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Risiken und Folgen : Kurzarbeit – Prüfung erfolgreich meistern

Die wegen der Pandemie notwendigen Hilfsmaßnahmen, um Firmen das Überleben zu ermöglichen, führten in vielen Betrieben zu Kurzarbeit. Allein im November 2020 waren nach Angaben des Münchner ifo Instituts rund 1,98 Millionen Personen in Deutschland in Kurzarbeit. Im April 2020 zählte die Bundesagentur für Arbeit sogar rund sechs Millionen. Die Anzeige der Kurzarbeit und die Erstattung von Kurzarbeitergeld erfolgten im Gegensatz zur üblichen Praxis ohne vorherige Beratung und ohne weitere Nachweise in einem zweistufigen Verfahren. Nach Ende des Bezugszeitraums führen die Agenturen für Arbeit nun die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen durch.

Lesezeit 14 Min.

Kurzarbeit anzeigen – Kurzarbeitergeld erhalten

Nachdem ein Unternehmen im Betrieb in arbeitsrechtlich zulässiger Weise (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag etc.) Kurzarbeit vereinbart und eingeführt hat, ist dies der zuständigen Agentur für Arbeit noch im selben Monat anzuzeigen (Stufe 1). Nach Eingang der Anzeige über die Einführung von Kurzarbeit (Formular Kug 101) stellt die Agentur für Arbeit nach kurzer Prüfung durch vorläufigen Bescheid fest, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld (Kug) grundsätzlich vorliegen.

Am Ende jedes Monats, in dem kurzgearbeitet wurde, berechnet der Arbeitgeber dann das Kurzarbeitergeld und zahlt es den betroffenen Beschäftigten gemeinsam mit dem Lohn für eventuell geleistete Arbeitsstunden aus.

Ab dem Folgemonat beantragt der Arbeitgeber dann innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten die Erstattung des Kurzarbeitergeldes bei der Agentur für Arbeit (Stufe 2). Für den Antrag auf Kurzarbeitergeld sind grundsätzlich die von der Bundesagentur für Arbeit vorgesehenen Vordrucke zu verwenden (Leistungsantrag Kug 107/Kug 207 und Abrechnungsliste Kug 108/Kug 208). Nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit erfolgt die Zahlung wiederum im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III und wird mit einem Leistungsbescheid bekanntgegeben. Die flexible Ausgestaltung des Gesetzes ermöglicht es dem Arbeitgeber, im Rahmen der Mindestvoraussetzungen bis zum Maximum (= Kurzarbeit null) zu agieren und den prognostizierten Arbeits- und Entgeltausfall zu präzisieren. Beendet das Unternehmen die Kurzarbeit, folgt nach dem letzten Kug-Bezug die sogenannte Abschlussprüfung. Nach der Rückkehr zur Vollarbeit prüft die Behörde die Anträge erneut und kann auch Überzahlungen zurückfordern. Die beschriebenen Vereinfachungen bei der Gewährung des Kurzarbeitergeldes dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit tiefergehenden Prüfungen durch die Agentur für Arbeit zu rechnen sein wird.

Erleichterte Mindestvoraussetzungen für Kurzarbeit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kurzarbeit und das Kug wurden mit großer Eile und im Zuge zahlreicher Sondersitzungen von Bundestag (BT) und Bundesrat (BR) in mehreren Gesetzespaketen fortgeschrieben und justiert. Dies geschah etwa durch das Sozialschutzpaket II, dessen Regelungen bereits durch die Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung und zuletzt durch das Beschäftigungssicherungsgesetz verlängert wurden. Die bis zum 31.12.2021 befristeten Erleichterungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld gelten inzwischen auch für Betriebe, die bis zum 30.06.2021 Kurzarbeit eingeführt haben. Das geht aus der Zweiten Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung hervor, die am 01.04.2021 in Kraft trat.

