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Compensation & Benefits : Laboro, ergo sum?

Den viel strapazierten Sinn muss gerade kaum ein Mitarbeiter bei seinem Tun suchen, alle eint der Zweck des Standhaltens gegen die aufwallende Wirtschaftskrise. Ich arbeite, also bin ich, sind wir, sind wir es noch, funktioniert das Ganze weiter – das ist Gefühl der Stunde. Wozu also gerade auch noch Benefits? Doch diese sind jetzt wichtiger denn je, und es gibt viele Dinge, die nicht nur Mitarbeitern nutzen, sondern auch der Firma. Denn der Abstand zwischen beiden hat sich verringert.

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Geld, normalerweise unter Motivationsexperten geringschätzig als Hygienefaktor betrachtet, zeigt nun, was einen solchen ausmacht: die Basis für alles schaffen, ohne eine besondere Zusatzfähigkeit in Sachen Motivation mitzubringen. Dabei galt die Basis bislang als gesetzt und unverrückbar. Wenn aber derzeit vollständige Belegschaften – und viele von ihnen sicherlich nicht zu Unrecht – um ihren Arbeitsplatz fürchten, dann verändert sich die Bedeutung der Basisaspekte innerhalb der Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwangsläufig.

Die regelmäßigen, vertraglich garantierten Lohn- und Gehaltszahlungen befriedigen generell das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit. Und das gilt derzeit mehr denn je. Denn Sicherheit ist auf einmal zentral bedeutsam, Freiheit spielt gesamtgesellschaftlich plötzlich eine untergeordnete Rolle. Daher kommt der Payroll im Moment eine ganze besondere Verantwortung und Rolle zu: als Hüterin der Basis, die die Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer trägt. Weniger pathetisch und dafür ganz konkret heißt das: In dem Moment, in dem sich Gehaltszahlungen verzögern, etwa durch krankheitsbedingte Ausfälle, steigt nicht nur der Stresslevel der davon Betroffenen stark an, sondern auch bei der Payroll.

Dieser entsteht für die Payroll aus dem Druck, der sich durch fällige Anträge auf Kurzarbeit, Bestätigungen über das Beschäftigungsverhältnis und einer ganzen Menge anderer Mehrarbeit aufbaut. Wer hat also Muße, sich über Compensation & Benefits Gedanken zu machen? Wer diese nicht hat, wird sich keinem Vorwurf aussetzen; wer es sich in all der operativen Hektik aber erlauben kann, diesem Aspekt Beachtung zu schenken, wird reich belohnt, und zwar durch eine deutlich verstärkte Wirkung der einzelnen Maßnahmen, so sie denn die richtigen sind. Denn mehr denn je kommt es derzeit auf die Auswahl geeigneter Zusatzleistungen an.

Der Wert der (Mit-)Menschlichkeit

Wo es noch vor kurzem darum ging, möglichst viele Motivatoren anzusprechen, die laut Lehrmeinung hauptsächlich im eigentlichen Arbeitsinhalt zu finden sind – Arbeitsleistung und Erfolg, Anerkennung und Verantwortung, Aufstieg und Beförderung –, zählen derzeit tatsächlich vor allem die vormals gering geschätzten, weil als Selbstverständlichkeit vorausgesetzten Hygienefaktoren: zunächst der schon angesprochene pünktliche Gehaltseingang, aber mindestens ebenso sehr die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mitarbeitern und Vorgesetzten und unter Kollegen, die Sicherheit der Arbeitsstelle und der Einfluss der Arbeit auf das Privatleben.

Deshalb gilt es, den üblichen Blick auf das, was Zusatzleistungen sind, etwas zu erweitern. So kommen Mitarbeiter wegen der Aufgaben und des Geldes in eine Firma und gehen wieder wegen schlechter Führung – zu allen Zeiten. Gehen werden momentan zwar die wenigsten angesichts der mehr als unsicheren Lage; jedoch kündigen bei ungenügender Führungsleistung viele innerlich und liefern als Resultat dürftigere Arbeitsergebnisse ab. Das wiederum ließe sich unter normalen Umständen eher verkraften als momentan, wo sinkende Produktivität fatal wirkt, da viele Ausfälle kompensiert, neue Routinen geschaffen und Kommunikation und Abstimmung ausgeweitet sein wollen.

Umgekehrt gilt freilich dann: Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber derzeit am meisten danken – und tatsächlich als nichtmonetäres Benefit wahrnehmen –, ist eine menschliche Führung. Dieser Führungsansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er den Menschen und nicht das Arbeitsergebnis ins Zentrum rückt. Das geschieht bereits in etlichen Betrieben ganz automatisch, in anderen wird dagegen zwar der Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden enger, die Führungskräfte jedoch bleiben außen vor.

