Die Zukunft der Payroll, Teil 2 : Künstliche Intelligenz und neuronale Netze
Die Digitalisierung dringt unaufhörlich in alle Bereiche eines Unternehmens ein. Davon ist insbesondere das Personalmanagement betroffen, wenn es um administrative Tätigkeiten geht, die permanent unter Kostendruck erledigt werden müssen. Welches sind nun die Herausforderungen für die Entgeltabrechnung? Steht dieser Bereich aufgrund der schon sehr weit entwickelten Digitalisierung besonders im Fokus?
Herausforderungen für HR
Wenn sich die Arbeitswelt wie beschrieben verändert, dann stellt sich die Frage, wie künftig Jobs zu bewerten sind, wenn weniger Menschen anwesend sind und sich die Wertigkeit damit verändert. Gleichzeitig entstehen in wenigen Jahren neue Arbeitsfelder im Bereich IT, die einen engen Bezug zum Geschäftsmodell haben. Folglich kann man jetzt nicht zielgenau dafür rekrutieren. Daher befassen sich in manchen Unternehmen bereits die Auszubildenden in übergreifenden Teams mit Design Thinking. Wie verändern sich künftig Teams und welche Bedeutung haben Mentoren, die derzeit schon verstärkt die Integration neuer Mitarbeiter begleiten und unterstützen? Arbeitszeitmodelle werden immer weiter individualisiert, und das Thema Work-Life-Balance nimmt weiter an Fahrt auf. Derzeit werden die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiierten Lernräume genutzt, um neue betriebliche Arbeitszeitmodelle zu erproben. Die Ergebnisse werden in die künftige Gesetzgebung Eingang finden. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber den Wechsel zwischen Voll- und Teilzeitarbeit auch mehrfach und in beide Richtungen ermöglichen. Die Vorstellung, ein Unternehmen agil zu Machen und damit Abteilungen und Bereiche abzuschaffen, verändert nicht nur die Struktur eines Unternehmens, sondern hat auch Auswirkungen auf das Arbeiten (neue Meetingformate, deutlich höherer Abstimmungsbedarf) und das Lernen (Qualifizieren eigener Mitarbeiter, die sich schon heute für IT interessieren, häufigere Lernsituationen und kürzere Lernformate). Tatsächlich stellen wir immer noch fest, dass Unternehmen gar nicht das Wissen ihrer Mitarbeiter kennen. Lernen muss daher mit Leistung verknüpft und der Lernerfolg nicht in Menge und Lernzeit, sondern in Transfer und damit messbarer Bewältigung neuer Aufgaben gemessen werden. Lernen muss viel attraktiver werden, damit es auch lebenslang mit Lust ausgeübt wird. Lernen wird vielmehr interaktiv, häufig spielerisch und vor allem interdisziplinär erfolgen.
Herausforderungen für die Payroll
Was machen Lohnabrechner im Jahr 2030? Wird man sie noch benötigen, oder werden die Betriebe dann alles selbst machen, ohne sich eines Steuer- oder Lohnbüros zu bedienen? Ein klares Ja. Die Lohnabrechnung wird immer komplexer.
Stammdaten …………… digital
Zeitwirtschaft …………. digital
Beratung …………………… agil
Entsendungen ………… agil
Der Einfluss des Arbeits-, Lohnsteuer und Sozialversicherungsrechts steigt, und der Bedarf an Fachleuten, welche in der Lage sind, die rechtlichen Vorgaben in eine sachlich und rechnerisch richtige Payroll zu übersetzen, steigt unaufhörlich. Selbstverständlich werden viele Aufgaben künftig nicht mehr manuell bearbeitet. Sei es die Stammdatenerfassung (entfällt durch Online-Recruiting sowie Elster und Dakota), die Pflege der Zeitwirtschaft (Arbeitszeit-Apps), das Bescheinigungswesen oder die Nettolohnoptimierung (Benefits on Demand) und nicht zuletzt die Bearbeitung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU ab Mitte 2021) – um nur einige ausgewählte Beispiele zu nennen –, all dies wird vollautomatisch ablaufen und nur noch in Einzelfällen einen Eingriff erfordern. Die freiwerdende Zeit wird künftig immer mehr für die kompetente Beratung der Fach- und Führungskräfte und für die Lösung komplexer Fragen im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit (Work-Life-Balance), des Arbeitsortes (mobiles Arbeiten) und der Arbeitsaufgaben (Splendid Work) verwendet.