Damit gelten nun grundsätzlich und befristet bis 31.12.2021 folgende Erleichterungen: Es genügt als Mindesterfordernis, wenn zehn Prozent der relevanten Beschäftigten eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung von einem Arbeitsausfall (mit Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent des Bruttoentgelts) betroffen sind, damit ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen kann. Sozialversicherungsbeiträge, welche die Arbeitgeber für ihre kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müssen, werden derzeit vollständig erstattet. Die vollständige Erstattung ist befristet bis zum 30.06.2021. Für alle Betriebe, die bis zum 30.06.2021 Kurzarbeit

eingeführt und mit dem Bezug von Kug begonnen haben, erstattet die Agentur für Arbeit im Zeitraum 01.07. bis 31.12.2021 die Hälfte der vom Arbeitgeber allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge.

Eine zusätzliche Erstattung greift aufgrund des Beschäftigungssicherungsgesetzes (BeschSiG) in Höhe von 50 Prozent im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen. Und ebenso ist weiterhin die Gewährung von Kug für Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) möglich.

Anrechnung von Nebeneinkünften

Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung werden nach § 421c Abs. 1 SGB III seit April 2020 nicht auf das Kug (Kurzarbeitergeld) angerechnet, soweit das Entgelt aus der Nebentätigkeit zusammen mit dem verbliebenen Ist-Entgelt das Soll-Entgelt nicht übersteigt. Dabei kommt es seit Mai nicht mehr darauf an, ob es sich um eine Nebentätigkeit in einem systemrelevanten Bereich handelt. Diese Regelung ist befristet bis zum 31.12.2020.

Durch das Beschäftigungssicherungsgesetz wurde diese Regelung dahingehend verlängert, dass ab 01.01.2021 bis 31.12.2021 lediglich das Entgelt aus Minijobs (ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), die während der Kurzarbeit aufgenommen worden sind, nicht angerechnet wird.

Erhöhte Erstattungssätze

Das Kug wird auf 70/77 Prozent ab dem vierten Bezugsmonat und 80/87 Prozent ab dem siebten Bezugsmonat erhöht, wenn ein Arbeitsausfall mit Entgeltausfall von mindestens 50 Prozent im jeweiligen Bezugsmonat vorliegt. Diese Regelung wurde zunächst durch das Beschäftigungssicherungsgesetz für alle Beschäftigten, die in einem Betrieb beschäftigt sind, in dem bis zum 31.03.2021 mit der Kurzarbeit begonnen wurde, bis 31.12.2021 verlängert.

Nach ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt trat am 31.03.2021 die Zweite Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung in Kraft. Dort wurde eine Verlängerung der Fristen für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis zum 30.06.2021 berücksichtigt. Der Arbeitsausfall mit Entgeltausfall von mind. 50 Prozent muss dabei nur im jeweiligen Bezugsmonat vorliegen. Es ist nicht erforderlich, dass auch in den ersten drei Monaten ein Arbeitsausfall mit Entgeltausfall von mind. 50 Prozent vorgelegen hat. Beginnt in einem Betrieb ab dem 01.04.2021 eine neue Bezugsdauer (d. h. ein neuer Arbeitsausfall aufgrund einer erstmaligen Anzeige oder nach einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung), wird kein erhöhtes Kug gezahlt.

Der Verzicht auf die Ausstellung von Bescheinigungen für den erhöhten Leistungssatz wird bis zum 31.12.2021 verlängert. Die entsprechenden Nachweise hat der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber vorzulegen. Die für die Zuordnung zum erhöhten Leistungssatz erheblichen Nachweise sind durch den Betrieb für eine spätere Prüfung aufzubewahren. Die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung des erhöhten Leistungssatzes (Vorliegen des Kindermerkmals) erfolgt im Rahmen der Abschlussprüfung.

