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Arbeitsrecht : Rechtsprechung für Sie aufbereitet

Lesezeit 9 Min.

Einigungsstelle – Vergütung des Vorsitzenden

(BAG, Beschluss vom 11.12.2019 – 7 ABR 4/18)

Nach § 76a Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat ein betriebsfremdes Mitglied einer Einigungsstelle gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit im Einigungsstellenverfahren, dessen Höhe sich nach den Grundsätzen des § 76a Abs. 4 Satz 3 bis 5 BetrVG richtet. § 76a Abs. 3 BetrVG begründet einen gesetzlichen Anspruch des betriebsfremden Mitglieds auf Vergütung seiner Tätigkeit in der Einigungsstelle. Von § 76a Abs. 3 BetrVG kann nach § 76a Abs. 5 BetrVG abgewichen werden. Das Gesetz sieht ausdrücklich nur eine Abweichung durch Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vor, wenn ein Tarifvertrag dies zulässt oder eine tarifliche Regelung nicht besteht. Es entspricht aber allgemeiner Ansicht, dass auch einzelvertragliche Absprachen über eine anderweitige Vergütungsregelung zulässig sind.

Das umsatzsteuerpflichtige Mitglied einer Einigungsstelle hat nach § 76a Abs. 3 BetrVG auch einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer. Einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedarf es hierüber nicht.

Die Umsatzsteuer ist keine eigenständige Honorarforderung, sondern Teil von ihr, die aufgrund umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen lediglich gesondert auszuweisen ist.

Wird die Höhe der Vergütung des Einigungsstellenvorsitzenden nicht durch vertragliche Absprache mit dem Arbeitgeber geregelt, ist eine einseitige Bestimmung der Höhe der Vergütung durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle gemäß §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der in § 76a Abs. 4 BetrVG genannten Grundsätze vorzunehmen. Das Recht einer Vertragspartei, die Leistung nach § 315 BGB einseitig zu bestimmen, ist ein Gestaltungsrecht. Es wird nach § 315 Abs. 2 BGB durch eine rechtsgeschäftliche, empfangsbedürftige Erklärung gegenüber der anderen Vertragspartei ausgeübt. Die Gestaltungserklärung bedarf regelmäßig keiner Form, ist also auch durch schlüssiges Verhalten möglich. Allerdings muss die Bestimmung so eindeutig erfolgen, dass der Gegner ohne Nachforschung und Berechnung weiß, was er schuldet. Ist das Leistungsbestimmungsrecht einmal wirksam ausgeübt, so ist es verbraucht. Der Bestimmungsberechtigte kann es kein zweites Mal ausüben, weil er es sich „anders überlegt“ hat. Die Leistungsbestimmung konkretisiert den Leistungsinhalt endgültig, sie ist als Gestaltungserklärung für den Bestimmenden unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit dient der Rechtssicherheit und dem Schutz der nicht mitbestimmungsberechtigten Vertragspartei, die sich auf die Verbindlichkeit der einmal getroffenen Bestimmung verlassen und ihr Verhalten darauf einrichten darf.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können unternehmensfremde Einigungsstellenmitglieder vom Arbeitgeber auch die Erstattung der Kosten verlangen, die bei der gerichtlichen Durchsetzung des ihnen nach § 76a Abs. 3 BetrVG zustehenden Honoraranspruchs anfallen (sogenannte Honorardurchsetzungskosten).

Ein rotes Absatzsymbol, das auf einem Dokument steht, mit einer arbeitenden Person im Hintergrund, symbolisiert juristische Arbeit oder das Studium der Rechtswissenschaften.

Die Honorardurchsetzungskosten zählen zwar nicht zu den vom Arbeitgeber nach Abs. 1 BetrVG zu tragenden Kosten der Einigungsstelle, können aber ein nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzender Verzugsschaden sein. Die Anwaltskosten für die gerichtliche Durchsetzung des Honoraranspruchs können auch dann zu ersetzen sein, wenn das Einigungsstellenmitglied ein Rechtsanwalt ist und das Beschlussverfahren selbst führt.

Entgeltfortzahlung – Einheit des Verhinderungsfalls

(BAG, Urteil vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18)

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, und damit für das Ende des Verhinderungsfalls, ist grundsätzlich die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit – ungeachtet der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers – im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird. Das gilt unabhängig davon, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder einen arbeitsfreien Tag fällt.

Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank und bestreitet der Arbeitgeber unter Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls, dass Arbeitsunfähigkeit infolge der „neuen“ Krankheit erst jetzt eigetreten sei, hat der Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass die neue Arbeitsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war. Der Arbeitnehmer ist, mit anderen Worten, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine bisherige Erkrankung bei Eintritt der mit neuer Erstbescheinigung attestierten Arbeitsverhinderung keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Krankengeldbezug angeschlossen hat und der Arbeitnehmer in der Folge vom Arbeitgeber unter Vorlage einer neuen Erstbescheinigung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen einer sich unmittelbar an den Krankengeldbezug anschließenden Arbeitsverhinderung verlangt.

