Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Free

Corona-Krise : Lohnt sich Kurzarbeit für Unternehmen?

Das Coronavirus legt große Teile unserer Wirtschaft lahm. Die Zahl der Betriebe, die Kurzarbeit beantragen wollen, steigt auf Rekordniveau. Eine rasant ansteigende Zahl an Anzeigen von Kurzarbeit meldet die Bundesarbeitsagentur seit Beginn der Krise. Die Zahl der Kurzarbeiter während der Bankenkrise (1,4 Millionen) wird überschritten. Schon jetzt sind 10 Millionen gemeldet*.

Sabine KatzmairPraxis
Lesezeit 5 Min.
Eine Nahaufnahme eines Zifferblatts mit dem Wort „kurzarbeit“, was auf eine Reduzierung der Arbeitszeit oder eine Anpassung des Arbeitsplans hindeutet.

Allerdings hat das von der Bundesregierung viel gepriesene Modell der Kurzarbeit, das vielen Unternehmen in der Krise schnell helfen soll, Tücken. Denn wenn man sich näher mit dem Thema und vor allem mit dessen Umsetzung befasst, sieht man: Das auf dem Papier geschaffene „Paket“, das für schnelle finanzielle Entlastung aller betroffenen Unternehmen sorgen soll, sieht in der Realität dann doch etwas anders aus. Kurzarbeit ist bürokratisch, unflexibel und die Umsetzung in der Entgeltabrechnung komplex. Nicht für alle Unternehmen hält es, was es verspricht, und bietet die schnelle Entlastung, die Firmen jetzt brauchen. Lassen Sie uns einige Punkte genauer anschauen, die ich für Arbeitgeber derzeit eher als zusätzliche Belastung denn als Entlastung sehe.

Belastung 1: Kurzarbeitergeld (KUG) – fehlende Umsetzungskenntnisse und fehlendes Fach-Know-how

Erst kürzlich sprach ich mit einer Mitarbeiterin des Arbeitgeberservice der Techniker Krankenkasse über das Thema Kurzarbeit. Sowohl bei den Krankenkassen als auch in den Unternehmen gibt es derzeit nur wenige Leute, die sich mit der Umsetzung und den Besonderheiten bei Kurzarbeit wirklich auskennen. In vielen Unternehmen hatte man noch nie mit Kurzarbeit zu tun, weil diese schlichtweg nie gebraucht wurde. In vielen Branchen ist seit der Bankenkrise niemand mehr mit dem Thema in Berührung gekommen, und aufgrund der Coronakrise ist zum Teil wertvolles Personal selbst im Krankenstand oder in Quarantäne. Zudem ändert die Bundesregierung die Regeln bezüglich Kurzarbeit fast schon im Wochentakt – fundiertes Fachwissen im Bereich Kurzarbeit ist gut, aktuelles Wissen noch besser. Up-to-date-Bleiben ist derzeit anstrengend.

Belastung 2: keine Erstattung aller Sozialversicherungsbeiträge an den Arbeitgeber

„Alle Arbeitgeber mit Kurzarbeit bekommen die Sozialversicherungsbeiträge über die Bundesagentur für Arbeit erstattet“, sagte kürzlich erst Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in einer Talkshow zum Thema Coronakrise und neue Regelungen für Kurzarbeit. Das ist nur teilweise richtig. Dies wird in den Medien oft falsch kommuniziert. Der Arbeitgeber wird nur teilweise von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet – nämlich nur für das sog. Ausgefallene Entgelt. Für das sog. fiktive Entgelt werden weiterhin der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerbeitrag wie rechtlich vorgeschrieben zunächst abgeführt. Nur diese Beiträge in Höhe von ca. 36 Prozent erhält der Arbeitgeber im Nachhinein wieder zusammen mit dem Kurzarbeitergeld über die Arbeitsagentur erstattet. Diese Regelung ist jedoch nur zeitlich bis zum 31.12.2020 befristet. Was danach passiert, ist offen.

Eine Tabelle mit Erläuterungen zu Begriffen im Zusammenhang mit der Entschädigung bei Kurzarbeit auf Deutsch. Sie umfasst Soll-Entgelt, Ist-Entgelt und Fiktives Entgelt (SV) mit Hinweisen zu den Sozialversicherungsbeiträgen während der COVID-19-Krise im Jahr 2020.

 

Das sog. Ist-Entgelt (Kurzgeld) wird dagegen wie sonst auch üblich paritätisch in allen Zweigen der Sozialversicherung verbeitragt. Für diese vom Unternehmen geleisteten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung gibt es keinerlei Erstattung.

Belastung 3: KUG – Unternehmen gehen in Vorleistung

Kurzarbeitergeld ist keine schnelle finanzielle Entlastung für Unternehmen – im Gegenteil. Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit (BA), ebenso wie das Arbeitslosengeld. Anders als das Arbeitslosengeld wird das sog. KUG jedoch über die Unternehmen ausgezahlt. Die Unternehmen gehen hier zunächst in finanzielle Vorleistung. Erst über den Erstattungsantrag, der innerhalb von drei Monaten bei der BA eingehen muss, bekommen die Arbeitgeber sowohl das ausgezahlte Kurzarbeitergeld als auch die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge für das ausgefallene Entgelt erstattet.