Grenzgänger

Mögliche Grenzschließungen innerhalb der EU wegen einer Quarantänemaßnahme zum Infektionsschutz aufgrund der Corona-Pandemie, die von den Nachbarländern vorgenommen werden, sind aufgrund des europäischen Grundsatzes der Sachverhaltsgleichstellung (vgl. Artikel 5 Verordnung (EG) 883/2004) so zu bewerten, als wäre diese Maßnahme in Deutschland eingetreten. Da bei vergleichbaren inländischen Sachverhalten Kurzarbeit und Quarantänemaßnahme zeitgleich vorliegen können (vgl. § 56 Abs. 9 Infektionsschutzgesetz – IfSG), können Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die durch eine Quarantänemaßnahme am Erreichen ihres Arbeitsplatzes gehindert werden, beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Anders als bei innerdeutschen Sachverhalten ist bei Fällen mit Auslandsbezug unerheblich, ob erst die Kurzarbeit oder erst die Quarantänemaßnahme vorlag. Zur Vermeidung von Überkompensationen durch Kug und Entschädigungszahlungen erklärt der Arbeitgeber formlos gegenüber der Agentur für Arbeit, dass keine Entschädigungszahlung im Heimatland geleistet wird.

Prüfung durch die Agentur für Arbeit

Nun sind die Agenturen für Arbeit gesetzlich zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen verpflichtet. Sie führen daher innerhalb von sieben Monaten nach dem Ende des Kurzarbeitergeldbezugs eine Abschlussprüfung der abgerechneten Bezugszeiträume durch. Die Frist beginnt nach Ablauf der Ausschlussfrist des letzten abgerechneten Monats. Sollte der Kug-Bezug bis zum 31.03.2021 erfolgen, so bedeutet dies, dass bei einer Ausschlussfrist bis zum 30.06.2021 die Prüffrist bis zum 31.01.2022 läuft.

Die Agentur für Arbeit fordert Prüfunterlagen an in Form von Aufzeichnungen (z. B. Kündigungsschreiben), Nachweisen (z. B. Arbeitszeitnachweise), Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie die dazugehörigen Berechnungsprotokolle Soll-/Ist-Entgelt. Die Prüfung erfolgt grundsätzlich in der Agentur. Ergeben sich im Rahmen der Prüfung Unklarheiten, so kann diese auch vor Ort im Betrieb oder im Steuerbüro fortgeführt werden. Die Prüfung endet mit einem Prüfergebnis, das schriftlich mitgeteilt wird. Wenn keine oder nur kleine Fehler festgestellt werden, wird ein Abschlussbescheid ggf. mit Hinweis auf geringfügige Mängel oder ein Erstattungsbescheid gem. § 328 SGB III gefertigt.

Ergibt die Prüfung, dass systematische Fehler gemacht wurden, so wird ein Korrekturantrag gestellt. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wird bei fehlender Mitwirkung oder z. B. bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) eingeleitet. Die Erfahrung der Finanzmarktkrise 2008 mit einer hohen Zahl von Beschäftigten in Kurzarbeit führte bereits damals zu einer nicht unerheblichen Zahl von Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs. Unterstützung bei einer späteren Prüfung könnten die Agenturen für Arbeit vom Zoll bekommen. Dieser hat bisher schon in vielen Fällen der Schwarzarbeit und des Sozialversicherungsbetrugs für die Sozialversicherungsbehörden im Wege der Amtshilfe z. B. bei Scheinselbständigkeit bei Prüfungen unterstützt. Auch jetzt wird bereits in mehreren tausend Fällen ermittelt. Einige davon gingen bereits durch die Medien, und es wurden schon Zahlungen im laufenden Verfahren gestoppt bis zur endgültigen Klärung der Sachverhalte.

Prüffelder (Schwerpunkte)

Prüfungsinhalte beziehen sich auf verschiedene Schwerpunkte. Dies beinhaltet gekündigte Arbeitnehmer sowie die Maßnahmen zur Vermeidung von Kug durch Urlaubsgewährung oder die Verwendung von sogenannten ungeschützten Arbeitszeitguthaben aus Arbeitszeitkonten.