Wertschätzend führen

Das gilt es, schnell positiv zu verändern – und möglicherweise auch als strategische Beratungsaufgabe von HR zu begreifen. Denn Fakt ist: Die größte Motivation erfahren Beschäftigte aus ehrlicher Wertschätzung. Das dürfte vielen Führungskräften gerade generell leichter fallen als vormals. Denn erschwerte Bedingungen führen gemeinhin dazu, dass Chefs ihre Mitarbeitenden besser kennenlernen, als Individuen erfahren und nicht mehr als Rolleninhaber einer Funktion. Damit wiederum schaffen sie die Voraussetzung für eine Führungskultur, die sich an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientiert. Ein Selbstläufer ist eine solche Kultur aber keineswegs. Es hängt letztlich von der Führungskraft ab, inwiefern sie empathisch genug agieren kann oder will, um diese neue Aufgabe zu bewältigen. Letztere ist nicht länger eine Stil- oder Geschmacksfrage, sondern unternehmerische Notwendigkeit, so man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur auch mittelfristig halten und konkret keinen negativen Niederschlag auf die Arbeitsergebnisse riskieren will.

Baustelle Homeoffice

Das ist insbesondere für die derzeit massenweise ins Homeoffice Beorderten von zentraler Bedeutung. Viele von ihnen sind schlichtweg überfordert davon, sich ohne Vorwarnung und buchstäblich von heute auf morgen isoliert an einem Schreibtisch im häuslichen Wohnzimmer wiederzufinden und nun bitte schön sofort so produktiv zu sein wie zuvor in der Firma. Nicht jeder kann zu Hause arbeiten, nicht jeder ist gleichermaßen selbst motiviert.

Und auch wenn die Möglichkeit, im Homeoffice tätig zu sein, oft selbst als Benefit verkauft wird, freuen sich längst nicht alle Angestellten über die Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen. Das liegt dem einen mehr als dem anderen, und neben denen, deren Motivation schon durch die Möglichkeit steigt, nun selbst stärker aktiv in die eigene Arbeitsorganisation einzugreifen, stehen die, die stark auf externe Strukturen und den persönlichen Austausch angewiesen sind. Es fehlt ihnen möglicherweise jemand, der ihnen konkret sagt, was sie wann und wie tun sollen – und wenn es das Vorbild des Kollegen gegenüber ist.

Ganz generell – auch für die Supermotivierten – gilt: Der Koordinations- und Interaktionsaufwand steigt, wenn Mitarbeiter im Homeoffice sind; Führung und Motivation werden wesentlich anspruchsvoller. Sinnvolle Benefits, die diesen Prozess unterstützen können, sind daher alle, die dem Mitarbeiter die Arbeit im Homeoffice erleichtern. Das können Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände ebenso sein wie eine strukturierte Kommunikationsroutine mit einer neuen „Sprechzeit“ der Führungskraft, die für die Anliegen der zu Hause Tätigen zur Verfügung steht. Großzügigkeit kann hier an erste Stelle stehen – so es die Ressourcen hergeben. Das gilt sowohl für die personelle als auch für die finanzielle Ausstattung. Denn nichts ist ein größerer Motivationskiller als Erwartungen, die erst geweckt und dann nicht erfüllt werden.

Im Hinblick auf die Payroll gilt für die rein materiellen Wohltaten: Übernimmt das Unternehmen Kosten für die Ausstattung eines Homeoffice, etwa mit Laptop, Drucker oder auch IT-Möbeln, führt dies nicht zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil, wenn die Gegenstände Eigentum das Arbeitgebers bleiben. Das ist auch dann der Fall, wenn die Geräte oder Ausstattungsgegenstände auch privat genutzt werden.

Auch Privatnutzung ist steuerfrei

Anders ist das, wenn das Unternehmen die Ausstattung dem Arbeitnehmer schenkt: Dann gehören selbst kostenpflichtige Softwareupdates zum Sachbezug und damit zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es ist daher in der derzeitigen Praxis der Improvisation und schnellen Lösungen notwendig, zu klären, in wessen Eigentum sich die Dinge befinden. Aus strategischer Sicht sinnvoll ist es, die Ausstattung dann zu übereignen, wenn sie später voraussichtlich eher nicht mehr gebraucht wird. In diesem Fall freilich sollte der Mitarbeiter in die Auswahl mit einbezogen werden – Stichwort Bedürfnisse.

Doch ein schicker Laptop allein macht noch keine Arbeitsmotivation, auch wenn ihn der Arbeitgeber zur Privatnutzung überlässt. Wichtig ist neben der materiellen Zuwendung als solcher die dahinterstehende Achtung und Wertschätzung der Person des Mitarbeiters und die Würdigung seiner individuellen Situation. Arbeitgeber sollten also ganz konkret danach fragen, was Mitarbeiter im Moment am nötigsten brauchen – und sie damit auch mittelfristig ans Unternehmen binden.

