Der Leiter der Entgeltabrechnung : Mehrarbeit für die Payroll
Das neue digitale Meldeverfahren A1 über die Lohnsoftware
Sind Ihre Mitarbeiter oft im EU-Ausland unterwegs? Auf einer Messe, auf kurzen Dienstreisen zu Kunden oder auch länger zur Erstellung von Dienstleistungen? Dann ist ein sog. A1-Antrag seit 2010 Pflicht. Ja, neu ist das Ganze nicht. Doch bisher von Arbeitgebern nicht oder nicht wirklich beachtet. Verstärkte Kontrollen insbesondere des Zolls der EU-Länder sowie hohe Bußgelder erfordern jedoch spätestens jetzt einen ernsteren Umgang mit diesem Thema.
Denn das Meldeverfahren A1 wird bis auf wenige Ausnahmen ab 01.07.2019 nur noch maschinell erfolgen. Brisant: Es wird als neues obligatorisches Meldeverfahren in den Lohnabrechnungssystemen integriert. Dies bedeutet für die Lohnabrechnung eine höhere Koordination des neuen Prozesses sowie der Daten, die hier für den Meldevorgang erforderlich sind. Hier wandert ein HR-Prozess, der ursprünglich nicht in der Lohnabrechnung verankert war, in die Payroll. Dies bedeutet Mehrarbeit und Prozessänderungen für die Lohnabrechnung und sollte spätestens jetzt im Fokus stehen.
Was ist eine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn?
Werden Mitarbeiter zeitlich befristet ins Ausland entsandt, bezeichnet man dies als Entsendung. Für Beschäftigte mit einem deutschen Arbeitsvertrag, die zeitlich befristet ins EU-Ausland oder in EWR-Staaten (Liechtenstein, Schweiz, Norwegen, Island) entsandt werden, gilt sozialversicherungsrechtlich bis zu zwei Jahre das Sozialversicherungsrecht des Entsende-Staates (sog. Ausstrahlung) – also Deutschlands. Auch kurze Dienstreisen ins EU-Ausland sind Entsendungen im Sinne der Sozialversicherung!
Am 20.03.2019 hat die Europäische Kommission erklärt, dass sie beabsichtigt, eine A1-Bescheinigung für kurze Dienstreisen zukünftig abzuschaffen. Der EU-Rat hat hier noch nicht zugestimmt. Es bleibt also vorerst bei einer A1-Bescheinigung für alle Dienstreisen.
A1: Was muss wann und an wen gemeldet werden?
Zum Nachweis, dass ein Beschäftigter in einem Mitgliedsstaat sozialversichert ist, dient die sog. A1-Bescheinigung (früher E101), die bei Kontrollen des Zolls vorgezeigt werden muss. Nicht nur für Arbeitnehmer auch für Selbständige müssen A1-Bescheinigungen erstellt und als Nachweis vorgezeigt werden können.
Doppelverbeitragung! Sollte der Beschäftigte diese Bescheinigung nicht vorzeigen können, so wird er im Reiseland ebenfalls sozialversicherungspflichtig. Der Arbeitgeber wird hier nochmal zur Kasse gebeten.
Eine A1-Bescheinigung muss vor Reisebeginn beantragt werden. Die zuständigen Antragsstellen sind hierfür für gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte die jeweilige Krankenkasse, für privatversicherte Mitarbeiter die deutsche Rentenversicherung sowie für berufsständisch rentenversicherte Mitarbeiter die berufsständischen Versorgungswerke. Zu melden sind z. B. Daten wie Name, Krankenkasse, Reisedaten, Reise- bzw. Beschäftigungsort, Reisegrund, Art der Beschäftigung im Reiseland.
Problem: Zusätzliche Meldepflichten – Mindestlohn, arbeitsrechtliche Mindeststandards, Mitführen von Unterlagen.
Zudem verlangen verschiedene EU-Länder aufgrund eigener gesetzlicher Vorgaben z. B. zum Mindestlohn oder Arbeitsschutz separate zusätzliche Meldungen, die meist über ein Webportal online beantragt werden müssen.