Das Bild zeigt eine Reihe deutscher Wörter und Ausdrücke zum Thema Beschäftigungs- und Arbeitsrecht, wahrscheinlich aus einem Dokument oder einer Präsentation, in der verschiedene Aspekte der Arbeitsvorschriften wie Vertragsarten, Urlaubsansprüche, Kündigungsprozesse und Lohnbuchhaltung erörtert werden.

 

Ebenso werden die Mindesterfordernisse des Arbeits- und Entgeltsausfalls und die notwendigen Ersatztatbestände (Vorziehen von Aufräum- oder Instandhaltungsarbeiten) geprüft. Und natürlich muss im Rahmen der Prüfung auch die arbeitsrechtliche Zulässigkeit untersucht werden.

Nach der arbeitsrechtlichen Klaviatur wären dies Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge. Doch erkennt die Agentur für Arbeit auch sogenannte Einverständniserklärungen an. Deren Verwendung in der betrieblichen Praxis kann arbeitsrechtlich zum Bumerang werden. Denn was geschieht, wenn die Voraussetzungen des Bezugs von Kug nachträglich entfallen oder der Antrag wegen Fristüberschreitung abgelehnt wird? Nun, dann stellt sich die Frage, ob die Korrektur der Entgeltabrechnung auf Basis des vereinbarten Kug erfolgt. Sollte sich die Vereinbarung als unwirksam im arbeitsrechtlichen Sinne erweisen, dann hätte der Arbeitnehmer einen vollen Entgeltanspruch auf Grundlage des Annahmeverzugs.

Schließlich sind auch Korrekturanträge Gegenstand der Prüfung. Dies gilt etwa, wenn neue Arbeitnehmer eingestellt wurden oder eine Leistung neu zu berechnen war. Im Zuge der Prüfung werden Urlaubs- und Feiertagsberechnungen im Bedarfsfall korrigiert. Erst nach Ende dieser Abschlussprüfung wird ein abschließender Bescheid über die Zahlung von Kurzarbeitergeld erstellt.

Risiko: fehlende Arbeitszeiterfassung

Im Voraus ist nicht im Einzelnen festgelegt, welche Nachweise die Agentur für Arbeit während der Abschlussprüfung im Einzelfall einfordert. Daher sollten während der Kurzarbeit für alle betroffenen Beschäftigten Stundennachweise geführt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass diejenigen Stunden erfasst werden, die tatsächlich gearbeitet wurden. Es sollte vorsorglich auch der Abbau von Überstunden dokumentiert sein. Schließlich ist es notwendig, die tatsächlichen Fehlzeiten etwa infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zu dokumentieren und ebenso die Ausfallzeiten infolge der Kurzarbeit. Eine vollständige Dokumentation ist auch und gerade bei Vertrauensarbeitszeit notwendig. Daher sollten die betroffenen Beschäftigten für die Dauer der Kurzarbeit ihre tatsächlich geleistete Arbeitszeit aufzeichnen. Durch eine übersichtliche, klare und vollständige Dokumentation wird eine schnelle Prüfung der Unterlagen ermöglicht und Rückfragen werden vermieden.

Risiko: nachträgliche Antragstellung Kurzarbeitergeld

In der Regel wird gleichzeitig mit der Entgeltabrechnung eine Abrechnung des Kurzarbeitergeldes erstellt und an die Agentur für Arbeit übermittelt. Diese Anträge können vor Ablauf des Monats ohne weitere Erklärungen des Arbeitgebers entgegengenommen werden. Sofern sich bis Monatsende noch Änderungen ergeben, ist der Leistungsantrag mit einem Korrekturantrag mit der nächsten Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber einzureichen. Zur Mitteilung von leistungsrelevanten Änderungen ist der Arbeitgeber nach § 60 SGB I verpflichtet. Sofern hierzu Verstöße festgestellt werden, ist das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit zu prüfen. Nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III können erbrachte Leistungen aufgrund der vorläufigen Entscheidung mit eingehenden Korrekturanträgen verrechnet werden.

