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Im Blick: Arbeitsrecht

Konfliktthema Urlaub: Kurzarbeit Null kürzt den Urlaubsanspruch

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 08.11.2012 – Az.: C-229/11) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf entschieden, dass der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat, in dem aufgrund von Kurzarbeit Null keine Arbeitsleistung erbracht wird, anteilig gekürzt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestimmt sich die Höhe des Urlaubsanspruchs in Relation zur bestehenden Arbeitspflicht. Entsprechend wurde bereits z. B. zu Sonderurlaub-/Sabbatical-Konstellationen entschieden, dass in dieser arbeitsfreien Zeit kein Urlaubsanspruch entsteht. Zu beachten sind nur gesetzliche Ausnahmen – wie beispielsweise im Mutterschutzgesetz, dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) und dem Pflegearbeitszeitgesetz.

Bisher noch nicht entschieden hatte das BAG zu dem Thema Kurzarbeit Null. Das Urteil des LAG Düsseldorf ist jedoch beim BAG anhängig.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit dem 01.03.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Vereinbarungsgemäß stehen ihr pro Jahr 14 Arbeitstage Urlaub zu.

Ab dem 01.04.2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie wiederholt Kurzarbeit Null, d. h., dass ihre Arbeitspflicht auf null Prozent reduziert wurde (sog. Kurzarbeit Null). Dies war in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 der Fall. Im August und September 2020 hatte die Beklagte der Klägerin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt und die Ansicht vertreten, dass damit der gesamte Urlaubsanspruch für das Jahr vollständig erfüllt sei. Die Beklagte hat den Urlaub der Klägerin somit um 2,5 Arbeitstage reduziert.

Hiergegen wehrt sich die Klägerin und forderte die nicht gewährten Urlaubstage ein. Als Argument führte sie an, dass konjunkturbedingte Kurzarbeit – anders als beispielsweise Sonderurlaub-/Sabbatical-Konstellationen – nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin erfolge und Kurzarbeit auch keine Freizeit sei.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat – ebenso wie die Vorinstanz (Arbeitsgericht Essen) – die Klage abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null reduziere sich der Urlaub um 1/12, was im Ergebnis den Urlaubsanspruch sogar um 3,5 Arbeitstage reduziert hatte. Hintergrund dieser Entscheidung ist der Urlaubszweck, der eine Verpflichtung zur Ausübung einer Tätigkeit voraussetzt. Da während der Kurzarbeit Null die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden die Arbeitnehmer wie vorübergehend Teilzeitbeschäftigte behandelt. Deren Erholungsurlaub reduziert sich ebenfalls anteilig. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf verweist weiter auf die Rechtsprechung des EuGH, der ebenfalls entschieden hatte, dass während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entstehe.

Das deutsche Recht enthalte keine günstigere Regelung, als es die europäischen Vorgaben vorsehen. Weder existiere diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des deutschen Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. Daher sind die begehrten Urlaubsansprüche in der Zeit der Kurzarbeit Null nicht entstanden.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung sorgt für Rechtssicherheit und verdeutlicht, dass die Corona-Pandemie nichts an den geltenden Grundsätzen des Urlaubsrechts ändert. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zwar zugelassen. Aufgrund der oben skizzierten Rechtsprechung des EuGH sowie der bisherigen Rechtsprechung des BAG (19.03.2019 – 9 AZR 406/17) spricht jedoch viel dafür, dass es bei der Entscheidung bleibt.

Die Kürzung des Urlaubsanspruchs kann zudem für Unternehmen, denen nach über einem Jahr Corona-Krise langsam die Luft ausgeht, ein Vehikel sein, um einen gewissen finanziellen Vorteil zu haben. Einer vorherigen vertraglichen Vereinbarung bezüglich der anteiligen Kürzung bedarf es – nach dem jüngst ergangenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf – nicht.

