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Personalkostenplanung : Die Zukunft der Vergütung

Die aktuelle Corona-Pandemie wird sehr schnell umfassende Auswirkungen auf die Wirtschaft und damit natürlich auch auf die Personalarbeit haben. Schon heute sind zahlreiche Firmen stark betroffen, müssen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder kämpfen sogar unmittelbar gegen die Insolvenz. Der aktuelle Konkurs der Restaurantkette Vapiano ist sicher nur ein Beispiel für diese dramatische Entwicklung. In diesem Zuge werden die Herausforderungen für das Personalmanagement sicher nochmals deutlich ansteigen. Um die aktuelle Krise erfolgreich zu bestehen und nach der Krise wieder erfolgreich durchstarten zu können, wird sich u. a. auch die leistungsgezogene und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Unternehmens als fair verstandene Vergütung zu einem zentralen erfolgskritischen Faktor entwickeln.

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Eine Person, die neben einem Laptop und einem Taschenrechner Datendiagramme und Grafiken analysiert, deutet auf einen tiefen Einblick in die Unternehmensanalyse oder Finanzplanung hin.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben viele Unternehmen jedoch ihre Personalabteilungen als einen reinen Kostenfaktor geführt und folglich kostenintensive personalwirtschaftliche Instrumente nur in sehr eingeschränktem Rahmen angeboten. Dies betrifft auch differenzierte Vergütungsmodelle. Lange Zeit ging der Trend hin zur reinen Cash Compensation. In Zeiten des Fachkräftemangels wird dies jedoch nicht mehr ausreichen. Arbeitnehmer, insbesondere Angehörige der Generationen Y und Z, basieren ihre Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber häufig darauf, ob sie mit ihm ihre individuelle Lebensplanung verwirklichen können. Dabei spielt die Vergütung natürlich eine ganz entscheidende Rolle. Die Ansprüche an personalwirtschaftliche Instrumente werden sehr stark von der Lebensphase der (potenziellen) Mitarbeiter abhängen.

Die Einsteiger (ca. 18 bis 30 Jahre) benötigen einerseits eine hohe Total Cash Compensation, da sie frisch im Beruf sind, konsumieren wollen, aber auch erste größere Anschaffungen tätigen. Letztgenannter Aspekt führt jedoch auch schon wieder ein Stück weit weg vom möglichst hohen Netto-Gehalt, denn bei größeren Anschaffungen sind steuersparende kurz- und mittelfristige Sparvorgänge wichtig, aber auch Arbeitgeberdarlehen. Gleichzeitig ist auch der Aspekt von Lebensarbeitszeitkonten von Bedeutung, denn die Generation ist leistungsfähig und -bereit, möchte aber in späteren Lebensphasen wenig oder keine Abstriche beim Familienleben machen. Neu ist, dass dies nun Frauen wie Männer betrifft. Also möchte man hier auch die Möglichkeit haben, Arbeitszeit anzusparen.

Die Angekommenen (ca. 30 bis 45 Jahre) sehen sich stark mit der Frage von Vereinbarkeit von Beruf und Familie konfrontiert, insbesondere in Bezug auf die Betreuung von Kindern, aber zunehmend auch von älteren Familienangehörigen. Sie müssen Immobilien finanzieren, die finanzielle Zukunft ihrer Kinder absichern und die eigene Altersvorsorge planen. Folglich werden jetzt Guthaben aus Arbeitszeitkonten in Anspruch genommen, was an das Unternehmen wiederum hohe Ansprüche in der Personaleinsatzplanung stellt. Auch ist hier an flexible Arbeitszeitmodelle mit Sockelvergütungen zu denken. Aber auch Modelle zur Organisation und Finanzierung von Betreuung sind wichtig. Die traditionelle betriebliche Altersvorsorge wird intensiver nachgefragt, aber angesichts der wohl noch andauernden Niedrigzinsphase sind auch Modelle wie Stock Options oder Deferred Compensation zu berücksichtigen.

Bei den Mid Agers (ca. 45 bis 55 Jahre) steht die eigene Altersvorsorge noch stärker im Vordergrund, aber auch die Finanzierung der Ausbildung der Kinder ist ein entscheidender Aspekt dieser Lebensphase. Die Frage nach der Betreuung älterer Familienmitglieder stellt sich in diesem Lebensabschnitt besonders. Personalwirtschaftliche Instrumente sind nun zusätzlich Genossenschaftsmodelle oder Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung von studentischem Wohnraum oder betreutem Wohnen im Alter, aber auch wieder steigende Netto-Vergütungen, weil die monatlichen Ausgaben steigen.

Bei den Veteranen (55 Jahre und älter) hat sich das Lebensumfeld meist dahingehend verändert, dass in jeder Hinsicht weniger Familienmitglieder von ihnen abhängig sind. Nun steht die eigene Lebensqualität wieder im Vordergrund. Das heißt, dass man nun Geld für die schönen Dinge im Leben benötigt und auch die Zeit, um diese zu genießen. Also wird nun angesparte Arbeitszeit abgebaut. Da hohe Netto-Gehälter wichtig sind, werden in der Vergangenheit getätigte mittelfristige Sparvorgänge zur Auszahlung kommen. Hier zeigt sich, dass Vergütung sich auch nicht von einer ganzheitlichen Personalarbeit trennen lässt. Denn wenn diese Mitarbeiter nun weniger Zeit im Unternehmen verbringen (ohne schmerzhafte finanzielle Einbußen), dann muss das Unternehmen auch Lösungen anbieten, wie Arbeit denn gestaltet werden kann. Das kann die Digitalisierung von Arbeit bedeuten, aber hat vor allem auch Einfluss darauf, wie Alt und Jung zusammenarbeiten. Rollen werden sich von der operativen Arbeit hin zum Mentoring für jüngere Mitarbeiter oder zur Rolle als interner Consultant verschieben. In anderen Worten: Bis zu einem gewissen Grad werden Unternehmen Arbeit neu erfinden müssen.