Außerdem betroffen sind hier oft noch bestimmte Berufsgruppen oder Branchen. In Frankreich und Österreich ist es z. B. das Transportgewerbe oder Leiharbeitnehmer. Liegen diese Meldungen nicht vor, können hohe Bußgelder drohen. Auch der Mindestlohn spielt in einigen Ländern eine Rolle. Österreich z. B. hat ein strenges Mindestlohngesetz (LSD-BG). Es möchte außerdem Lohnangaben in der sog. ZKO-Meldung haben und verlangt zusätzlich zu A1-Bescheinigung und ZKO-Meldung auch Unterlagen wie Lohnabrechnungen oder Arbeitsvertrag bei Kontrollen zu sehen (siehe meinen Artikel in der LOHN+GEHALT, Ausgabe 04/2017).
Informationen über separate Pflichtmeldungen bei Entsendungen je nach EU-Land erteilen die Industrie- und Handelskammern oder z. B. das Außenwirtschaftsportal Bayern mit dem Dienstleistungskompass.
Im Fokus: Österreich, Frankreich & Niederlande.
In Österreich & Frankreich wird derzeit verstärkt kontrolliert, z. B. auf Messen. Hier reicht derzeit auch der A1-Antrag zur Vorlage aus, falls die Bestätigung über die Antragsbehörden noch nicht rückgemeldet wurde.Neu: Ab 01.04.2019 führen auch die Niederlande eine allgemeine Meldepflicht für Arbeitnehmer und Selbständige ein, die aus dem Ausland in die Niederlande entsandt werden.
Wie läuft das digitale Meldeverfahren ab?
Seit 01.01.2018 ist es für Arbeitgeber schon möglich, das digitale A1-Meldeverfahren aus dem Lohnsystem zu nutzen. Verpflichtend wird es ab 01.07.2019. Für Unternehmen, deren Lohnsystem dies nicht abdecken kann, ist eine elektronische Meldung des A1-Antrags über SV-Net möglich. Das Meldeverfahren A1 läuft über den gleichen Weg wie allen anderen sozialversicherungsrechtlichen Meldeverfahren. Der Antrag wird elektronisch übermittelt und nach Bearbeitung digital rückbestätigt. Dies gilt auch für den Antrag über SV-Net.
Ausnahmen – weiterhin in Papierform.
Multi State.
Arbeitnehmer, die in mehreren Mitgliedsstaaten tätig sind, sog. Multi State Workers. Spezielle Regeln legen für Personen, die in mehr als einem Land „gleichzeitig“ arbeiten, fest, welches Recht gilt und wo sie Beiträge zahlen müssen. Anlaufstelle ist hier die DVKA.Dauer-A1.
Für Arbeitnehmer, die sehr häufig in ein EU-Land reisen, kann bei den Sozialversicherungsträgern eine Dauerbescheinigung für zwei Jahre beantragt werden. Dies ist allerdings nur für jeweils ein Reiseland möglich.
Mehrarbeit für die Payroll: Wie bekommt die Payroll Ihre Daten?
Größtes Problem für die Lohnabrechnung ist sicherlich, rechtzeitig (vor Reisebeginn!) an die Daten für die Antragsstellung zu kommen. Dies bedeutet, sich Gedanken über den Prozess des Datenflusses zu machen und auch die betroffenen Mitarbeiter mit ins Boot zu nehmen. Denn nur diese wissen rechtzeitig, wann und unter welchen Voraussetzungen (z. B. Grund der Reise) sie reisen werden.
Folgende Datenwege kommen in Betracht:
- Direkte Mitteilung der reisenden Mitarbeiter an die Lohnabrechnung. Dies macht nur Sinn, wenn sich das Reisevolumen in Grenzen hält, denn es bedeutet sonst eine sehr hohe Mehrbelastung für die Lohnabrechnung, da ja auch die Rückmeldungen an die Mitarbeiter weitergeleitet werden müssen.
