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Auf dem Weg zur Transparenz : Nachhaltig familienbewusst

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt vor allem den Mittelstand vor Herausforderungen, denn der Bericht verlangt neben Angaben zur Klimapolitik auch Informationen zu sozialpolitischen Aspekten. Zwei Unternehmen zeigen auf, wie sie das Thema strategisch umgesetzt haben.

Lesezeit 7 Min.

Die kürzlich in Kraft getretene EU-Richtlinie ‚Corporate Sustainability Reporting Directive‘ (CSRD) verpflichtet Unternehmen dazu, ihre ökologischen und sozialen Kennzahlen transparent zu kommunizieren. Verpflichtend für den Nachhaltigkeitsbericht ist eine sogenannte Wesentlichkeitsanalyse. Dabei geht es darum, die Themen zu identifizieren, die für das Unternehmen und die Stakeholder einen großen Impact haben. Viele Unternehmensbereiche, darunter auch die Personalabteilungen, sind allerdings auf die Herausforderung noch nicht vorbereitet.

Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, bei der rund 160 mittelständische Unternehmen befragt wurden, kam zu dem Ergebnis, dass Nachhaltigkeit oft von dringenderen Themen, zum Beispiel den immens gestiegenen Energiekosten, überlagert und auch nicht strategisch angegangen wird. Es wird höchste Zeit, das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) mit dem Fokus auf alle drei Teilbereiche in der Unternehmensstrategie ganzheitlich zu verankern und das Geschäftsmodell daran zu orientieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein.

ESG ist ein interdisziplinäres Rahmenwerk, bei dem sämtliche Prozesse entlang der Wertschöpfungskette geprüft werden: unter anderem von der Beschaffung über die Produktentwicklung und das Rechnungswesen bis hin zu Vertrieb und HR. Nachhaltiges Personalmanagement ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine Investition in den Kern von ESG. Um den Nachhaltigkeitsbericht glaubwürdig zu gestalten, sollten auch Aspekte rund um eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik eingebunden werden. Die berufundfamilie Service GmbH begleitet Unternehmen im Rahmen eines Auditierungsprozesses dabei, individuelle Ziele und passgenaue Maßnahmen zu einer besseren Work-Life-Balance zu entwickeln.

Underberg steht für familienfreundliche Kultur

Die Semper idem Underberg AG, Hersteller von Premium-Spirituosen, ist ein Familienunternehmen aus Rheinberg mit rund 240 Mitarbeitenden. Bereits zum achten Mal wurde das Unternehmen für die Erreichung seiner Vereinbarkeitsziele zertifiziert. „Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie, bei der ökologische, ökonomische und soziale Faktoren in Einklang gebracht werden.

Dieser Ansatz kennzeichnet unser im Jahr 2022 veröffentlichtes Nachhaltigkeitsleitbild“, sagt Nadine Sommer, Teamleiterin HR Business Partner. Mit dem Nachhaltigkeitsbericht, der noch in diesem Jahr veröffentlicht werden soll, will der Mittelständler seine langjährigen Aktivitäten noch transparenter machen. Grundlage des Berichts bildet die Wesentlichkeitsanalyse mit Fokusthemen; eines davon ist die soziokulturelle Verantwortung

In interdisziplinär besetzten Workshops haben die Mitarbeitenden die Chancen und Risiken der Fokusthemen analysiert und unter anderem die Frage diskutiert: Wie können wir dem demografischen Wandel begegnen? Das Employer Branding weiterzuentwickeln, die Personalentwicklung zu fördern und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als Teil einer lebensphasenorientierten Familienpolitik zu unterstützen, sind Chancen für die nachhaltige Mitarbeitergewinnung und -bindung und gleichzeitig Ausdruck einer familienfreundlichen Unternehmenskultur. „Mit dem audit berufundfamilie können wir regelmäßig unsere Prozesse überprüfen und weiterentwickeln. In den vergangenen Jahren haben wir die Vereinbarkeit durch eine verstärkte Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort weiter verbessert“, sagt Nadine Sommer. Neben diesen unternehmensweiten Regelungen wurden auch individuell abgestimmte Maßnahmen getroffen, um

Mitarbeitende mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen zu unterstützen. Zum Beispiel wurden hier die Vereinbarungen zum mobilen Arbeiten weiter ausgeweitet.