Good to know

Es gibt eine ältere Entscheidung des EuGH zur Kurzarbeit Null, die besagt, dass es europarechtlich nicht geboten ist, dass während des Zeitraums der Kurzarbeit Null Urlaubsansprüche erworben werden. D. h. das Europarecht verlangt nicht vom nationalen Gesetzgeber (hier: dem deutschen Gesetzgeber), dass während der Zeit der Kurzarbeit Null auch Urlaubsansprüche erworben werden. Maßgeblich ist daher, ob das nationale (hier: deutsche) Recht eine günstigere Regelung vorsieht.

Diese Frage verneint das Landesarbeitsgericht Düsseldorf und kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 reduziert.

In diesem Zusammenhang wird diskutiert, dass Kurzarbeit Null bestimmte betriebliche Erfordernisse voraussetzt. Dies ist ein maßgeblicher Unterschied zu den vorgenannten Sonderurlaub-/ Sabbatical-Konstellationen.

Zudem gibt es in der Mehrzahl der aktuellen Fälle keine zweiseitigen Vereinbarungen zu der Reduzierung des Urlaubsanspruchs. Bei Einführung der Kurzarbeit wurde dieses Thema entweder nicht gesehen oder aus atmosphärischen Gründen nicht berücksichtigt. Entsprechend führt die oben genannte Entscheidung dazu, dass sich durch das betriebliche Erfordernis automatisch der Urlaubsanspruch der betreffenden Arbeitnehmer reduziert. Dies ist bislang in der Literatur sehr umstritten gewesen. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG hier entscheiden wird.

Praxistipp

Die Entscheidung ist für viele Arbeitgeber interessant, selbst wenn diese bei Einführung der Kurzarbeit nicht – wie etwa während der Elternzeit – die anteilige Reduzierung des Urlaubsanspruchs vereinbart haben.

Crowdworker können Arbeitnehmer sein

BAG, Urteil vom 01.12.2020 – 9 AZR 102/20

Abhängig von den Gesamtumständen des Einzelfalls können sog. Crowdworker, die über eine Internetplattform/Homepage Angebote annehmen, tatsächlich Arbeitnehmer und nicht freie Mitarbeiter sein. Das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 04.12.2019 – 8 Sa 146/19) hatte diese Frage noch anders beurteilt.

Crowdworking-Modelle sind eine neue Arbeitsform, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat. Rechtlich geht es dabei um die Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (= Arbeitsverhältnis). Das System von „Crowdworking-Modellen“ funktioniert über die Zurverfügungstellung einer Kommunikationsplattform. Diese kann beispielsweise eine App sein, aber auch eine Internetplattform. Interessierte Kunden können Aufträge über diese Internetplattform ausschreiben, welche den Nutzern der App – den sogenannten „Crowdworkern“ – angeboten werden. In der Regel handelt es sich um kurzfristige kleinere Jobs.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall ging es um die Kontrolle von Waren in Supermärkten und Tankstellen. Der Betroffene bekam seine Aufträge per App und kontrollierte dann die Platzierung, Auszeichnung etc. anhand von Checklisten der betreffenden Waren.

Der Kläger hatte eine „Basisvereinbarung“ mit dem betreffenden Unternehmen geschlossen. Ein bestimmtes Auftragsvolumen war darin nicht vereinbart. Auch durfte der Kläger selbst entscheiden, wie oft er Angebote angezeigt bekam und ob er sie ausführte. Mit den jeweiligen Kunden selbst sollte kein Vertragsverhältnis zustande kommen. Auch durfte der Kläger eigene Mitarbeiter einsetzen und konnte Aufträge verteilen.

Der Kläger führte innerhalb gut eines Jahres rund 2.980 Aufträge für das beklagte Unternehmen aus. Die Beklagte kündigte vorsorglich dem Betroffenen. Hiergegen wehrte sich der Kläger und erhob Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung

Das BAG entschied nun – anders als die Vorinstanzen –, dass der Kläger im Zeitpunkt der (zunächst vorsorglichen) Kündigung in einem Arbeitsverhältnis mit dem Plattformbetreiber stand. Die beiden Vorinstanzen hatten den Kläger noch als weder weisungsabhängig noch in eine betriebliche Organisation der Beklagten eingebunden gesehen. In diesem Fall war weder die Arbeitsgerichtsbarkeit der richtige Rechtsweg, noch konnte eine Kündigungsschutzklage Erfolg haben.