Geben, was unterstützt

Natürlich ist es derzeit schwieriger oder gar unmöglich, bestimmte Wünsche dann auch umzusetzen – Stichwort Kinderbetreuung oder Fitnessstudio-Mitgliedschaft. Dafür gibt es auch zwei positive Effekte: Erstens ist allein die Frage nach der Art von gewünschter Unterstützung bereits ein Wert an sich, zweitens nützen die Benefits, die sich Mitarbeiter heute ausbedingen, ganz unmittelbar dem Unternehmen, wenn sie umsetzbar sind.

Das rührt daher, dass mehr als in jeder anderen Situation aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem Dinge abgerufen werden, die die Belegschaft dabei unterstützen, nicht nur ihre Motivation zu erhöhen, sondern möglicherweise überhaupt ihre Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. So gesehen waren Benefits nie wichtiger als heute. Das fordert HR selbstverständlich in ganz besonderer Weise heraus.

Oder doch eine betriebliche Versicherung und Weiterbildung?

So mag es etwa verwegen erscheinen, sich in der derzeitigen Lage Gedanken über eine mittel- oder langfristige Absicherung von Risiken via betriebliche Versicherung zu machen – psychologisch sinnvoll ist die gekaufte Sicherheit aber derzeit für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allemal. Freilich ist es angesichts ohnehin viel zu knapper Zeitbudgets wenig erfolgversprechend, sich vollkommen neu mit dem Thema betriebliche Versicherungen zu beschäftigen.

Doch wo etwa bereits Unterlagen zu geplanten, begonnenen oder angedachten Maßnahmen dafür in der Schublade liegen, ist jetzt vielleicht gar nicht einmal der schlechteste Zeitpunkt, sie herauszuholen. Denn es hilft möglicherweise Mitarbeitern mental, im Zweifelsfall auf gesundheitliche Zusatzleistungen Anspruch zu haben oder in jedem Fall besser als gesetzlich gegen Berufsunfähigkeit abgesichert zu sein.

Auch Weiterbildung – virtuelle selbstredend – kann etwas sein, das gerade Mitarbeitern hilft, die eine Perspektive brauchen. Etwas Neues zu lernen, mindert das Gefühl des lähmenden Stillstands, das viele derzeit verspüren. In zahlreichen Betrieben dürfte neben der Mehrarbeit in einzelnen Abteilungen durchaus auch Leerlauf andernorts auftauchen. Diesen auszufüllen, ist eine wesentliche strategische Aufgabe. Denn Unterforderung und Unterauslastung erzeugen ebenso Stress wie das Gegenteil.

Budget und Wahlfreiheit für größere Unternehmen

Wo die Mitarbeiteranzahl pro Vorgesetztem in der aktuellen Ausnahmesituation die Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit einzelnen Benefits übersteigt, in größeren Unternehmen mit personalstarken Abteilungen etwa, empfiehlt es sich möglicherweise, ein Kontingent pro Mitarbeiter für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Je nach finanziellem Spielraum des Betriebs lässt sich etwa der noch zur Verfügung stehende steuerfreie Rahmen für die Zusatzleistungen nun voll ausschöpfen.

In der praktischen Umsetzung kann dann jeder Beschäftigte gemäß seinem Budget und einem Katalog an Maßnahmen die für ihn im Moment am besten geeignete Unterstützung auswählen. Auf diese Weise signalisieren Arbeitgeber dreierlei: Zum Ersten, dass sie sich generell um die persönlichen Belange ihrer Mitarbeiter kümmern, zum Zweiten, dass sie dies gerade in schwierigen Zeiten tun, und zum Dritten, dass sie auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen und diesen zutrauen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Generell möglich ist selbstverständlich auch eine ganz offene Wahl ohne Vorgaben. Dann allerdings sollten Arbeitgeber im Vorfeld darauf hinweisen, dass unter Umständen nicht alle Wünsche umgesetzt werden können – insbesondere auch im Hinblick auf die mehr als angespannte Situation in Payroll und HR, die all den nunmehr anfallenden Antragsstellungsprozessen und allgemeinen Anpassungsarbeiten aller Art geschuldet ist.

Wenn es gelingt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Zusatzleistungen gerade in diesen schwierigen Zeiten ganz passgenau zu unterstützen, dann ist dies die größte Wertschätzung, die man ihnen angedeihen lassen kann. Allein dies kann Ansporn sein, sich auch bei knappen Zeitbudgets einem Thema zu widmen, das vielleicht momentan eher lässlich erscheint. Es ist genau das Gegenteil: Denn was am Ende auf jeden Fall bleibt, sind die menschlichen Beziehungen. Und das ist eine ganze Menge.

Alexandra Buba

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