Belastung 4: KUG-Berechnung – Verantwortung liegt beim Arbeitgeber

Vom Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld berechnet und ausgezahlt werden. Berechnungsfehler sind bei den komplexen Regelungen vorprogrammiert. Die Erstattung des Kurzarbeitergelds durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt unter Vorbehalt, d. h. es erfolgt im Nachhinein eine Prüfung durch die Behörde, ob das KUG richtig berechnet und ausgezahlt wurde.

Belastung 5: KUG – Arbeitgeberzuschüsse teilweise sozialversicherungspflichtig

Tariflich oder einzelvertraglich vereinbarte Zuschüsse zum KUG muss der Arbeitgeber verpflichtend bezahlen. Allerdings sind auch hier Arbeitgeberzuschüsse zum KUG nur teilweise sozialversicherungsfrei. Übersteigen diese zusammen mit dem Ist-Entgelt und dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des ursprünglichen Nettos des Arbeitnehmers, wird der übersteigende Teil verbeitragt. Arbeitgeberzuschüsse zum KUG sind immer lohnsteuerpflichtig – ohne Ausnahme. Mit der Erhöhung des KUG auf 70%/80% müssen natürlich auch hier etwaige Vereinbarungen angepasst werden.

Belastung 6: KUG – bürokratischer, umständlicher Antragsprozess

Der Antragsprozess bei der Bundesagentur für Arbeit erfolgt in drei Schritten: Anzeige, Antrag, Abrechnung. Dies dauert zu lang und ist viel zu umständlich. Die Agenturen sind derzeit vollkommen überlastet und geben keine telefonische Auskunft für Arbeitgeber. Dementsprechend lang ist auch die Bearbeitungszeit.

Belastung 7: Höhe des KUG und Anrechnung von Nebenverdiensten

Die Höhe des Kurzarbeitergelds von 60 Prozent für Arbeitnehmer ohne Kinder und 67 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern ist nicht berauschend. Deshalb wurde gerade eben (22. April 2020) durch die Regierung eine Erhöhung des KUG beschlossen. Die Erhöhung soll schrittweise erfolgen: Ab dem 4. Monat gibt’s 10% (70%/77%) und ab dem 7. Monat der Kurzarbeit dann 20% (80%/87%) mehr. Zudem kommt noch hinzu, dass Nebenjobs des Arbeitnehmers, die während der Kurzarbeit begonnen werden, auf das Kurzarbeitergeld angerechnet werden.

Ausnahme waren bisher vor kurzem noch Nebenjobs in systemrelevanten Bereichen (neue Regelung). Jetzt hat man dies auf alle Nebentätigkeiten ausgeweitet. Allerdings gedeckelt auf das Netto, das der Arbeitnehmer üblicherweise verdient hat. Dies ist eine Belastung für die Arbeitgeber. Denn diese müssen auch hier wieder Nebenverdienstbescheinigungen und Informationen einholen, um die Anrechnung und Berechnung des Kurzarbeitergelds richtig durchführen zu können. Nebenjobs, die vor Kurzarbeit, also vor der Krise schon begonnen wurden, bleiben allerdings außen vor.

Belastung 8: KUG – macht Unternehmen unflexibel Kurzarbeit macht

Unternehmen unflexibel. Warum? Während der Kurzarbeit dürfen Arbeitgeber keine Überstunden machen und auszahlen, z. B. wenn sich die Auftragslage bessert, das Geschäft wieder anzieht. Um darauf zu reagieren, müssen Arbeitgeber flexibel sein, da dies in der derzeitigen Krise erst einmal sehr langsam passieren, vielleicht auch in Wellen erfolgen wird. Diese Flexibilität hat der Arbeitgeber in Kurzarbeit jedoch nicht. Denn hierzu muss die Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur offiziell beendet bzw. unterbrochen werden. Konsequenz: Es müssen wieder volle Gehälter gezahlt werden.

FAZIT

Kurzarbeit ist natürlich ein Instrument, das vielen Firmen helfen kann. Aber nicht in einer Krise, die schnellstmögliches Handeln, eine schnelle Umsetzung und finanzielle Entlastung verlangt. Wie es anders und effizienter geht, zeigt mal wieder Österreich. Die sog. „Corona-Kurzarbeit“ erstattet zwischen 80 und 90 Prozent des letzten Einkommens. Abgerechnet wird zum Schluss, schwankende Arbeitszeiten sind möglich. Die Beantragung ist unbürokratisch und durch einen einmaligen Antrag innerhalb von 48 Stunden online erledigt. Deshalb: Auch in Deutschland müssen die Regelungen für Kurzarbeit im Krisenfall einfacher werden – sowohl im Beantragungsprozess, in der Berechnung und Höhe als auch in der Umsetzung in der Entgeltabrechnung für die Arbeitgeber.

Sabine Katzmair

Diesen Beitrag teilen: