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Silhouetten von Figuren in einem Moment der Personalvernetzung vor grünem Hintergrund.

Geringfügig entlohnte Beschäftigung und unvorhersehbares Überschreiten

Es geht um das unvorhersehbare Überschreiten der Entgeltgrenze bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung. Bis zum 30.09.2022 war ein dreimaliges unvorhersehbares Überschreiten zulässig; ab dem 01.10.2023 nur noch ein zweimaliges unvorhersehbares Überschreiten. Sind die Zeiten des unvorhersehbaren Überschreitens bis zum 30.09.2022 für Beurteilungen ab dem 01.10.2023 zu berücksichtigen oder fängt es aufgrund der Neuregelung wieder „bei null“ an?

Seit dem 01.10.2022 ist ein gelegentliches unvorhersehbares Überschreiten in bis zu zwei Kalendermonaten innerhalb eines Zeitjahres unschädlich. In diesen Fällen darf das monatliche Arbeitsentgelt maximal das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze betragen (= 1.040 Euro). Die Überprüfung des unvorhersehbaren Überschreitens erfolgt auf Basis des zurückliegenden Zeitjahres. Dabei wird vom letzten Tag des zu beurteilenden Beschäftigungsmonats ein Jahr zurückgerechnet.

Das Zeitjahr entspricht einem Zeitraum von 12 Monaten, welcher mit dem Kalendermonat endet, für den aktuell die Beurteilung des Versicherungsstatus wegen nicht vorhersehbaren Überschreitens erfolgen soll. Das Zeitjahr bezieht sich auf die zu beurteilende Beschäftigung. Sofern die Beschäftigung bereits vor dem 01.10.2022 bestanden hat, sind diese Zeiten für die Beurteilung des zulässigen unvorhersehbaren Überschreitens mit zu berücksichtigen. Die zum 01.10.2022 in Kraft getretene Neuregelung führt nicht zu einem geänderten Zeitjahr.

Sofern z. B. die Geringfügigkeitsgrenze im April 2023 unvorhersehbar überschritten wird und im Jahr 2022 in den Monaten Juli und August ein unvorhersehbares zulässiges Überschreiten vorgelegen hat, wäre die Beschäftigung im April nicht mehr geringfügig entlohnt, da mit dem April das dritte Überschreiten vorliegen würde und nach der Neuregelung ab dem 01.10.2022 nur noch ein zweimaliges Überschreiten zulässig ist.

Befreiungsantrag private Krankenversicherung (PKV)

Ein privat krankenversicherter Mitarbeiter hat sich zum Jahreswechsel 2021/2022 wegen Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze von der eintretenden Versicherungspflicht befreien lassen. Zum 01.04.2023 geht dieser Mitarbeiter von Vollzeit in Teilzeit (80 Prozent). Ist es korrekt, dass der Befreiungsbescheid mit dem Wechsel in die Teilzeit seine Gültigkeit verliert und Krankenversicherungspflicht aufgrund des Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze durch die Teilzeit eintritt, da für die 80-prozentige Teilzeit kein neuer Befreiungsantrag gestellt werden kann?

Arbeitnehmer, die wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungspflichtig werden, können sich von der eintretenden Versicherungspflicht befreien lassen (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V). Die Befreiung wirkt tatbestandsbezogen auf das jeweilige Versicherungsverhältnis, das zur Befreiung geführt hat. Die Befreiung gilt für die derzeit aktuelle Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde (Hinweisschreiben vom GKV-Spitzenverband vom 20.03.2019, Seite 22 unter Punkt 7.2). Für die Dauer der Beschäftigung bleibt in diesen Fällen die Versicherungsfreiheit bestehen, sodass bei einem späteren Wechsel in Teilzeit ein von der Versicherungspflicht befreiter Arbeitnehmer nicht krankenversicherungspflichtig würde.

Der Befreiungsbescheid behält seine Gültigkeit bis zum Ende der Beschäftigung. Somit tritt zum 01.04.2023 in Ihrem Beispiel keine Versicherungspflicht ein. Der Befreiungsbescheid verliert grundsätzlich seine Gültigkeit bei einem Arbeitgeberwechsel oder bei Arbeitslosigkeit. Die Befreiung würde allerdings fortgelten, wenn in unmittelbarem Anschluss an die vorherige Beschäftigung oder nach einer kurzfristigen Unterbrechung (Zeitraum von bis zu einem Monat, in dem kein anderer Versicherungspflichttatbestand vorliegt) eine neue Beschäftigung aufgenommen wird, die grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig wäre.

Berechnung des Jahresarbeitsentgelts zur Beurteilung der Krankenversicherungspflicht/-freiheit

Wie wirken sich Entgeltumwandlungen zugunsten eines Jobrads und von Mitarbeiter-PC-Programmen auf das Jahresarbeitsentgelt der Mitarbeiter/innen aus?

Bis zum 31.12.2021 führte eine Entgeltumwandlung unter den Voraussetzungen, dass der Verzicht nicht nur vorübergehend erfolgt, sich auf künftig fällig werdende Entgelte bezieht und arbeitsrechtlich zulässig ist, zur Beitragsfreiheit der daraus resultierenden Arbeitgeberleistung. Seit dem 01.01.2022 orientiert sich das Beitragsrecht an den Kriterien des steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis nach § 8 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), was dazu führt, dass bei Entgeltumwandlungen die Zusätzlichkeit nicht erfüllt ist.

Seit dem 01.01.2022 ist entscheidend, ob im Steuer- und oder Beitragsrecht das Zusätzlichkeitserfordernis besteht.

Entgeltumwandlung Jobrad:

Wenn die Versteuerung mit dem geldwerten Vorteil erfolgt, ist weder im Steuer- noch im Beitragsrecht eine Zusätzlichkeit gefordert. Eine Entgeltumwandlung ist zulässig und sozialversicherungsfrei und reduziert damit das Jahresarbeitsentgelt (der geldwerte Vorteil ist sozialversicherungspflichtig und gehört zum Jahresarbeitsentgelt). Wird die Entgeltumwandlung widerrufen, ist das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt zum Zeitpunkt des Widerrufs neu zu berechnen.

Entgeltumwandlung PC-Programme für Mitarbeiter:

Die private Nutzung betrieblicher Datenverarbeitungs-/Telekommunikationsgeräte ist steuerfrei nach § 3 Nr. 45 EStG. Steuerrechtlich besteht kein Zusätzlichkeitserfordernis. Auch eine Entgeltumwandlung wäre steuerfrei.

Sozialversicherungsrechtlich besteht allerdings ein Zusätzlichkeitserfordernis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungs-Entgeltverordnung (SvEV). Entgeltumwandlungen sind somit sozialversicherungspflichtig und gehören zum Jahresarbeitsentgelt. Eine Entgeltumwandlung wirkt sich in diesen Fällen nicht auf das Jahresarbeitsentgelt aus.

Hinweis

Für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 37 EStG muss das Jobrad vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Bei einer Entgeltumwandlung ist die Steuer- und Beitragsfreiheit ausgeschlossen.

Alga
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Sabine Törppe-Scholand
Leiterin der alga-Akademie und
Mitglied des alga-Competence-Centers

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