Interview : Ist die Personalwirtschaft im öffentlichen Dienst und bei sozialen Einrichtungen aus einer anderen Welt?
Interview mit Herrn Gilbergs Leiter Sales New Public, SD Worx
Herr Gilbergs, seit Jahren unterstützen Sie den öffentlichen Dienst im Bereich der Personalwirtschaft. Sprechen wir hier von einer ganz anderen Welt oder ist dieser Bereich mit der Privatwirtschaft vergleichbar?
Wenn wir isoliert den Bereich der Entgeltabrechnung betrachten, bringt er zusätzliche Herausforderungen mit sich, wie z. B. die besondere betriebliche Altersvorsorge, vielfältige Tarifwerke oder Reisekostenrichtlinien. Letztlich sind die Aufgaben für die Abbildung eines Mitarbeiterlebenszyklus genauso vorhanden wie in der Privatwirtschaft – abgesehen von einer möglichen Internationalität.
Die letzten Monate haben unsere Arbeitswelt verändert. Homeoffice und mobiles Arbeiten gehen auch am öffentlichen Dienst nicht vorbei. Warum ist es gerade für kommunale Arbeitgeber so schwierig, mobiles Arbeiten in die Praxis umzusetzen?
Der Eindruck mag manchmal täuschen. Generell ist auch bei öffentlichen Arbeitgebern ein ausgeprägtes Innovations- und Servicebewusstsein vorhanden. Beispielsweise gibt es durch die Initiative „Digitales Rathaus“ des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales Fördermittel, die für Projekte zur Schaffung von Online-Diensten zur Verfügung gestellt werden.
Betrachtet man speziell den Punkt mobiles Arbeiten im öffentlichen Dienst, so gibt es hier in der Tat noch viele Lösungen, die rein analoge Prozesse unterstützen und nichts mit digitalen Workflows zu tun haben. Die Personalarbeit beinhaltet in großen Teilen Dokumentenerzeugung, Genehmigungsprozesse, Fristenwahrung und eine revisionssichere Ablage. Viele öffentliche Arbeitgeber sind hier noch auf Papier angewiesen und eben nicht mobil aufgestellt. Dabei könnte die Digitalisierung besonders in diesen Bereichen die Einhaltung von Compliance-Richtlinien unterstützen, indem sie die Prozessschritte lückenlos dokumentiert und ggf. ein Vier-Augen-Prinzip umsetzt.
Sehen Sie die teilweise fehlende Digitalisierung im Bereich der Entgeltabrechnung als Problem in der Realisierung von neuen Arbeitsmodellen?
Wer nicht rechtzeitig auf den Zug aufspringt, wird ihn bald nicht mehr erwischen. Von den Mitarbeiter*innen wird ein hohes Maß an Agilität verlangt. Das bedarf aber auch des Einsatzes und der Bereitstellung modernster Technologien. Gerade jüngere Generationen sind es gewohnt, sich mit digitalen Angeboten auseinanderzusetzen. Da ist es eben uncool, wenn der Urlaubsantrag noch auf Papier gedruckt werden muss oder die gesammelten Belege einer Reisekostenabrechnung manuell in ein Abrechnungsformular eingegeben werden müssen.
Für viele ist die digitale Dokumentenverwaltung das Abspeichern von PDF-Dokumenten. Doch Digitalisierung ist viel mehr. Wie sieht für Sie eine digitalisierte Entgeltabrechnung aus?
Es fängt bereits beim Onboarding an. Bei uns füllen neue Mitarbeitende keinen Personalbogen auf Papier aus, sondern sie erhalten per E-Mail eine Einladung, die persönlichen Daten direkt in ein Portal einzugeben. Das hat den Vorteil, dass hier bereits Vollständigkeits- und Plausibilitätskontrollen stattfinden können. Außerdem können dabei erforderliche Dokumente und Nachweise direkt mit hochgeladen werden. Als Personaler*in überprüft und vervollständigt man dann nur noch die Daten für eine qualitätsgesicherte Entgeltabrechnung.