Ausbau des Lernangebots

Jahresgespräche und Mitarbeitendenbefragungen dienen dazu, Bedürfnisse einer diversen Belegschaft zu ermitteln. Basierend auf dem Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung hat der Mittelständler sein Lernangebot ausgebaut: „Zugunsten einer orts- und zeitunabhängigen Weiterbildung haben wir ergänzend zu den Präsenzveranstaltungen ein digitales Education Center mit Online-Kursen eingeführt“, sagt die Teamleiterin. Fach- und Führungsthemen wie Projektmanagement oder das Führen von Feedback-Gesprächen sind Teil des Trainingsangebots. Künftig sollen verstärkt unternehmensspezifische Themen, zum Beispiel zu nachhaltigen ökologischen und sozialen Projekten des Unternehmens, integriert werden. Um die Identifikation mit dem Arbeitgeber zu stärken, „werden neue Mitarbeitende im Rahmen des Onboarding-Prozesses beispielsweise über die Vision sowie die Unternehmenskultur inklusive der Werte informiert“. Des Weiteren hat der Mittelständler sein Angebot zur betrieblichen Gesundheitsförderung aufgrund der starken Nachfrage durch regelmäßige Firmenläufe und E-Bike-Leasing ergänzt.

Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit dem Angebot wird anhand des sogenannten Engagement Score im Rahmen der Mitarbeitendenbefragung ermittelt und über entsprechende Maßnahmen beraten. Nadine Sommer: „Die lange Betriebszugehörigkeit, geringe Fluktuations- und Krankheitsraten sowie eine Teilzeitquote von 20 Prozent als wichtige Kennzahlen im Nachhaltigkeitsbericht zeigen uns, dass sich die Investitionen in familien- und gesundheitsfördernde Maßnahmen gelohnt haben.

Unser Employer Branding wirkt nach innen und nach außen, was wir beim Recruiting immer wieder gespiegelt bekommen.“ Darüber hinaus unterstützt die Personalabteilung Führungskräfte dabei, Teilprojekte im Bereich Nachhaltigkeit zu übernehmen. Das können Corporate-Social-Responsibility-Projekte sein, bei denen etwa Azubis für die Teilnahme an einem Friedenswettbewerb gewonnen werden. Auch sollten Führungskräfte ehrenamtliches Engagement vorleben sowie fördern und ihre Mitarbeitenden freistellen, wenn sie zum Beispiel Einsätze bei der freiwilligen Feuerwehr haben: „Wer als Führungskraft soziale Verantwortung trägt und ethisches Verhalten fördert, stärkt die Loyalität seiner Mitarbeitenden.“

bremenports setzt auf Diversity

Für die Hafenmanagementgesellschaft bremenports, die mit ihren 430 Beschäftigten für die Unterhaltung und Entwicklung der bremischen Häfen zuständig ist, gehört Nachhaltigkeit zu den wichtigen Eckpfeilern der eigenen Unternehmensstrategie; 2011 wurde bereits der erste Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Vor rund drei Jahren hat das Unternehmen in diesem Rahmen eine Stakeholder-Umfrage gemacht, um die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren: „Wir wollten die Außen- und Innensicht miteinander verknüpfen“, sagt Sabine Müller, Teamleiterin Umwelt und Nachhaltigkeit. Dabei kam heraus, dass die Stakeholder vor allem auf die sozialen Arbeitsbedingungen im Bereich Seefahrt und Hafen sowie auf nachhaltige Beschaffung und Fair Trade Wert legen. „Attraktive Arbeitsbedingungen als Teil einer nachhaltigen Personalpolitik zu schaffen, steht an oberster Stelle“, sagt Sandra Guhs, Teamleiterin Personal.