Die Richter des BAG knüpfen nun jedoch an § 611a BGB an, nachdem sich die Arbeitnehmereigenschaft danach bestimmt, dass ein Beschäftigter weisungsgebunden fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet.

Bei einem Auseinanderfallen zwischen der tatsächlichen Durchführung eines Vertragsverhältnisses und dessen Bezeichnung kommt es auf Letztere nicht an. Vielmehr knüpft das Gesetz an die Gesamtwürdigung aller Umstände an.

So spricht es für ein Arbeitsverhältnis, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolgedessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen, entschied das BAG. Zwar war der Kläger nicht verpflichtet, die Angebote der Beklagten anzunehmen. Jedoch war die Organisationsstruktur über ein entsprechendes Anreizsystem darauf ausgerichtet, dass dem Kläger ein entsprechend finanziellen Anreizes geboten wurde, möglichst viele Aufträge anzunehmen.

Entsprechend war die Kündigung – aufgrund der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes – aus Sicht des BAG unwirksam. Es lag ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vor. Für eine Befristung fehlte es unter anderem an dem Erfordernis der Schriftlichkeit.

Konsequenzen für die Praxis

Nach der Entscheidung des BAG sind Crowdworking-Modelle nicht grundsätzlich als abhängige Beschäftigungsverhältnisse bzw. Arbeitsverhältnisse einzustufen. Maßgeblich sind vielmehr die jeweilige Ausgestaltung und die Bewertung der Gesamtumstände. Wie in allen anderen Fällen, in denen es um die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbständigkeit geht, kommt es auf den Einzelfall an.

Good to know

Die Beschäftigung von freien Mitarbeitern über eine Internetplattform kann riskant sein. Maßgeblich ist, inwieweit Ort, Zeit und Inhalt der Arbeit frei bestimmt werden können. In der entschiedenen Konstellation konnte der Crowdworker Ort, Zeit und Inhalt der Arbeit nicht frei bestimmen. Diese Parameter waren vielmehr in dem Angebot festgelegt. Der Unterschied zu einem Arbeitsverhältnis besteht darin, dass statt einer Einzelweisung dem Crowdworker ein Einzelangebot offeriert wird.

Selbst wenn der Crowdworker das Recht hat, das Angebot abzulehnen, kann es sich um ein Arbeitsverhältnis handeln. Insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. In dem jüngst entschiedenen Fall gab es ein Anreizsystem, das zu einer kontinuierlichen Arbeit motivierte. Die Vergütung der Crowdworker war abhängig von der Anzahl der angenommenen Mikrojobs. Dabei stieg die Vergütung nicht linear, sondern überproportional an.

Stellt sich heraus, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis statt um ein freies Mitarbeiterverhältnis handelt, kann dies neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Vergütung, Urlaubsabgeltung, Entgeltfortzahlung) insbesondere sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Konsequenzen haben. Ggf. können auch strafrechtliche Konsequenzen (§ 266a StGB) relevant werden.

Unklar war in dem entschiedenen BAG-Fall weiter, wie sich im Hinblick auf eine Verzugsvergütungsklage die Vergütung berechnet. Der Kläger meinte, dass die Vergütung sich nach den bislang bekannt gegebenen Konditionen für die Mikrojobs berechne. Das BAG wies jedoch darauf hin, dass die bisher auf der Plattform angegebene Vergütung eine Vergütung für freie Mitarbeiter war. Insoweit können diese Ansätze nicht automatisch fortgeschrieben werden, wenn man von einem Arbeitsverhältnis ausgeht. Für ein Arbeitsverhältnis ist – mangels entsprechender Vereinbarung – die „übliche Vergütung“ nach § 612 Abs. 2 BGB maßgeblich. Entsprechend stellt sich die Frage, was die übliche Vergütung für die entsprechende Tätigkeit ist.

