Fachleute stellen sich vor : „Lohn ist für mich etwas ganz Besonderes …“
Britta Fink, Jahrgang 1961, Ausbildung zur Baufacharbeiterin mit Abitur (wollte ursprünglich Gebäuderestauration studieren, bin dann scharf abgebogen und habe den Abschluss als Diplom-Volkswirtin gemacht, mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Personalarbeit, Leiterin Entgeltabrechnung mit Herz und Leidenschaft bei der A. Menarini Research & Business Service GmbH)
Lohn ist für mich etwas ganz Besonderes –
BeLOHNung für Leistung, EntLOHNung der Beschäftigten, etwas LOHNendes
Frau Fink, Sie leiten seit Jahren die Entgeltabrechnung in Ihrem Unternehmen. Wie ist Ihr beruflicher Weg in die Entgeltabrechnung verlaufen?
Meine erste berufliche Station war eine Tätigkeit in einem Großunternehmen des Schwermaschinenbaus. Dort war ich nach Beendigung meines Studiums ab 1984 unter anderem für die Personalbetreuung von über 800 Mitarbeitern eines Betriebsteils verantwortlich (exklusive der Entgeltabrechnung). Als es mal einen Engpass in der Entgeltabrechnung gab, bin ich dort aushilfsweise eingesprungen und habe mich um die Montagelohnabrechnung der Techniker gekümmert, die weltweit für den Aufbau der Transformatoren unterwegs waren. Und schon war das Feuer entfacht, ich bin im Entgeltbereich geblieben. Mir hat es gefallen, den Spagat zwischen gesetzlichen Regelungen und der Umsetzung in der entsprechenden Entgeltsoftware realisieren zu müssen. Mich hat begeistert, dass hinter Zahlen und den Abrechnungen Mitarbeiter stehen, die einen guten Job machen und dafür entlohnt werden. Meine Neugier auf Neues, die Freude an der Optimierung von Abläufen und Prozessen sowie mein Verständnis für Softwaresysteme haben mich bei meinen ersten beruflichen Stationen begleitet und helfen auch heute noch, mich auf neue Anforderungen einzulassen. Ich war viele Jahre in einem amerikanisch geführten Pharmaunternehmen tätig, in dem ich unter anderem für die Einführung einer leistungsfähigen Payroll- und Zeitwirtschaftssoftware verantwortlich war. Internationale Entgeltabrechnung, Aktien, Stock Options und Dividenden, Umsetzung von SOX, Jahresabschlüsse nach Handelsgesetzbuch und US-GAAP sind nur einige Themen aus dem damaligen Aufgabenspektrum.
Bereits vor über 20 Jahren haben wir die Entgeltabrechnungen dort in englischer Sprache für die internationalen Mitarbeiter erstellt, die Mitarbeiter der Schwestergesellschaften in der Schweiz und in Polen von Deutschland heraus abgerechnet sowie Firmenzukäufe problemlos abrechnungsseitig übernommen. Es war ein breites Spektrum, welches das Team zu bewältigen hatte. Aber der gute Teamzusammenhalt, die Anerkennung und eine hohe Akzeptanz im Unternehmen haben uns Flügel verliehen.
Meine Erfahrungen mit anspruchsvollen Aufgaben und die Freude an der Einführung von personalrelevanten Systemen haben gut zu der neuen Herausforderung gepasst, die mir die Berlin-Chemie AG im Jahr 2005 angeboten hat. Seit dieser Zeit verantworte ich dort mit einem ganz großartigen Team die Themen Entgeltabrechnung, Zeitwirtschaft sowie Reisekosten.
Was ist Ihr täglicher Antrieb, in der Entgeltabrechnung zu arbeiten, denn schließlich ist dieser Bereich im Unternehmen häufig unterschätzt?
