Ein Risikoinvestment für Arbeitgeber : „Headhunter“
Von einem „War for Talents“ zu sprechen, ist in der aktuellen Weltlage sicherlich nicht mehr angemessen. Dennoch kämpfen Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels um qualifizierte und motivierte Arbeitnehmer.
Viele bieten neben attraktiven Gehältern weitere Benefits wie z. B. Mobilarbeit – auch im Ausland – und Sachleistungen, wie etwa unterstütztes Fahrradleasing, an, um Talente von sich zu überzeugen. Dennoch findet sich häufig nicht unmittelbar das perfekte Match. Hier kommen oftmals Personalvermittler (sogenannte „Headhunter“) ins Spiel. Sie sprechen aussichtsreiche Bewerber initiativ an und stellen Kontakte zu Arbeitgebern her. Allerdings sind sie sehr kostspielig. Arbeitgeber wollen, dass sich diese Investition auszahlt. Es liegt nahe, sich die Provisionskosten von neuen Arbeitnehmern erstatten zu lassen, sollten diese schnell wieder kündigen.
Zu solchen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun erstmals Stellung bezogen.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.06.2023 – 1 AZR 265/22
Der Arbeitnehmer schloss mit dem Arbeitgeber Ende März 2021 einen Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn zum 01.05.2021.
Das Arbeitsverhältnis kam durch Vermittlung eines Personalvermittlers zustande, der eine Provision in Höhe von insgesamt 6.695,40 Euro erhalten sollte. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, nach der der Arbeitnehmer die Provision erstatten musste, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 14 Monaten durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder durch eine vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlasste Kündigung des Arbeitgebers enden würde. Der Arbeitnehmer hatte in den vorherigen 24 Jahren insgesamt 21‑mal seinen Arbeitgeber gewechselt. Auch hier kündigte der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bereits zum 30.06.2021, also nach zwei Monaten der Beschäftigung. Daraufhin zahlte der Arbeitgeber ca. 800 Euro der noch ausstehenden Bezüge unter Hinweis auf den Erstattungsanspruch für die Vermittlungsprovision nicht aus.
Der Arbeitnehmer klagte und hatte in allen Instanzen Erfolg.
Die Entscheidung
Das BAG entschied, dass die Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, weil sie auch dessen Eigenkündigung erfasst. Er wird dadurch in seinem Recht auf eine freie Wahl des Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) beeinträchtigt, weil ihn die drohende Rückzahlung zum Bleiben bis zum Ablauf der Frist drängt.
Diese Beeinträchtigung wird nicht durch das an sich legitime Interesse des Arbeitgebers aufgewogen, die Arbeit des leistungsstarken Arbeitnehmers möglichst lange in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber kann das finanzielle Risiko der Personalvermittlung nicht auf den Arbeitnehmer übertragen. Die Rechtsprechung des BAG zur Rückforderung von Aus- und Fortbildungskosten kann auch nicht übertragen werden. Denn die Kenntnisse aus Fortbildungen kann der Arbeitnehmer gewinnbringend bei anderen Arbeitgebern verwerten. Das ist bei einem zustande gekommenen Arbeitsverhältnis anders, da dies gerade keinen vergleichbaren bzw. gleichwertigen Vorteil für den Arbeitnehmer bietet. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer sehr lukrativ oder passend erscheint. Auch die besonders häufigen Arbeitgeberwechsel des Arbeitnehmers aus der Vergangenheit begründen kein legitimes Interesse des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hatte dieses Risiko wohl bereits vor Vertragsschluss erkannt und ist es bewusst eingegangen.
Alternative Gestaltungsmöglichkeiten
Alternativ verweist das BAG auf andere vertragliche Methoden zur Mitarbeiterbindung. Empfehlenswert ist hier nur die Verlängerung der Kündigungsfrist schon in der Probezeit in Kombination mit einer Vertragsstrafe, sollte der Arbeitnehmer die Kündigungsfrist missachten.
Praxishinweis
Das BAG stellt klar, dass Rückzahlungsklauseln für Headhunter-Kosten bei Eigenkündigungen grundsätzlich und nicht nur im Einzelfall unzulässig sind. Das schafft zwar Rechtssicherheit, wird aber nicht allen Einzelfällen gerecht. Wenn ein Bewerber in der Vergangenheit oft den Arbeitgeber gewechselt hat, wird die Einstellungswahrscheinlichkeit durch die Beteiligung an Headhunter-Kosten erhöht. Auch im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wohl nicht ohne die Rückzahlungsklausel eingestellt. Auch zeigt eine Befragung des Statistischen Bundesamtes, dass ein häufiger Arbeitgeberwechsel in der mittlerweile schnelllebigen Arbeitswelt kein Einzelfall mehr ist. Waren 2012 noch 48,3 Prozent der Befragten länger als zehn Jahre beim selben Arbeitgeber, sind es heute nur noch 42,8 Prozent.
Dazu poliert ein neuer Arbeitsplatz gerade bei renommierten Arbeitgebern den Lebenslauf auf und nützt dem Arbeitnehmer damit für sein zukünftiges Berufsleben. Um sich langfristig beruflich weiterzuentwickeln, sind nicht nur Zertifikate über Weiterbildungen (wie das BAG dies in dem Urteil andeutet), sondern auch Praxiserfahrung, ein ausgebautes Netzwerk und gute Zeugnisse unerlässlich.
Eine andere Variante wäre, das Arbeitsverhältnis zunächst für die Probezeit zu befristen. Gefragte Arbeitnehmer werden sich jedoch kaum auf eine Befristung einlassen und dann lieber beim Wettbewerber unterschreiben. Eine Probezeitbefristung kann zudem mehr schaden als nützen. Hier ist zwar die ordentliche Kündigung während der Probezeit gemäß § 15 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ausgeschlossen. Mit Ablauf des Befristungszeitraums von maximal sechs Monaten endet das Arbeitsverhältnis aber automatisch. Überlegt ein Arbeitnehmer in dieser Situation zu wechseln, wird er voraussichtlich keine Vertragsverlängerung unterschreiben. Er muss dann nicht einmal die – eher mentale – Hürde der Kündigungserklärung überwinden, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Rückzahlung der Headhunter- Kosten bei Arbeitgeberkündigung möglich?
Positiv fällt auf, dass das BAG offen gelassen hat, ob eine Rückzahlungspflicht bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig sein kann. In Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erklärt, könnten Rückzahlungsvereinbarungen daher wirksam sein. Unter welchen Parametern dies der Fall ist, ist aber nicht abzuschätzen. Wenn überhaupt dürfte das BAG dies nur in sehr engen Grenzen erlauben. Denn auch bei einer Arbeitgeberkündigung hat der Arbeitnehmer keinen Vorteil erhalten, den er außerhalb des Arbeitsverhältnisses nutzen könnte. Die Haltefristen dürften kaum länger als sechs Monate sein.
Fazit
Der Fall macht deutlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon vor der Einstellung ihre Interessen offen und ehrlich kommunizieren sollten. Dadurch wird das Risiko eines „bösen Erwachsens“ minimiert. Sobald sich eine Partei für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschieden hat, wird man mit Druck und Zwang nur noch wenig Begeisterung und Motivation bei der anderen Partei herbeiführen – erst recht nicht für die Bezahlung des Headhunters.