Wird weniger mehr? : Wie die Suche nach Sinn die Arbeitswelt verändert
Wenn es um die derzeit viel diskutierte Sinnfrage geht, dann könnte die „Wunschliste“ auch endlos werden, weil sich bei der Beschäftigung mit Sinnsuche und Arbeit viele Themen ver- und untermischen: Entlohnung, Benefits, Leadership, Unternehmenskultur oder Lebensführung.
Im gleichen Atemzug wird dabei sehr oft von Lohnverzicht gesprochen, als gehe es um „persönlichen Extraluxus“ der anderen Art. Was kann und soll also die „Lösung“ sein, wenn es um die Frage nach mehr Sinn im Arbeitsleben geht?
„Karriere ist etwas Herrliches,
aber man kann sich nicht in einer
kalten Nacht an ihr wärmen.“
– Marilyn Monroe –
Geld ist doch nicht „alles“?
Viel diskutiert ist weiterhin die Vier-Tage-Woche als Instrument zur Steigerung der Lebensqualität. Unter welchen Umständen will man (dabei) sogar auf Geld verzichten? Hier gelingt es leichter, zu sagen, was gegen Einbußen im Einkommen spricht: Der Verzicht sollte im Grunde niemals in Richtung Existenzminimum (oder darunter) führen. Die gewünschte geringere Arbeitslast steht in enger Verbindung zur angestrebten gesundheitlichen Entlastung. Die Sehnsucht nach echter „Quality“-Time (gerade in Bezug auf das Familien- und Privatleben) wird sehr oft mit der Frage der Flexibilität verknüpft. Immer weniger Menschen wollen inzwischen als „Extreme Commuter“ auf der Strecke bleiben und sind dazu bereit, mehr als 90 Minuten für einen Weg mit Bus, Bahn oder Flugzeug zu pendeln. Wertvolle (verlorene) Lebenszeit scheint zunehmend „unbezahlbar“. Deutlich gesunken ist auch die Anzahl der Menschen, die bereit sind, „miese Jobs“ aushalten, selbst wenn das Gehalt stimmt. Der Arbeitnehmermarkt lässt laut grüßen!
New Mindset for Future?
Es kristallisieren sich folgende Faktoren heraus: die Loslösung der Arbeit von starren Komponenten und die Frage der Grundlage der Bezahlung. Es ist immer noch viel zu sehr tabuisiert, über das Gehalt zu sprechen: Man wird bezahlt für die „anwesende“ Zeit, denn so gut wie immer geht es auch bei neuen Job-Offerten um eine klar definierte Wochenarbeitszeit. Außen vor bleiben Belohnungsfaktoren wie: (tatsächliche) Leistung und Loyalität, Einsatz und Engagement oder Kreativität. Wenn es eine wirkliche Transparenz gebe, wie man zu seiner „gerechten“ Entlohnung kommt, dann wäre die Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen nicht existent. Gerade dann, wenn es ums Geld geht, sollten sich Unternehmen noch besser ihrer Spielräume bewusst werden, bevor sie ans „Kandidaten-Fischen“ gehen. Wie kann eine Anpassung der gesamten Vergütungsstruktur erfolgen? Wann braucht man eine Einmalzahlung, wie etwa eine Bleibeprämie oder einen Retention-Bonus? Welche weiteren Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung gibt es in Form von Sachleistungen wie: Gutscheine, IT-Ausstattung oder E-Auto- bzw. (E-) Fahrrad-Angebote? Ein großer Faktor bei der Sinnsuche bleibt: Das (Arbeits-) Leben soll lebenswert sein. Egal, wie hoch Unternehmen vielleicht selbst gern ihre Werte hängen würden, nicht jedes Unternehmen eignet sich oder wird in der Lage dazu sein, eine „soziale Marke“ zu werden.
Nur noch Weltretter unterwegs?