Da die Besetzung offener Stellen mitunter herausfordernd sein kann, hat das Unternehmen zudem eine Expertin für Personalmarketing eingestellt. „Anhand von Videos und Anzeigen zeigen wir unter anderem unsere Beschäftigten aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen, wobei auch unsere Angebote für eine gute Work-Life-Balance zum Ausdruck kommen sollen“, sagt Sandra Guhs. Mobiles Arbeiten wird ebenso großgeschrieben wie Teilzeitmodelle und Telearbeit. Auch das ist ein Bestandteil der Strategie, Diversity zu fördern und den Frauenanteil – dieser liegt derzeit bei rund 29 Prozent – weiter zu erhöhen. „Flexible Arbeitszeiten und -orte kommen bei den Mitarbeitenden sehr gut an und sorgen für eine hohe Zufriedenheit, wie die regelmäßigen Mitarbeitendenbefragungen zeigen.“

Vereinbarkeit ist Teil der DNA

Weitere wichtige Elemente einer nachhaltigen Personalpolitik sind neben einem ganzheitlichen Gesundheitsmanagement mit regelmäßigen Gesundheitstagen, Ernährungstrainings und Firmenfitness weitere familienfreundliche Angebote für die ganze Familie, Kochkursen mit regionalen Produkten und Kinderferienprogramme in Kooperation mit Firmen aus der Region. Seit 2005 ist bremenports durch das audit berufundfamilie zertifiziert und hat derzeit die höchste Audit-Stufe erreicht. „Das Audit hat unser Bewusstsein dafür geschärft, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ein wichtiger Teil unserer DNA ist“, sagt die Teamleiterin Personal. Ein interdisziplinärer Steuerkreis aus Fach- und Führungskräften entwickelt entsprechende Maßnahmen stetig weiter.

Dazu gehören beispielsweise die systematische Schulung und Sensibilisierung der Führungskräfte für die generationsübergreifende Zusammenarbeit sowie Angebote im Rahmen der Willkommenskultur, z. B. ein Patenprogramm für neue Mitarbeitende. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf den derzeit 28 Auszubildenden im kaufmännischen, technischen und gewerblichen Bereich. Von bremenports ausgebildet werden zum Beispiel Industriemechaniker, Bürokaufleute, Bauzeichner, Vermessungstechniker, Elektriker und Elektroniker sowie Berufstaucher.

Im Rahmen von Nachhaltigkeitstagen wurden unter anderem Themen wie die Klima-Auswirkungen der Seeschifffahrt und die Vermüllung im Meer diskutiert. „Wichtig ist uns, dass die Azubis einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und aktiv werden, zum Beispiel als Energie-Scouts. In dieser Rolle haben sie ihre Kolleginnen und Kollegen über ökologisches Verhalten am Arbeitsplatz informiert, unter anderem über Energiesparmaßnahmen“, sagt Sabine Müller. Dabei hat sich gezeigt: Nachhaltige und soziale Projekte fördern das Engagement und sind identitätsstiftend.

Auch wenn die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung vielen Mittelständlern aufgrund des hohen administrativen Aufwands ein Dorn im Auge ist, zeigt sie auch: Die neuen Regeln werten die Personalarbeit auf, und die Maßnahmen stärken die Arbeitgeberattraktivität. Ernsthaft und ehrlich angegangen, weisen sie den Weg für eine moderne, zukunftsorientierte Personalabteilung.

 

Autorinnen: 

Silke Güttler, Leitung Corporate Communications, berufundfamilie Service GmbH
Annette Neumann, freie Journalistin, Berlin

 

Eine Geschäftsfrau im Anzug sitzt in einem Büro auf einem blauen Gymnastikball und stemmt Gewichte, während sich im Hintergrund Kollegen an einem Tisch unterhalten.
© stock.adobe.com/VadImGuzhra

Attraktiv als Arbeitgeber durch strategisches Managementinstrument

Das audit berufundfamilie ist ein strategisches Managementinstrument, das Unternehmen und Institutionen dazu nutzen, ihre Personalpolitik familien- und lebensphasenbewusst auszurichten. Gemeinsam mit den Arbeitgebern werden passgenaue und bedarfsgerechte Maßnahmen entwickelt. Zu den Handlungsfeldern zählen unter anderem Arbeitszeit und -ort, Arbeitsorganisation, Führung, Personalentwicklung, Information und Kommunikation.

Quelle: berufundfamilie Service GmbH, www.berufundfamilie.de

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