Betriebliche Altersversorgung : Wichtige Urteile zur Beratung bei der betrieblichen Altersvorsorge
Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) spielt in der Lohnabrechnung eine durchaus wichtige Rolle. Fakt ist: Bei diesem Thema gibt es immer wieder reichlich Beratungsbedarf. Allein auf die Aussagen der Versicherungsvertreter zu vertrauen, wäre fahrlässig. Schließlich wirft dieses Thema auch viele lohnsteuer- und eben auch sozialversicherungsrechtliche Fragen auf. Hier sollten Mitarbeiter in der Personalabteilung und in den Steuerkanzleien gut aufgestellt sein. Der folgende Beitrag soll dabei unterstützen und wichtige Rechtsprechung zum Thema bAV vermitteln.

Hinweispflichten der Arbeitgeber zu Entgeltumwandlungen zugunsten der bAV
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 21.01.20141 die wichtige Frage zu klären, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, ihre Arbeitnehmer hinsichtlich der Möglichkeiten einer Entgeltumwandlung zugunsten der bAV zu beraten.
Die dabei vom BAG getroffene Kernaussage ist einerseits wichtig und andererseits auch erfreulich für Arbeitgeber: „Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG [Betriebsrentengesetz] hinzuweisen.“
Es liegt im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, wie er über sein Arbeitsentgelt verfügen möchte. Wenn Arbeitnehmer Entgelt zum Zwecke der betrieblichen Altersvorsorge verwenden wollen, liegt es an ihnen, die Entgeltumwandlung zu beanspruchen. Erst wenn der Arbeitnehmer die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Entgeltumwandlung durchgeführt werden soll, getroffen hat, ist der Arbeitgeber zur Mitwirkung durch Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung zur Durchführung der Entgeltumwandlung verpflichtet.
Arbeitgeberhaftung bei fehlerhafter Beratung zur Entgeltumwandlung
Folgenden Sachverhalt hatte das BAG am 18.02.20202 zu klären:
Der Kläger schloss im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen musste der Kläger (aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003) jetzt auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten. Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge von der Beklagten (der ehemaligen Arbeitgeberin). Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. In diesem Fall hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.
Hier hatte das BAG eine für Arbeitgeber sehr wichtige Entscheidung getroffen: „Der Arbeitgeber haftet für Schäden, die ein Arbeitnehmer aufgrund einer fehlerhaften Auskunft zu einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erleidet, auch wenn der Arbeitgeber zu der Auskunft nicht verpflichtet war.“
Das BAG hatte diese Aussage wie folgt begründet:
Der Arbeitgeber hat zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssten diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls hafte der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet.
Wichtig
Auf der Betriebsversammlung im Jahr 2003 (bei der ein Fachberater der Sparkasse über die Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge vorgetragen hatte) ist über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Insofern traf den Arbeitgeber hier letztlich keine Schadensersatzpflicht.
Tipp: Arbeitgeber sollten vor diesem Hintergrund sehr vorsichtig und vor allem rechtlich korrekt in der Beratung der eigenen Mitarbeiter hinsichtlich der betrieblichen Altersvorsorge vorgehen. Je umfangreicher die bAV angelegt werden soll, je mehr Arbeitnehmer betroffen sind, desto wichtiger wird es für Arbeitgeber, hier lieber auf das Fachwissen eines zertifizierten bAV-Beraters zurückzugreifen. Im Zweifel müsste ein bAV-Berater – anders als ein Versicherungsvertreter – auch für seine Beratung selbst haften.
Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen
Am 01.04.2019 musste das Bundessozialgericht (BSG) die Frage klären, ob auch Kapitalleistungen aus Direktversicherungen beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind.
Hier hatte das BSG eine für Arbeitnehmer sehr wichtige Entscheidung getroffen: „Kapitalleistungen aus Direktversicherungen sind in der gKV [gesetzliche Krankenversicherung] und sPV [sozialen Pflegeversicherung] als betriebliche Altersversorgung beitragspflichtig.“
Das hatte das BSG seinerzeit wie folgt begründet:
Wie der Senat bereits in zwei Urteilen am 26.02.20184 entschieden hat, ist die Beitragspflicht nicht durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17.08.2017 entfallen, welches seit 01.01.2018 die betrieblichen „Riesterrenten“ von der Beitragspflicht ausnimmt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt insoweit nicht vor. Die Betriebsrentenarten werden im Wesentlichen gleichbehandelt, weil sie jeweils nur einmal der vollen Beitragspflicht unterliegen, die „Riesterrenten“ in der Ansparphase, die übrigen Betriebsrenten in der Auszahlphase. Soweit die betrieblichen „Riesterrenten“ in der Auszahlphase isoliert betrachtet unterschiedlich behandelt werden, ist die Neuregelung als Teil eines arbeits-, steuer- und grundsicherungsrechtlichen Gesamtkonzepts durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut gerechtfertigt.
Im Ergebnis müssen Arbeitnehmer sich bei Abschluss einer bAV immer im Klaren darüber sein, dass die angestrebte Betriebsrente (oder Kapitalabfindung) für Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen als Versorgungsbezug (§ 229 Sozialgesetzbuch (SGB) V) zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählt. Sprich: Gesetzlich Krankenversicherten werden in der Auszahlungsphase auf ihre Betriebsrenten (bzw. Kapitalabfindungen) Krankenund Pflegeversicherungsbeiträge zahlen. Das ist unter anderem ein Punkt, den es zu beachten gilt, wenn die Frage anstehen sollte, ob jemand die private Krankenversicherung (wieder) verlassen und Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse werden möchte. Bei privat Krankenversicherten spielen Betriebsrenten bei der Höhe der Versicherungsprämien keine Rolle.
Jörg Romanowski, Diplom-Verwaltungswirt (FH), Rentenberater