Risiken einer unberechtigten Gewährung von Kug

Zu Unrecht erhaltenes Kurzarbeitergeld muss zurückgezahlt werden. In diesem Fall und in Fällen, wo die Agentur für Arbeit den Antrag auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes ablehnt – und sei es auch nur wegen verspäteter Antragstellung –, müssen die Lohnabrechnungen unverzüglich korrigiert werden. Erst nach einer Prüfung, ob Kurzarbeit arbeitsrechtlich wirksam vereinbart wurde, steht fest, ob die Korrekturen auf Grundlage des vermeintlich steuer- und beitragsfrei gezahlten Kurzarbeitergeldes korrekt sind. Die Prüfung kann auch ergeben, dass der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf das arbeitsvertraglich vor der Kurzarbeit vereinbarte gesamte Bruttoentgelt hat. In jedem Fall drohen dem Arbeitgeber erhebliche Nachforderungen an Lohn, Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Und es ist ebenfalls aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht immer eindeutig, ob und inwieweit die gesetzlichen Abzüge dann noch von den betroffenen Arbeitnehmern zurückgefordert werden können.

Risiko: Urlaubsgewährung

Grundsätzlich gilt ein Arbeitsausfall als vermeidbar, wenn er durch Gewährung von Erholungsurlaub verhindert oder verkürzt werden kann, sofern vorrangige Urlaubswünsche der Beschäftigten nicht entgegenstehen. Nun hatte in der ersten Phase der Pandemie ab 01.03.2020 die Agentur für Arbeit darauf verzichtet, das Einbringen von Urlaub vor der Anzeige von Kurzarbeit zu prüfen. Diese Vereinfachungsregelung endete am 31.12.2020. Daher fordert seit 01.01.2021 die Agentur für Arbeit wieder nach § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III die Einbringung von Urlaub ein. Folglich müssen der Resturlaub aus dem Jahr 2020 sowie der Jahresurlaub 2021 grundsätzlich zu Beginn des Jahres 2021 verplant sein oder gewährt werden, bevor Kurzarbeit angezeigt und Kurzarbeitergeld beantragt werden kann. Sofern eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr (Übertragungszeitraum) aufgrund einer arbeitsrechtlich Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) möglich ist und noch übertragbare Resturlaubsansprüche bestehen, so sind diese zur Vermeidung von Arbeitsausfällen einzusetzen.

Das heißt, Arbeitgeber haben mit Beschäftigten, die noch „alte“, bisher unverplante Urlaubansprüche haben (die zu verfallen drohen), den Antritt dieses Urlaubs in Zeiten mit Arbeitsausfall im Betrieb zu vereinbaren. Die vorrangigen Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen vor. Sofern eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr arbeitsrechtlich nicht möglich ist, sind diese Urlaubsansprüche zwingend zur Vermeidung der Kurzarbeit spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres einzubringen. Wünsche der Beschäftigten sind darzulegen.

Hierbei ist eine formlose Urlaubsplanung, Urlaubsliste oder Vereinbarung über Betriebsferien ausreichend, insbesondere muss der Urlaub von den Beschäftigten noch nicht verbindlich beantragt worden sein. Der Urlaub wird dann wie geplant genommen und eingebracht, ein Abweichen von dieser Planung ist unschädlich für den Bezug von Kug. Nach einer mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmten Anwendungsregelung dürfen die Arbeitgeber sich bei der Urlaubsplanung zudem auf die betriebliche Praxis berufen.

Erst wenn Resturlaub nicht eingebracht wurde und verfällt, liegt insoweit kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vor. Inwieweit im Rahmen der Abschlussprüfung tatsächlich eine umfassende Kontrolle hinsichtlich sämtlicher Resturlaubstage einzelner Arbeitnehmer erfolgt, lässt sich im Voraus nicht mit Bestimmtheit sagen.

