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Rechtsprechung : Haftung des Auszubildenden/ Arbeitnehmers und des Arbeitgebers

Dieser Beitrag gibt einen kompakten Überblick über Haftungsfragen im Arbeitsverhältnis.

Praxis
Lesezeit 6 Min.
Computertastatur im Hintergrund mit einem Block im Vordergrund, auf dem das Wort „Haftung“ steht, daneben kleine symbolische Symbole für Informationen, Einstellungen, Warnungen und Genehmigungen, alles auf einem Schreibtisch platziert, rechts ein Stift.

I. Haftung des Auszubildenden/ Arbeitnehmers

Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung

Hierzu der Leitsatz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.09.1994 – GS 1/89 (A) – AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers:

Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind.

Aus IV. der Entscheidungsgründe ergibt sich, dass sich durch den Wegfall der gefahrgeneigten Arbeit als Voraussetzung einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nichts an den Abwägungsmerkmalen ändert, die der Achte Senat in der Vorlagefrage durch Bezugnahme auf das Urteil vom 24.11.1987 (8 AZR 524/82 – BAG 57, 55 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) beschrieben hat. Bei der Schadensteilung im Rahmen des § 254 BGB sind vielmehr die von der bisherigen Rechtsprechung als maßgeblich angesehenen Umstände in allen Fällen zu berücksichtigen, in denen der Schaden bei betrieblich veranlassten Arbeiten entstanden ist.

Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers

Nach § 619a BGB hat der Arbeitnehmer abweichend von § 280 Abs. 1 dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat.

SGB VII

Die Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen ist in § 105 SGB VII geregelt. § 106 SGB VII bezieht sich auf die Beschränkung der Haftung anderer Personen.

betriebliche Tätigkeit

Das BAG hat in dem Urteil vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 – AP Nr. 5 zu § 105 SGB VII in der Rn. 20 m. w. N. ausgeführt, dass entscheidend für das Vorliegen einer „betrieblichen Tätigkeit“ und das Eingreifen des Haftungsausschlusses i. S. v. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers ist, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde. Eine betriebliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn eine Aufgabe verrichtet wird, die in den engeren Rahmen des dem Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgabenkreises fällt, denn der Begriff der betrieblichen Tätigkeit ist nicht eng auszulegen. Er umfasst auch die Tätigkeiten, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Wie eine Arbeit ausgeführt wird – sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig –, ist nicht dafür entscheidend, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht.

bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb

Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb, ist dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt (Urteil des BAG vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 – a. a. O., Rn. 21).

Auszubildende

Für das Ausbildungsverhältnis im Betrieb gelten keine anderen Maßstäbe als für andere Beschäftigte (Urteil des BAG vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 – a. a. O., Rn. 25).

Das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers und die Vorschrift des § 828 Abs. 3 BGB reichen aus, um auch den Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses Rechnung zu tragen und Auszubildende ausreichend zu schützen (Urteil des BAG vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 – a. a. O., Rn. 27).

Stammunternehmen

Hierzu der 1. Orientierungssatz des Urteils des BAG vom 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 – AP Nr. 4 zu § 105 SGB VII:

Die Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII setzt nicht voraus, dass der Schädiger und der im selben Betrieb tätige Geschädigte Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers waren. Es genügt, dass der bei einem anderen Arbeitgeber (Stammunternehmen) beschäftigte Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert war. Dafür ist entscheidend, dass der Geschädigte Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Förderung der Belange dieses Unternehmens seiner Tätigkeit auch im Übrigen das Gepräge gegeben hat; d. h. er muss „wie ein Beschäftigter dieses Unternehmens“ tätig geworden sein.

Vorsätzlich herbeigeführter Arbeitsunfall

Das BAG hat in seinem Urteil vom 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 – a. a. O. m. w. N., Rn. 50 hierzu ausgeführt:

Ein Arbeitsunfall ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt worden, wenn dieser gewollt und für den Fall seines Eintritts gebilligt worden war. Dies entspricht der Rechtsprechung des BAG. Danach verbietet es sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung eines Schädigers mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall i.S.d. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO (in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) gleichzubehandeln. Dies folgt bereits aus dem verschiedenen Unrechtsgehalt. Derjenige, der vorsätzlich eine zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, will demnach meistens nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst, sondern er hofft, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Das Gewicht seines Rechtsverstoßes ist geringer als in dem anders gelagerten Fall, in dem jemand – mit oder ohne Pflichtenverstoß – den Unfall eines anderen billigend in Kauf nimmt. Diese zur vorsätzlichen Herbeiführung eines Arbeitsunfalls i. S. d. außer Kraft getretenen § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ergangene Rechtsprechung ist auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalles i. S. d. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entsprechend anzuwenden, weil sich insoweit der Inhalt der gesetzlichen Regelungen nicht verändert hat.

Personenschaden

Aus dem Urteil des BAG vom 22.04.2004 – 8 AZR 159/03 – AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII – II.2. m. w. N.:

Ein Personenschaden ist der Schaden, den der Verletzte in seiner körperlichen oder seelischen Unversehrtheit erleidet und der zu einer zivilrechtlichen Entschädigungspflicht führt; gleichzeitig muss ein Gesundheitsschaden als ein den Versicherungsfall konstituierendes Merkmal eingetreten sein. Da der Haftungsausschluss bezweckt, den Arbeitgeber und den Arbeitskollegen von der Haftung wegen Personenschäden insgesamt freizustellen, fallen unter die Personenschäden nicht nur immaterielle Schäden (Schmerzensgeld), sondern auch Vermögensschäden wegen der Verletzung oder Tötung des Versicherten. Diese Kosten werden durch die Unfallversicherung nach dem Haftungsersetzungsprinzip abgedeckt.

II. Haftung des Arbeitgebers

§ 104 SGB VII

Die Beschränkung der Haftung der Unternehmer ist in § 104 SGB VII geregelt.

Schaffung einer Gefahrenlage

Hierzu der 2. Orientierungssatz des Urteils des BAG vom 21.12.2017 – 8 AZR 853/16 –:

Wenn der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, muss er grundsätzlich die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung der Beschäftigten so weit wie möglich zu verhindern.

Rn. 31 dieses Urteils m. w. N.:

Er muss die Maßnahmen ergreifen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Arbeitgeber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind zudem nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

entsprechende Anwendung des § 670 BGB

In entsprechender Anwendung des § 670 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde.

Auf runden Schaltflächen werden von links nach rechts vier Symbole im Emoji-Stil angezeigt: Informationen („i“), Einstellungen (Zahnradsymbol), Warnung (Ausrufezeichen) und Genehmigung (Daumen hoch) vor einem unscharfen Hintergrund.

Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich u. a., wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste oder wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, das eigene Fahrzeug für eine Fahrt zu nutzen. (Urteil des BAG vom 22.06.2011 – 8 AZR 102/10 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers, Rn. 22 m. w. N.)

Claudia Czingon

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