Die Arbeit in der Entgeltabrechnung ist aus meiner Sicht stets eine termingesteuerte Herausforderung. Jeder, der im Entgeltbereich tätig ist, weiß, dass sich selbst die eigene Urlaubsplanung nach dem „Entgeltterminkalender“ richten muss. In unserem Team heißt es so schön, „nach der Abrechnung ist vor der Abrechnung“. Die Gesetzgeber geben die Termine vor und wir richten unser Arbeitsleben danach aus. Warum auch nicht? Wir haben unsere Prozesse so gut wie möglich optimiert. Checklisten sind unsere Alltagsbegleiter und helfen uns, nichts zu übersehen. Für uns ist es wichtig, dass wir trotz der Arbeit den Spaß und das Lachen nicht vergessen. Wir leben den Teamgeist, lieben unsere „Rituale“ und kommen wirklich gern ins Büro. Gerade in der aktuellen Situation spüren wir, wie viel verloren geht, wenn wir nicht tagtäglich zusammen in den Büros sitzen und uns Face to Face austauschen können. Das mobile Arbeiten bringt zwar einige Vorteile mit sich, aber für eine schnelle und effiziente Kommunikation bevorzugen wir das Arbeiten vor Ort.
Die Komplexität der Herausforderungen, das Zusammenspiel der Systeme (Zeitwirtschaft, Entgeltabrechnung, Reisekosten), die Schnittstellen zu vielen Bereichen in unserem Haus, all das macht unsere Tätigkeit so interessant. Apropos Schnittstellen: Da unsere Arbeit ja sehr systemgetrieben ist, ist aus meiner Sicht eine enge Zusammenarbeit mit den Softwarehäusern unabdingbar. Gerade die jüngsten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Situation mussten in den Systemen umgesetzt werden.
Hier ist es hilfreich, dass wir eine gute Partnerschaft mit den Softwarehäusern haben. Aber auch der firmenübergreifende Erfahrungsaustausch ist aus unserem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken. Wir erhalten viel Input und freuen uns natürlich auch, wenn wir die eigenen Erfahrungen an andere weitergeben können. Der vor einigen Jahren ins Leben gerufene Payroll-Software-Anwenderkreis stößt auf großes Interesse und hat durch die Treffen in unserem Hause und den Austausch schon einiges auf den Weg gebracht.
Was uns die Arbeit natürlich sehr erleichtert, ist das große Vertrauen, welches uns sowohl die Führungskräfte als auch die Belegschaft entgegenbringen. Wir versuchen, so transparent wie möglich zu sein, informieren die Belegschaft über gesetzliche Änderungen, erinnern auch schon mal, dass Ende des Jahres z. B. einige Lohnsteuerfreibeträge neu beantragt werden müssen usw. Nicht zu vergessen ist die enge Zusammenarbeit mit der Personalbetreuung, der Finanzbuchhaltung und dem Betriebsrat, um nur einige Bereiche zu nennen. Große Motivatoren sind für mich auch meine Chefs, die immer ein offenes Ohr für mich haben, führen, fordern, fördern und unterstützen. Und da sie als Personalleitung vertrauensvoll und äußerst wertschätzend mit uns umgehen, ist es einfach perfekt. Das motiviert mich und uns sehr. Zusätzlich gibt es ja alle paar Jahre noch die „Belohnung“ für unser Tun im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung bzw. der Prüfung durch die Rentenversicherung. Wir sind schon etwas stolz darauf, dass die Abstimmung zwischen Fachbereichen, Finanzbuchhaltung usw. so gut klappt, dass die Prüfungsergebnisse nicht nur unsere Herzen höher schlagen lassen, sondern auch bei der Unternehmensleitung gut ankommen. Wie schon gesagt, in unserem Unternehmen hat der Bereich Entgeltabrechnung eine hohe Akzeptanz, und ich wünsche mir, dass dies in allen Firmen so ist. Auch wenn wir als Backoffice nicht direkt am Umsatz und Erfolg des Unternehmens beteiligt sind, so kann doch durch fehlerhafte Arbeit in unserem Bereich ein finanzieller Schaden entstehen. Unsere Aufgabe ist es, dies zu vermeiden.
Wie schaffen Sie es, die Begeisterung für das Thema auf Ihr Team zu übertragen?
