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Konferenz „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ : What’s New Pussycat?

Zum 21. Mal fand der trotz Virus gutbesuchte MCC-Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ am 10/11.03.2020 in Berlin statt. Viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft war vertreten und gab ihre Prognosen und Konzepte zum Besten. Einige Schlaglichter oder -löcher haben wir für Sie in diesem Beitrag aufbereitet.

Lesezeit 4 Min.

 „Alte und neue Baustellen“

Der allseits bekannte Rentenexperte Bert Rürup, dereinst Vater der Selbstständigenrente und Partner von Herrn „Höhlenlöwe“ Maschmeyer, ließ es sich nicht nehmen, seine innere Kassandra rufen zu lassen und seine Meinung zum gesetzlichen Rentensystem abzugeben:

  • Bis 2030 wird es 150 Milliarden Euro an Kosten für die jüngste Rentenreform geben, da bis dato hunderttausende Anträge auf Rente mit 63 gestellt wurden und damit den Fachkräftemangel in Deutschland verschlimmern.
  • Die Integration von Flüchtlingen wird die Kosten der Sozialkassen erhöhen und die Arbeitslosenquote steigen lassen.
  • Die Altersarmut wird dramatisch steigen. Bei 9 Euro Mindestlohn braucht man 46 Beitragsjahre, um eine gesetzliche Rente von 750 Euro zu erreichen.
  • Deutschland hat außerdem die niedrigste Ersatzrate im Alter bei allen OECD-Ländern.

Momentan sind viele schwarze Schwäne zeitgleich aufgetaucht: Ölpreisverfall, Corona und Rezession.

Nach etwa 60 Rentenreformen seit 1957, davon sechs sogenannte „Jahrhundertreformen“ – die nie länger als zwei Legislaturperioden Bestand hatten –, stehen aktuell u. a. folgende Themen auf der politischen Agenda:

  • 48 Prozent angestrebte Mindestsicherung/Haltelinie der gesetzlichen Rente bis 2025 (vor Steuer und Sozialversicherungsabgaben),
  • 20 Prozent Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 2025,
  • Entlastung von Geringverdienern, ohne deren Rentenansprüche zu mildern,
  • damit in den Jahren 2019 bis 2025 etwa 32 Mrd. Euro Zusatzkosten für die gesetzliche Rentenversicherung,
  • Bildung einer neuen Rentenkommission für Vorschläge zur Lösung der Jahre 2025 bis 45, in denen der Altersquotient dramatisch steigt, da die „Babyboomer“ in Rente gehen – leider bis dato keine Ergebnisse, sondern nur Streit,
  • „Grundrente“ mit Freibetrag bei Eigenvorsorge (35 Jahre Rentenbeiträge und unterhalb der Mindestrente Kosten der Auffüllung von 5 Milliarden Euro im Jahr) und die
  • Einbeziehung Selbstständiger in die Altersvorsorgesysteme, um hier massive Altersarmut zu vermeiden.

Seine Lösungsansätze:

  • Senkung der Mehrwertsteuer, um den Konsum anzukurbeln,
  • Mischfinanzierung des Rentensystems der Zukunft: Umlage und Kapitaldeckung,
  • Einführung der „Deutschlandrente“ als Vorsorgekontenmodell, • betriebliche Altersversorgung stärker arbeitgeberfinanziert,
  • Einführung einer „Maschinensteuer“ bzw. eines „Wertschöpfungsbeitrags“, um gesetzliche Rentenkassen trotz sinkender Beschäftigung und des Ersatzes von Menschen durch Technik zu finanzieren. Die Globalisierung/ Digitalisierung fordert ihre Opfer und bedarf einer neuen Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung (z. B. durch Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, Einbeziehung von mehr Bevölkerungsteilen).
  • In den letzten Jahrzehnten hatten wir kontinuierliche Rentenreformen, die u. a. in
  • Abschlägen beim vorzeitigen Renteneintritt (z. B. 0,3 Prozent pro Monat),
  • Heraufsetzen des Renteneintrittsalters in der Altersrente auf das 67. Lebensjahr (geplant ist perspektivisch das 70. Lebensjahr nach der nächsten Bundestagswahl),
  • Einführung des demografischen Faktors, um die Rentnerzahl an die Beitragszahlermenge anzupassen,
  • Einführung der Erwerbs- statt der Berufsunfähigkeitsrenten und
  • der Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen bestanden.

Die Grundrente soll das Problem Altersarmut ab 2021 abmildern und alle bisherigen Zuschüsse (Wohngeld/ Grundsicherung) ablösen

Das Bundessozialministerium rechnet bis 2035 mit 1 Million Berechtigten.