Geworben wird gerade lautstark für Jobs mit „echter“ Zukunft. Dafür sucht zum Beispiel die Energiebranche Job-und Quereinsteiger, die Lust haben, gleich die ganze Welt zu retten, indem sie die Energiewende mit erneuerbaren Energien einleiten. Aber auch namhafte Krankenkassen suchen bereits solche „Weltretter“ – dabei wäre eine völlige Kundenzufriedenheit im Namen der Gesundheit schon ein ambitioniertes und ehrgeiziges Ziel. Bodenständig bricht es das Karlsruher Sanitäts-Unternehmen Ernst Wohlfeil GmbH „herunter“ und bringt Zukunftsaspekte, junges Wachstum und Nachhaltigkeit mit der Jobkampagne „kleine Hände – große Zukunft“ für Klima- und Energiethemen auf den Nenner: „Heizung aufdrehen im Winter? Klimaanlage an im Sommer? Eine ordentliche Dusche jeden Tag? Und das mit immer mehr Klimaschutz durch effizientere und erneuerbare Energietechnik?“ Die Suche nach Sinn sollte im Recruiting nicht nur abheben, sondern gleichzeitig erden, verwurzeln und gemeinsames Wachstum ermöglichen. Arbeitnehmer wollen sich für ihre innere Zufriedenheit bei der Arbeit mehr mit dem Produkt, ihrer Tätigkeit, ihren Aufgaben und dem Unternehmen identifizieren.
Einfach „nur erfüllt“?
Der Wunsch nach einem schönen und angenehmen Arbeitsleben ist viel mehr als die Frage nach dem FunFaktor. Es sollte längst klar geworden sein, dass gratis Wasser und Kaffee am Arbeitsplatz als „Benefits“ eher geizig anmuten. Für Verfechter der bewussten Ernährung wäre ein gemeinsamer „Veganuary“ im Unternehmen oder zumindest im Team bereits ein schöner Anfang, indem man sich zu einer alternativen Ernährungshaltung – wie etwa durch den gemeinsamen Verzehr von veganen Speisen – zusammenfindet. Was manche noch als eine Form von exotischen Extra-Allüren werten, kann anderen schon „die Welt bedeuten“. Es wird jedenfalls auch zunehmend an Bedeutung gewinnen, die mentale Gesundheit von Mitarbeitern nachhaltig zu stärken. Denn diese sollen ja leistungsfähig und motiviert sein, um stets ihr Bestes geben zu können und zu wollen – des unternehmerischen Erfolgs und auch der gemeinsamen Ziele wegen.
Better Leadership als Lösung?
Weil sich gerade auch Jüngere wünschen, dass aus Führung Beziehung wird, wollen sie keine Vorgesetzten, die sie bei ihrer Entwicklung wie „Erziehungsberechtigte“ von oben herab behandeln. Das Thema Augenhöhe steht genauso weit vorn wie der erklärte Wunsch, dass Führungskräfte sich als Teil des Teams zeigen. Ebenso wenig, wie Mitarbeiter als sich Leistungsmelkmaschinen eingesetzt sehen wollen, die stur ihr Pensum abarbeiten, sollten sich Arbeitgeber als mehr oder minder großzügige „reine Lohnspender“ sehen.
Fazit
Es geht bei der viel diskutierten Sinnsuche darum, gleichsam ein Arbeitsverhältnis und eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die Mitarbeiter begeistert und bindet. Menschen wollen Teil von etwas Größerem sein und nicht nur ein beliebig austausch- und ersetzbares Puzzlestück. Sie wollen gemeinsame Ziele verfolgen. Jeder hat natürlich dabei weiterhin seine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse – auch in Bezug darauf, wie viel Zeit letztlich in die Arbeit investiert werden soll. Die Herausforderung und große Kunst wird es sein, sich für den jeweiligen Mitarbeiter in seiner passenden Matrix zu bewegen, in der er so individuell wie möglich wahrgenommen und passend eingesetzt wird, um gemeinsam erfolgreich und glücklich – und natürlich maximal sinnvoll für alle – beschäftigt zu werden.
Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin + Recruiting-Spezialistin