Wie gerade schon beschrieben, es ist das große Ganze, was unsere Arbeit so interessant macht. Aber auch das kleine und manchmal verflixt komplizierte kleine Detail. Meine persönliche Begeisterungsfähigkeit und Grundfröhlichkeit hinterlässt natürlich bei meinem Team schon so ihre Spuren. Das Motto „Geht nicht, gibt’s nicht.“ wird von uns allen gelebt. Wir lieben es, die Themen, die an uns herangetragen werden, gemeinsam gestalten und letztendlich lösen zu können. Vielleicht wird der eine oder andere Leser jetzt nicken, wenn ich hier mal die Umsetzungen (natürlich oft sehr kurzfristig) von Betriebsvereinbarungen kurz erwähne, die sowohl eine zeitseitige als auch eine abrechnungsseitige Berücksichtigung beinhalten.
Hier sind alle im Team gefragt, hier erarbeiten die „Experten“ auf ihren Gebieten in Meetings Umsetzungsvorschläge und es wird gemeinsam an der Lösung gearbeitet. Das geht Hand in Hand, um z. B. im Ergebnis dann die richtigen Zeitarten und Lohnarten in den Systemen zu haben.
Ich persönlich brenne für meinen Beruf, ich liebe es, ein Team zu Höchstleistungen zu motivieren. Wir haben in unserem Team den Luxus, die Stärken und Vorlieben der einzelnen Teammitglieder so gut wie möglich zu nutzen und fördern zu können. Da gibt es Kolleginnen, die mit hoher Systemaffinität die Steuerungen in den Systemen vornehmen, andere wiederum sind konzeptionell sehr stark unterwegs, ein anderer Teil stürzt sich mit Begeisterung in die Herausforderungen der internationalen Abrechnung. Kolleginnen, die die Besonderheiten der Abrechnung des großen Außendienstes im Effeff beherrschen, sind glücklich, hier ihren Schwerpunkt zu haben. Auch die Betreuung der Reisekostenabrechnung und der Zeitwirtschaft wird von darauf spezialisierten Kolleginnen sehr geliebt.
Wenn Sie die Damen fragen, ob sie etwas anderes machen möchten, ich denke, sie würden dies verneinen. Sie sind alle „handverlesen“, wie ich es gern immer mal wieder sage. Dass sich jeder wohlfühlt, ist mir wichtig. Dass ich mich auf das Team verlassen kann, natürlich auch. Mich freut es sehr, dieses tolle Team zu haben, das dem Unternehmen und mir seit so vielen Jahren die Treue hält.
Die Fort- und Weiterbildung ist im Bereich der Entgeltabrechnung sehr wichtig. Welchen Stellenwert hat dieses Thema für Sie und Ihr Team?
Ohne geht es einfach nicht! Die Qualität unserer Arbeit ist zwar einerseits von dem persönlichen Ehrgeiz jedes Einzelnen abhängig, aber ohne das Fach-Know-how geht in unserem Bereich eigentlich gar nichts. Fangen wir mal bei dem „Beruf des Entgeltabrechners“ an. Zu meinem großen Bedauern ist Entgeltabrechner, Entgeltsachbearbeiter oder wie auch immer kein Ausbildungsberuf. Zum Glück bietet DATAKONTEXT eine Ausbildung zum alga-zertifizierten Entgeltabrechner und Abrechnungsreferenten (zAR) an. Fast die Hälfte meiner Teamkolleginnen habe ich nach ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau in meinen Bereich übernommen. Einige von ihnen haben erfolgreich die oben genannte Ausbildung absolviert, andere haben den Abschluss zur Personalfachkauffrau gemacht. In diesen Fortbildungen wird wichtiges Basiswissen vermittelt. Das Lernen voneinander im Team und die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen von DATAKONTEXT sind einige der Grundvoraussetzungen, um sich im Job „richtig“ zu fühlen, um am Ende des Tages sagen zu können, ich habe alles hinbekommen, ich habe alles richtig umsetzen können.