Zugleich soll durch die Hintertür eine Pflicht zur betrieblichen Altersversorgung (Sozialpartnermodell) und/oder Riester-Rente (Aufwertung Zulagen) eingeführt werden. Die Einführung dieser Pflicht ist inzwischen auf das Jahr 2023 fixiert. Hier darf man weiter gespannt sein …

Ein fröhliches Familientreffen im Freien, bei dem ein lächelndes kleines Mädchen ein Kätzchen hält, während ein älterer Mann ihm nach dem Kätzchen streicheln will, umgeben von einer festlichen Atmosphäre mit Luftballons und Gästen im Hintergrund.

Tarif-/Sozialpartnerrente

Eine betriebliche Rente, die gänzlich von den Tarifparteien als reine Beitragszusage („Tarifrente“ ohne Garantien für den Arbeitnehmer als sogenannte „Wunsch- oder Zielrente“) ausgestaltet wird und als Referenz bzw. durch Allgemeinverbindlichkeit für eine Vielzahl vor allem Klein- und mittelständischer Unternehmen (zwangsweise) gelten wird. Außerdem darf ein Opting-out-Verfahren vereinbart werden. Sofern der Arbeitgeber Sozialbeiträge spart, muss er 15 Prozent des Umwandlungsbetrags (als Pauschale oder den individuell errechneten Sparbetrag) an den Arbeitnehmer bzw. die Versorgungseinrichtung weiterreichen. Hinzu kommen Sicherungsbeiträge.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, forderte die Sozialpartner schon mehrfach auf, endlich die Vorgaben des Gesetzgebers mit Leben zu füllen.

Dr. Norbert Reuter (Gewerkschaft Verdi) erläuterte, dass es – trotz anderslautender Presseberichte – bisher kein Sozialpartnermodell gibt und man sich in schwierigen Verhandlungen befinde. Alle Beteiligten haben Angst vor Akzeptanzproblemen und Reputationsverlust.

Niedrigzinsphase

Im Lebensversicherungsgeschäft, das gerade oft aus steuerlichen Aspekten interessant ist, sinkt die Nachfrage nach klassischen Produkten deutlich, da die Garantiezinsen durch mangelnde Ertragschancen drastisch gesunken sind. Der Garantiezins (richtiger: gesetzlicher Höchstrechnungszins) in Deutschland auf den Sparanteil einer Lebensversicherung (Beitrag nach Abzug von Risiko- und Kostenanteil) beträgt inzwischen sage und schreibe 0,9 Prozent pro Jahr. 0,5 Prozent oder weniger sind zum 01.07.2020 oder 01.01.2021 geplant. In den Jahren 1995 bis 2000 betrug dieser Zinssatz immerhin 4 Prozent per annum.

Damit wird eine Alters- und Hinterbliebenenvorsorge zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards spürbar teurer.

Etliche Referenten legte auf der Konferenz dar, dass

  • langfristig keine Zinswende im Euroraum in Sicht ist,
  • geldpolitische Maßnahmen und Inflation gegen den Betriebsrenten-/ Lebensversicherungskunden arbeiten und
  • niemand an Aktienanlage/Fondskonstruktionen zur Sicherung einer auskömmlichen Altersversorgung vorbeikommt.

Ganz neu ist auch das Thema „Nachhaltigkeit/Ethische Geldanlagen“. Wenn der Staat demnächst „Green Bonds“ herausgibt, das Sozialpartnermodell die grünen Geldanlagen in den Vordergrund rückt oder der Einzelne nach sinnstiftenden Anlageformen fragt, ist das ein wichtiges Thema unserer Zeit geworden!

FAZIT

„Wohin mit Oma“ wird tatsächlich irgendwann zur Frage jeder Familie, wenn Altersarmut droht, die gesetzliche Rente nicht reicht oder für Vorsorge nie Zeit oder Geld da war. Auch werden nicht alle Versicherer mit Oma alt werden, da nur etwa die Hälfte aller Anbieter die gesetzlichen Sicherungsanforderungen an Kapital („Solvency II“) erfüllt. Gute Betriebsrentenmodelle können hier Oma, Kindern und Enkeln langfristig helfen. Aber: Trau, schau, wem! Bleiben Sie wachsam und greifen auch Sie den neuen Trend zur „Altersvorfreude“ statt „Altersvor-Sorge“ auf.

Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger. Er berät Ministerien und Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung von Gesetzen sowie bei Ausschreibungen der betrieblichen Altersversorgung und ist dem Hause Datakontext als Seminarleiter und Fachautor verbunden.

www.nareuisch.de

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