Risiko: Abbau von Überstunden

Es gilt auch hier, der Arbeitsausfall muss unvermeidbar sein, daher müssen Beschäftigte mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zunächst in einem gewissen Umfang Überstunden abbauen. Teilweise ist das Arbeitszeitguthaben geschützt, diese Fälle sind in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III abschließend geregelt. Die Vermeidung der Kurzarbeit durch den Abbau von Überstunden muss jedoch wirtschaftlich zumutbar sein. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit kann vorliegen, wenn die kurzfristige Liquidität des Arbeitgebers durch die Maßnahme zur Vermeidung der Kurzarbeit gefährdet ist. Das ist vom Einzelfall abhängig und muss dargelegt werden. Jedenfalls müssen aufgrund der Neuregelungen keine Minusstunden aufgebaut werden. Die Beschäftigten, die zur Vermeidung der Kurzarbeit Zeitguthaben einbringen, werden gleichwohl bei der Berechnung des Mindesterfordernisses von 10 Prozent der Beschäftigten berücksichtigt.

Risiko: Feiertage

Grundsätzlich gilt Arbeitszeit an einem Feiertag auch während angezeigter und durchgeführter Kurzarbeit gem. § 2 Abs. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) als aufgrund des Feiertags ausgefallen. Daher besteht an diesem Tag vorrangig ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung und kein Anspruch auf Kug. Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld kann jedoch bestehen, wenn die betreffenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an dem Feiertag gearbeitet hätten.

Die vorgesehene Arbeitseinteilung an Feiertagen kann durch Dienst- oder Einsatzpläne belegt werden. Ob ein möglicher Anspruch auf Gewährung eines Ersatzruhetags gem. § 11 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Auswirkungen auf den Kug-Anspruch haben kann, ist im Einzelfall davon abhängig, wann dieser Tag gewährt wird, ob hierfür ein Arbeitsentgeltanspruch besteht und ob in dem entsprechenden Monat Kurzarbeitergeld beansprucht wird. Grundsätzlich obliegt diese Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes dem Arbeitgeber, insofern darf die Agentur für Arbeit keine Positivbescheide erteilen.

Gute Vorbereitung – Prüfung erfolgreich bestehen

Arbeitgeber sollten rechtzeitig vor der Prüfung genau untersuchen, ob die Voraussetzungen für Kurzarbeit vorlagen, insbesondere ob die Ersatzmaßnahmen wie Urlaubsgewährung durchführt und dokumentiert wurden. Wenn in der Prüfung systematische Fehler festgestellt werden, ist mit einer tiefergehenden Prüfung vor Ort zu rechnen.

Neben den Risikobereichen Urlaubsgewährung und Abbau von Überstunden können sich Probleme auch beim Zusammentreffen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Urlaub und Kurzarbeit stellen. Die strafrechtliche Bewertung an der Schnittstelle des Arbeits- und Sozialrechts erweist sich als überaus anspruchsvoll. Wegen der strafrechtlichen Relevanz bei zu Unrecht erhaltenem Kurzarbeitergeld sind festgestellte Fehler möglichst umgehend an die Agentur für Arbeit zu melden. Im Einzelfall ist es ratsam, zusätzlich mit der Finanzverwaltung und den Sozialträgern in Kontakt zu treten, um weitere Haftungsrisiken zu vermeiden.

Aus Sicht der Arbeitgeber ist es mit Blick auf die genannten – auch über das Strafrecht hinausgehenden – Risiken angezeigt, sich im Vorfeld der Einführung von Kurzarbeit und der Beantragung von Kurzarbeitergeld detailliert mit den vielschichtigen und komplexen rechtlichen Bestimmungen zu befassen und die Arbeiten effizient und standardisiert unter Zuhilfenahme von Checklisten und Leitfäden zu erledigen. Angesichts der Komplexität der Überprüfungen, bei denen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 und des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2019 zum Verfall der Urlaubsansprüche zu beachten ist, sollte der Arbeitgeber in jedem Fall eine umfassende Dokumentation über die abgebauten Urlaubstage und Überstunden bereithalten, um dies im Rahmen der Abschlussprüfung nachweisen zu können.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

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