor mir und träume mich in mein altes Büro zurück. Mal sehen, was dann als Nächstes kommt.
Nicht, dass Sie denken, ich wäre altmodisch – ich hänge nur an meinen Gewohnheiten. Wie übrigens die große Mehrheit der Menschen. Gewohnheiten zu verändern, ist mit das Schwierigste – jeder, der sich schon mal das Rauchen abgewöhnen wollte, weiß das. Mit dem Rauchen habe ich aufgehört – mal sehen, ob mir das mit dem Schreibtisch auch gelingt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohes Schaffen – an welchem Schreibtisch auch immer.
Ihr Felix, der Glückliche