Es ist doch der eigene Antrieb, die Arbeit professionell ausführen zu können. Und dies ist in unserem Beruf nun mal die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen, der Tarif- und Betriebsvereinbarungen sowie der individuellen Verträge. Ohne Experten, die das Wissen zu den gesetzlichen Änderungen verständlich vermitteln können, wären wir in unserem Beruf zum Scheitern verurteilt. Daher ist für mich u. a. die Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Entgeltabrechnung in Berlin sehr wichtig. Hier erfahren wir einerseits, an welchen Gesetzen gearbeitet wird, was im Vorfeld alles zu beachten ist, aber wir haben auch exzellente Ansprechpartner, wenn es um die Beantwortung von kniffligen Fallgestaltungen geht. Nicht zuletzt ist der Austausch in der Gruppe sehr bereichernd und hilfreich. Herr Stier, Sie wissen ja, wie sehr wir Sie mit unseren Fragen löchern und wie froh wir sind, wenn Sie ein noch so unverständlich erscheinendes Gesetz mit Ihrer ganz persönlichen Art mit einer Prise Witz und Humor vermitteln. Ich möchte diese ARGE nicht mehr missen und kann jeden nur ermuntern, hier mal „reinzuschnuppern“, es lohnt sich. Diese ARGEn finden deutschlandweit statt und sind sicherlich vielen Lesern bekannt.
Zusätzlich zum Thema Lohn und Gehalt nutzen wir das Expertenwissen auch aus den anderen Arbeitsgemeinschaften (Melderecht, bAV usw.) und fühlen uns gut für die Arbeit vorbereitet. Im Tagesgeschäft helfen uns Nachschlagewerke bzw. -portale oder aber auch die Bibel des Abrechners, das „Lexikon für das Lohnbüro“, gut weiter. Nicht zuletzt halten wir uns zu aktuellen Themen wie Kurzarbeitergeld, Infektionsschutzgesetz usw. im Rahmen von Webinaren fit.
Die letzten Monate haben viele Veränderungen mit sich gebracht. Corona-bedingt änderte sich unser beruflicher Alltag. Welchen besonderen Herausforderungen waren bei Ihnen umzusetzen?
In der Tat waren die letzten 12 Monate sehr anspruchsvoll und eine Herausforderung jagte die nächste. So galt es vor allem, sämtliche „Abwesenheitsgründe“ so in der Zeitwirtschaft umzusetzen, dass einerseits die Vergütung korrekt gewährleistet wurde, andererseits auch Auskunft darüber gegeben werden konnte, wie viele Mitarbeiter im mobilen Arbeiten sind, wie viele in Quarantäne usw. Die Unternehmensleitung sollte natürlich zügig die aktuellen Zahlen erhalten. All das ist uns gelungen, zeitnah und mit Weitblick umzusetzen.
Die Vielschichtigkeit der „bezahlten“ Freistellungen im Rahmen der Kinderbetreuung während der Corona-Pandemie stellte uns vor völlig neue Herausforderungen. Welche Informationen werden von den Mitarbeiter- Eltern benötigt, um eine Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz zu erhalten? Dann die ernüchternde Feststellung, dass es nicht in allen Bundesgebieten die gleichen Anforderungen an beizubringende Dokumente gibt. Die große Frage: Wie gehen wir mit den zusätzlichen Kinderkrankengeldtagen um? Welche Dokumente und Informationen benötigen wir, um diesen Prozess sauber abzubilden? Hier sind enges Teamwork und gute Abstimmung gefragt. Und all das war ja das Add-on zum ohnehin schon ausgefüllten Tagesgeschäft. Aber auch da hat sich wieder gezeigt, wie wichtig Seminare und Veranstaltungen sind, um das Richtige tun zu können.
Unser Beruf ist geprägt von Veränderungen. Die Vielzahl der gesetzlichen Regelungen nimmt zu. Was würden Sie im Bereich der Entgeltabrechnung reformieren?
Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Gesetze vor ihrer Verabschiedung auf Praktikabilität und Umsetzbarkeit geprüft werden. Nicht zu Ende gedachte Änderungen führen zu einem hohen Aufwand in unseren Bereichen, und oft nicht nur da. Ich will hier exemplarisch nur an die Umsatzsteuer bei Beherbergungsleistungen erinnern, an die Einführung des elektronischen Lohnnachweises usw. Und zum Thema der Fälligkeit der Sozialabgaben hätte ich mir einen anderen Ausgang gewünscht, als es vor ein paar Jahren wieder im Fokus stand. Eine Verschiebung in den Folgemonat, analog der Lohnsteuer, erspart den Entgeltabrechnern in etlichen Fällen die Glaskugel.
Frau Fink, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Markus Stier