Eine Person analysiert Finanzdaten und Diagramme mit einem Taschenrechner und einem Laptop auf dem Schreibtisch.

Alles in allem zeigt sich, dass diese Ansprüche, die Organisationen heute nicht mehr ignorieren können, hohe Anforderungen an das Personalmanagement stellen. Personalabteilungen werden in Zukunft mehr leisten müssen. Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie es sich nicht mehr erlauben können, ihre Personalarbeit als unproduktiven Kostenfaktor zu sehen. Jedoch bietet die Digitalisierung des Human Resources Management auch die Möglichkeit, komplexe Aufgaben mit geringerem Aufwand zu bewältigen.

Wie gestaltet man aber eine faire Verfügungsstruktur, mit der man Talente gewinnen und sehr gute Mitarbeiter halten kann? Diese Frage ist vor, während und nach der aktuellen Corona-Krise von enormer Bedeutung. Leider aber gibt es in vielen Firmen keine zufriedenstellende Antwort auf diese zentrale Fragestellung. Gehälter entstehen oftmals eher zufällig oder hängen vom Verhandlungsgeschick des Einzelnen ab. Nicht selten wird Leistung, die eigentliche Grundlage für eine Entlohnung, sehr subjektiv oder gar falsch eingeschätzt. Wie schwer sich Unternehmen mit der Einschätzung der Leistung ihrer Mitarbeiter tun, zeigt auch die kontrovers geführte Diskussion um die Möglichkeiten oder Notwendigkeiten der Arbeit im Homeoffice. Trotz der enormen Ansteckungsgefahr durch Corona verweigerten verschiedene Firmen ihren Mitarbeitern die Arbeit in einem Homeoffice. Dafür kann es sicher gute Gründe geben, aber ein wesentlicher Grund ist ohne Frage auch das mangelnde Vertrauen in die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter, sobald sich diese jeder Kontrolle entziehen können. Dass viele engagierte Mitarbeiter im Homeoffice noch deutlich mehr arbeiten als im Büro, wird dabei mitunter übersehen. Immerhin regierte Angela Merkel während ihrer Corona-Quarantäne die Bundesrepublik erfolgreich vom Homeoffice aus – und das in einer echten Krisensituation.

Ein anderer, schon fast erschreckender Grund ist der große Rückstand im Hinblick auf die Digitalisierung, den Deutschland im Vergleich zu anderen konkurrierenden Volkswirtschaften ausweist. Weder Netze noch Systeme oder wichtige Aspekte wie der Datenschutz sind ausreichend gesichert. Die deutschen Personalmanagerinnen und -manager haben natürlich erfasst, dass sie von den Herausforderungen der Digitalisierung sehr betroffen sein werden. Doch noch fehlt vielen Firmen eine konkrete Vision, wie sie dieser wichtigen Aufgabe begegnen könnten. Aktuell nutzen nur etwas mehr als 10 Prozent aller Personalabteilungen z. B. die Möglichkeiten von HR Predictive Analytics, um durch datengestützte Vorhersagen die Sicherheit und Qualität von Personalentscheidungen wie der fairen Entlohnung zu erhöhen. Rund 50 Prozent aller deutschen Unternehmen möchten zukünftig digitale Personallösungen realisieren, sind sich aber im Hinblick auf konkrete Lösungen und exakte Zeitpunkte noch sehr unsicher.

Durch die Digitalisierung wird die Personalarbeit nicht neu erfunden, aber der Wirkungsgrad sowie die Effizienz und Effektivität der Personalarbeit und damit der Wert des Human Capital können spürbar erhöht werden. Durch die Nutzung von Big Data und die dadurch mögliche umfassende Verknüpfung von Stammdaten der Mitarbeiter verbessert sich u. a. die Transparenz signifikant. Mit Hilfe dieser für Mitarbeiter positiven Transparenz könnte Leistung klarer definiert, erfasst und honoriert werden. Das kann eine ideale Basis für ein gerechtes Entlohnungssystem sein. Ohne eine solche Grundlage können heute Talente weder gewonnen noch gehalten werden.

Ein buntes Kreisdiagramm auf einem gedruckten Dokument, das Datenanteile in einem visuellen Grafikformat darstellt.

Ein Beispiel dafür, dass diese Herausforderung erfolgreich zu bewältigen ist, findet sich bei McDonald’s Deutschland. McDonald’s realisierte eine strategische Digitalisierung u. a. auch im Bereich der Personalarbeit und bietet in diesem Rahmen seinen Mitarbeitern ein zentrales digitales Personalsystem vom Eintritt bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Unternehmen.

Dabei werden zahlreiche Aspekte der Personalarbeit integriert und somit eine umfassende Informationssammlung für Mitarbeiter und Unternehmen gewonnen. Auf dieser Basis können unter anderem auch Gehälter, Boni und Benefits fair und nachvollziehbar festgelegt werden.

Prof. Dr. Thorsten Krings,
Prof. Dr. Daniel Batz, DHBW Heilbronn

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