Pablo Picasso: Computers are useless, they can only give answers
KI kann für die Beschäftigten viele Vorteile bringen. So entsteht mehr Flexibilität, höherwertige Tätigkeiten werden durch den Wegfall monotoner Routinetätigkeiten ermöglicht. Führungskräfte müssen entscheiden, ob sie diese Vorteile nutzen wollen und ob das mit oder ohne Berater bzw. Sachbearbeiter erfolgen soll. Dies wird unweigerlich in eine moralische Diskussion über die humanen Aspekte der KI führen. Mit viel Verve werden große Produkte angeboten, die alles Mögliche lösen sollen. So wird ein Handabdruck oder eine Stimmprobe genommen, und das jeweilige System soll ein detailliertes Persönlichkeitsprofil liefern. Aber die meisten deutschen Unternehmen sind derzeit nicht in der Lage, die Daten zu liefern, die für eine KI-Auswertung erforderlich sind. Es ist überaus schwierig, Personaldaten nicht anonymisiert zu verarbeiten. Wenn nicht schon der Gesetzgeber dies verbietet, so verweigern oft die Mitbestimmungsorgane ihre Zustimmung. Häufig verfügt das Personalmanagement nicht über ausreichende Kompetenz, um Daten so aufzubereiten, dass relevante Aussagen getroffen werden können. Die wenigsten Organisationen verfügen über eine einheitliche und durchgängig strukturierte Datenbasis.
Rechtliche Aspekte: Datenschutz und Betriebsrat
Bevor also KI eingesetzt werden kann, muss geprüft werden, ob die entsprechende Datenanalyse und verarbeitung auch mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen vereinbar ist. Besonderes Augenmerk muss dabei auf dem Datenschutz liegen, häufig sind aber auch andere Rechtsgebiete betroffen, etwa das betriebliche Mitbestimmungsrecht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist bei der Verwendung personenbezogener Daten stets zu prüfen, ob für die Verwendung und Verarbeitung der Daten im Zuge von KI eine rechtliche Grundlage (= Ermächtigungsgrund) besteht. Sofern keine andere Rechtsgrundlage besteht, ist deshalb die freiwillige Einwilligung der betreffenden Person in die Datenverarbeitung einzuholen. So ist die Verarbeitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung derzeit ohne Einwilligung möglich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG). Dies beinhaltet die Bearbeitung von Fehlzeiten, Vorerkrankungsabfragen und ggf. Kürzungen zum Ende der Fortzahlungsfrist sowie die Kommunikation mit der Einzugsstelle. Die Verarbeitung im Zuge des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) oder der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) ist gesetzlich nicht verpflichtend. Daher erfordern Verarbeitungen in diesen Fällen eine gesonderte Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter.
Ausblick
Lohnabrechner (Payroller) werden künftig als Lohnmanager und -berater (Payroll Manager und Consultants) deutlich an Wertschätzung gewinnen und weiterhin dringend gebraucht. Sie sollten den Umgang mit den Datenmengen lernen und sich deutlich stärker auf die Machbarkeit konzentrieren, um das lästige Image des Bedenkenträgers abzustreifen. Maschinen scheitern dort, wo Neuland betreten werden muss, denn sie berechnen die Chancen künftiger Entscheidungen auf sachlicher Grundlage und vermeiden Fehler. Doch Innovation benötigt Kreativität, und Kreativität akzeptiert Fehler. Einfach gezüchtete Maschinen führen lediglich die vom Menschen vorgegebenen Anweisungen aus, ohne Wenn und Aber. Smarte Maschinen arbeiten künftig zusammen mit Lohnmanagern als Experten und verwenden übergeordnete Prozesse. Die Zukunft bietet also ausreichend Platz für Lohnabrechner. All dies benötigt Zeit und muss nach innen wie nach außen professionell kommuniziert werden. Payroll wird an Bedeutung gewinnen.
Raschid Bouabba, Geschäftsführer MCGB GmbH, Unternehmensberatung, Berlin