- Vernetzung per Schnittstelle mit einem Reisetool, wenn auch die Reisebeantragung hierüber läuft, da die Daten vor Reisebeginn vorliegen müssen.
- Eingabe durch den reisenden Mitarbeiter direkt über eine webbasierte Lösung oder ein Self-Service-Portal mit Schnittstelle zum Meldeverfahren.
- Regelung über separate Zugriff-Berechtigungen für das A1-Meldeverfahren für Mitarbeiter außerhalb der Payroll (z. B. Personalsachbearbeiter) oder bei externer Lohnabrechnung.
Wie gehen Softwareanbieter von Lohnsoftware auf die neuen Prozesse in der Payroll durch das neue digitale A1-Meldeverfahren ein?
Ich habe mich hier mit zwei Software-Systemen beschäftigt – SAP HCM und mit der rechenzentrumsbasierten Lösung DATEV LODAS, die vor allem viele Steuerkanzleien benutzen.
SAP HCM.
In SAP muss hier der IT0700 mit Subtypen beim Mitarbeiter gepflegt werden. Es werden also die schon bestehenden Meldewege für die Sozialversicherung genutzt und wie alle anderen Meldesysteme mit der Generierung, einer Meldedatei und dem Versand über den B2A-Manager übermittelt. Es empfiehlt sich, automatische Meldeprozesse über ‚Jobs‘ einzurichten. Wenn E-Mail-Adressen der Mitarbeiter hinterlegt sind, kann auch direkt ein Versand der Rückbestätigungen der Antragsstellen an die Mitarbeiter erfolgen.
Vorteil: Abgrenzung des Meldewesens A1 über Berechtigungen, damit auch HR-Sachbearbeiter Zugriff hierauf haben und separat Daten erfassen können (Datenschutz).
Nachteil: Es können derzeit keine versandten A1-Anträge aus dem B2A-Manager ausgedruckt werden. Diese wären aber bei fehlender Rückmeldung der Antragsbehörden für einen Nachweis notwendig. „Hier hat sich SAP den Nachbau des Antrags erstmal erspart“, sagt Frau Pia Matthei, SAP-Betreuerin von der Firma GISA GmbH in Halle. „Eventuell wird hier aber auf Druck von Kunden noch von SAP nachgebessert“.
DATEV LODAS.
DATEV LODAS ist eine rechenzentrumsbasierte Lohnsoftware, mit der sich Meldedateien auf Basis der vorhanden Daten per Klick generieren, an die Meldebehörden absetzen und rückmelden lassen. „A1-Bescheinigungen werden taggleich über das Rechenzentrum an die Sozialversicherungsträger übermittelt und innerhalb von drei Tagen rückgemeldet“, sagt Herr Philipp Seiler, Produktmanager Lohn bei der DATEV in Nürnberg. Die DATEV hat laut seiner Aussage seit Einführung des Meldeverfahrens 2019 bisher schon ca. 52.000 Anträge digital verarbeitet. Auch ein Ausdruck des übermittelten A1-Antrags ist aus der DATEV-Lohnsoftware möglich. Nur die Rückbestätigung der Anträge läuft seit Start am 01.01.2018 allerdings noch nicht reibungslos. Grund: Die deutsche Rentenversicherung konnte bis vor kurzem aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen die Anträge noch nicht digital rückbestätigen. Seit kurzem soll dies jedoch auch funktionieren.
Ausblick:
EESSI und Europäische Entsenderichtlinie.
Wie man sieht – der Bürokratie-Abbau ist europaweit noch nicht wirklich angekommen. Das zeigen auch die vielen unterschiedlichen Meldungen, die derzeit für eine Tätigkeit im europäischen Ausland durch Arbeitgeber erstellt werden müssen. Doch trotz geplanter Erleichterungen bei A1-Meldungen, wird es in der Zukunft im Bereich Entsendungen nicht ruhiger werden. Im Gegenteil, auch auf europäischer Ebene wird die Digitalisierung z B. durch EESSI weiter voranschreiten und die Rechtslage komplizierter.