Für die Darlegung und den Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass sich die Erkrankungen, für die dem Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeit attestiert worden ist, überschneiden, so ist der Beweiswert der dem Arbeitnehmer für die „neue“ Krankheit ausgestellten „Erstbescheinigung“ erschüttert. Der Arbeitnehmer muss dann für den Zeitpunkt der Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit wegen seiner „früheren“ Krankheit vor Eintritt der neuerlichen Arbeitsverhinderung vollen Beweis erbringen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes zur Verfügung.

Bei der näheren Bestimmung der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast muss berücksichtigt werden, dass der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und deshalb auch kaum in der Lage ist, belastbare Indizien oder Tatsachen für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls vorzutragen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkannt und schon früher in den vergleichbaren Fällen, in denen sich der Arbeitgeber auf eine Fortsetzungserkrankung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG beruft, diesem eine Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast zugebilligt. Entsprechendes soll nach Ansicht des Gerichts für den Arbeitgeber auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gelten.

Hiervon ausgehend besteht ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls regelmäßig dann, wenn sich an eine „erste“ Arbeitsverhinderung in engem zeitlichen Zusammenhang eine dem Arbeitnehmer im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit dergestalt anschließt, dass die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder dass zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt. Bei solchen Sachverhalten ist es dem Arbeitgeber angesichts fehlender zwischenzeitlicher Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers nahezu unmöglich, konkrete Anhaltspunkte zur Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigung vorzutragen. Es ist deshalb dem Arbeitnehmer auch unter Berücksichtigung seiner Sachnähe zuzumuten, seine Behauptung, es lägen voneinander zu trennende Verhinderungsfälle vor, durch konkreten Vortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende bzw. Beginn der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren und hierfür gegebenenfalls vollen Beweis zu erbringen.

Ordentliche Kündigung außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)

(BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 107/19)

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Verstößt das Rechtsgeschäft – wie eine an sich neutrale Kündigung – nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, welches diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben.

Der Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind.

Im Rahmen der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB ist der objektive Gehalt der Grundrechte zu berücksichtigen. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist allerdings umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen.

Wirtschaftsausschuss – Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs

(BAG, Beschluss vom 17.12.2019 – 1 ABR 25/18)

Nach § 109 Satz 1 und Satz 2 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinne des § 106 BetrVG entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt wird und hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat keine Einigung zustande kommt. Das in § 109 BetrVG normierte Konfliktlösungsverfahren ist für Auseinandersetzungen über Grund, Umfang und Modalitäten der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Unternehmers nach § 106 Abs. 2 BetrVG vorgesehen. Die Vorschrift begründet eine gesetzliche Primärzuständigkeit der Einigungsstelle; bei Konflikten über ein Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses soll das Einigungsstellenverfahren als vorgeschaltetes Verfahren den Betriebsparteien die Möglichkeit einer raschen Einigung auf betrieblicher Ebene eröffnen.

Da der Spruch der Einigungsstelle nach der gesetzlichen Vorgabe in § 109 Satz 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, ist der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verpflichtet, den Spruch durchzuführen. Will er dem nicht nachkommen, muss er dessen Unwirksamkeit gerichtlich geltend Machen.

Anders als einem Einigungsstellenspruch in den Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung kommt dem Spruch nach § 109 Satz 2 BetrVG keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Einigungsstelle hat über die Berechtigung eines vom Wirtschaftsausschuss geltend gemachten Verlangens und damit über den Inhalt gesetzlich definierter Ansprüche zu befinden. Ihre Entscheidung betrifft damit keine betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsfragen, sondern Rechtsfragen. Bei der Beurteilung, wann, in welcher Art und Weise und unter Vorlage welcher Unterlagen eine Auskunft zu erfolgen hat, wendet die Einigungsstelle die in § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe an, trifft jedoch keine in ihrem Ermessen stehende Entscheidung. Aus diesem Grund unterliegt ihr Spruch auch keiner eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle nach § 76 Abs. 5 BetrVG, sondern einer umfassenden Rechtskontrolle. Macht der Arbeitgeber die Unwirksamkeit eines auf eine Unterrichtungs- oder Vorlagepflicht erkennenden Spruchs geltend, will er daher – sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen – regelmäßig nicht nur den Einigungsstellenspruch gerichtlich für unwirksam erklären, sondern auch feststellen lassen, dass keine gesetzliche Verpflichtung besteht, dem zugrunde liegenden Verlangen des Wirtschaftsausschusses nachzukommen. Nur mit einem solchen Antragsverständnis wird der zwischen den Betriebsparteien bestehende Streit über den Unterrichtungs-/Vorlageanspruch des Wirtschaftsausschusses oder seine Modalitäten abschließend geklärt.

Dr. iur. Hans-Otto, Blaeser, Köln

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