Frühere Entscheidungen des BAG haben gezeigt, dass dies auch ein gewisses Risiko für den Beschäftigten mit sich bringen kann. Die in der Vergangenheit gezahlte Vergütung war sicherlich entsprechend hoch, als die Parteien von einem freien Beschäftigungsverhältnis ausgingen. Stellt sich nun heraus, dass es sich tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien handelt, kann der Arbeitgeber gegebenenfalls Rückforderungsansprüche aus § 812 BGB geltend machen. In der aktuellen Entscheidung des BAG – von der bislang nur die Pressemitteilung veröffentlicht ist – ist diese Frage wohl nicht thematisiert worden.

Praxistipp

Unternehmen, die möglicherweise in einer größeren Anzahl Dienstleistungsverhältnisse mit (vermeintlich) freien Mitarbeitern unterhalten, sollte die Rechtsqualität kritisch hinterfragen.

Das finanzielle Risiko kann sowohl von Seiten der (vermeintlich) freien Mitarbeiter als auch von Seiten der Behörden (Deutsche Rentenversicherung Bund, Finanzamt) drohen.

Kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung von Bruttoentgeltlisten

BAG, Urteil vom 29.09.2020 – 1 ABR 32/19

Der Betriebsrat hat weder aus dem Betriebsverfassungsgesetz noch aus dem Entgelttransparenzgesetz einen Anspruch auf die dauerhafte Überlassung von Bruttolohnlisten. Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt die datenschutzrechtlichen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Denn auch das Betriebsverfassungsgesetz ist „datenschutzkonform“ auszulegen und vor allem anzuwenden. Somit steht fest, dass auch der Betriebsrat datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten hat und Arbeitgeber neben den betriebsverfassungsrechtlichen auch die datenschutzrechtlichen Aspekte bei Mitbestimmungsrechten zu prüfen haben.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen aus dem Gesundheitswesen. Der Betriebsausschuss forderte den Arbeitgeber auf, ihm die Bruttolohnlisten zu überlassen. Der Betriebsrat begehrte die Aushändigung der Bruttoentgeltlisten für den Zeitraum von Juni 2018 bis November 2018 dauerhaft und in elektronischer Form. Darüber hinaus sollten die Listen die Zugehörigkeit zum Geschlecht, das Tarifgrundgehalt, Zuschläge jeder Art, Zulagen und Sondervergütungen jeder Art, Prämien und Gratifikationen enthalten. Der Arbeitgeber verweigerte die Herausgabe einer solchen Liste. Hiergegen wandte sich der Betriebsrat und leitete ein gerichtliches Verfahren auf Herausgabe dieser Listen ein.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein dauerhafter Herausgabeanspruch in elektronischer Form nicht besteht. Grundsätzlich kann der Betriebsrat bzw. der Betriebsausschuss Einsicht in Unterlagen fordern. Dies gilt nur für Unterlagen, die beim Arbeitgeber bestehen. Ein Anspruch auf Herstellung bestimmter Unterlagen besteht nicht. Der Betriebsrat legte auch nicht dar, dass die Überlassung einer solchen Liste zur Durchführung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist. Verweist der Betriebsrat auf die Förderung der Entgeltgleichheit, bedarf es einer konkreten Darlegung, für welche Förderungsmaßnahmen bestimmte Auskünfte benötigt werden. Ein allgemeiner Hinweis auf allgemeine Aufgaben ist nicht ausreichend. Zudem betonte das BAG, dass eine Überwachungsaufgabe gegenwarts- und zukunftsbezogen ist, sodass Daten aus der Vergangenheit per se ausscheiden. Auch datenschutzrechtliche Begrenzungen führte das BAG an. Die Vorgaben des Entgelttransparenzgesetzes rechtfertigten die Herausgabe der Listen ebenfalls nicht.

Konsequenzen für die Praxis

Das BAG setzt seine Rechtsprechung hinsichtlich der Auskunftsansprüche des Betriebsrats konsequent fort. Hierzu zählt u. a. die erfreuliche Tendenz, dass Arbeitgeber Auskünfte verweigern können, wenn der Betriebsrat keinen konkreten Aufgabenbezug darlegt. Das Wiederholen des Gesetzes ist nicht ausreichend. Vielmehr sind aktuelle Betriebsratsaufgaben durch den Betriebsrat konkret darzulegen.

Darüber hinaus deutet das Urteil des Bundesarbeitsgerichts an, dass neben den Vorgaben aus dem Betriebsverfassungsgesetz zukünftig die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu prüfen sind: Das bedeutet, dass das BAG wohl bei Auskunftsansprüchen des Betriebsrats eine doppelte Erforderlichkeitsprüfung – nach dem Betriebsverfassungsgesetz (konkreter Aufgabenbezug) und der Datenschutz-Grundverordnung (Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung) – vornehmen wird. Dies wäre begrüßenswert, da auch im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung einzuhalten sind.

Good to know

Hierfür bietet diese Entscheidung erste und ganz konkrete Anhaltspunkte: Sofern der Betriebsrat Mitarbeiterdaten vom Arbeitgeber begehrt, ist zu prüfen, ob datenschutzrechtliche Einwände dagegensprechen. Denn die Grundregeln der Datenverarbeitung sehen vor, dass Daten sparsam und allein auf Grundlage einer Erlaubnisnorm verarbeitet werden dürfen.

Die Änderungen und die Beeinflussung durch den Datenschutz halten auch Einzug in das Betriebsverfassungsgesetz. Der Gesetzgeber wird hier u. a. einen neuen Paragrafen, § 79a, in das Betriebsverfassungsgesetz einfügen. Dieser lautet:

„Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten hat der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Arbeitgeber und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften.“

Ein hölzerner Hammer und ein Stapel Bücher auf einer rustikalen Holzoberfläche, die Themen wie Recht, Gerechtigkeit oder persönliche Führung andeuten.

Damit sind zumindest – auf den ersten Blick – wesentliche Fragen hinsichtlich des Datenschutzes geklärt. Der Betriebsrat ist wie bisher Teil der verarbeitenden Stelle – des Arbeitgebers. Der Gesetzgeber hat deutlich klargestellt, dass der Betriebsrat datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten hat. Allerdings sind hier eine Vielzahl von Folgefragen ungeklärt. Ein Blick in die Gesetzesbegründung verschafft keine Klarheit, sondern es treten weitere Fragen auf. Zentral dürfte sein, dass der Betriebsrat seine Aufgaben unabhängig und ohne Kontrolle vom Arbeitgeber zu erfüllen hat. Dies dürfte allerdings dann problematisch werden, wenn das sogenannte Verarbeitungsverzeichnis des Arbeitgebers auch die Verarbeitungstätigkeiten des Betriebsrats enthalten muss.

Auch bei den datenschutzrechtlichen Auskunftsrechten ist der Arbeitgeber, wenn der Auskunftsanspruch sich auf die durch den Betriebsrat verarbeiteten Daten bezieht, auf die Unterstützung durch den Betriebsrat angewiesen. Auch diese Konstruktion des Gesetzgebers kann für Arbeitgeber sehr unangenehm werden, z. B. wenn der Betriebsrat nicht rechtzeitig die Daten liefert. Denn Schuldner des Auskunftsanspruchs ist und bleibt der Arbeitgeber. Wenn Arbeitgeber nicht rechtzeitig Auskunft erteilen können, hat dies u. a. zur Folge, dass Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen können. Hier stellen sich beispielsweise Haftungsfragen.

Praxistipp

Verlangt der Betriebsrat bestimmte Listen oder personenbezogene Daten, wie zum Beispiel Bruttolohnlisten, kann grundsätzlich die Auskunft aus mehreren Gründen – zunächst – verweigert werden. Arbeitgeber sollten stets in jedem Einzelfall prüfen (lassen), welche konkreten Aufgaben der Betriebsrat wahrnimmt und ob die Daten einen unmittelbaren Aufgabenbezug aufweisen. Hier können Arbeitgeber das pauschale Verlangen, mit der Aufforderung dieses zu konkretisieren, zurückweisen.

Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, LL.M.

Dr. Dominik Sorber, Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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