Importschnittstellen für Massendaten aus vorgelagerten Systemen, wie z. B. eine digitale Zeiterfassung, ersparen viele Erfassungsarbeiten und Fehlermöglichkeiten. Für Änderungen an abrechnungsrelevanten Stammdaten beteiligen wir direkt die Führungskräfte und Mitarbeiter*innen über Portale. Workflows für die Änderung von persönlichen Daten, selbstverständlich, eine Versetzung, eine Höhergruppierung oder ein Offboarding, sind da nur ein paar Beispiele. Der Personaler bzw. die Personalerin agiert hier nur als Moderator*in bei der Überwachung der korrekten Abarbeitung der Workflows. Intelligente Workflows können komplexe Zusammenhänge automatisch erkennen und den Prozess beeinflussen. Ein gutes Workflowsystem spult nicht nur stumpf die einzelnen Prozessschritte ab, sondern überprüft unterschiedliche Interdependenzen, die für die korrekte Abrechnung wichtig sind.
Am Ende sollte die gesamte Verteilungslogistik für die Bereitstellung von Dokumenten der Arbeitnehmenden bequem und digital in einem Portal zur Verfügung gestellt werden.
„ Wer nicht rechtzeitig
auf den Zug aufspringt,
wird ihn bald nicht
mehr erwischen.“
Maris Gilbergs,
Leiter Sales New Public, SD Worx
Gerade bei Kommunen und sozialen Einrichtungen ist die Personalkapazität immer wieder ein brisantes Thema. Kann die Digitalisierung hier nicht auch gleichzeitig eine Chance sein? Ich formuliere es provokativ: Schafft Digitalisierung nicht auch mehr Personalkapazitäten?
Na klar! Gut ausgebildete Personaler*innen sind natürlich rar. Gerade mit spezieller Expertise ist man am Arbeitsmarkt begehrt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mit dem Einzug moderner Technologien keine Kapazitäten abgebaut werden. Sind wir mal ehrlich, eine richtig gerechnete Gehaltsabrechnung allein ist keine wertschöpfende Maßnahme für das Unternehmen. Eine Gehaltsabrechnung kann man auch sehr gut outsourcen. Die Digitalisierung hilft dabei, Kapazitäten für wichtige strategische Personalaufgaben zu schaffen, die sonst für rein administrative Tätigkeiten verwendet werden. Wir schaffen Kapazitäten für ein modernes Recruiting, für die Steuerung von Personalentwicklungsaufgaben, für die Weiterbildung und damit auch für die Bindung der Mitarbeitenden.
Dazu noch eine Nachfrage: Wie darf ich mir als Ihr Kunde den Digitalisierungsprozess vorstellen?
Die Prozesse für eine korrekte Lohnabrechnung sind hochgradig standardisiert. Workflows für die Pflege von Stamm- und Bewegungsdaten sind nur mit wenigen Parametern zu individualisieren. Da ist man sehr schnell produktiv.
Wir haben über die Vorteile gesprochen. Hand aufs Herz: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Kommunikation zwischen den Instanzen, um Zeit für die Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Mit dieser Zeit kann man dann überlegen, welche Ziele man sinnstiftend für das Human Capital erreichen möchte.
Die aktuelle Pandemie ändert unser Leben. Welche Veränderungen spüren Sie in Ihrem Job und wie gehen Sie damit um?
Ach, wissen Sie, ich bin nun seit fast 40 Jahren als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst. Die meiste Zeit war ich für personalwirtschaftliche Projekte bei kommunalen Einrichtungen oder für die freie Wohlfahrtspflege unterwegs. Das geht leider nicht mehr so einfach. Im Homeoffice fehlt mir der direkte, reale Kontakt zu meinen Kolleg*innen sehr. Doch eigentlich kann ich mich nicht wirklich beschweren. Ich vermisse weder die langen Autofahrten mit Staus noch die schlechten Telefonverbindungen. Mit den Onlinemeetings haben wir eine gute Alternative für Gespräche mit unseren Kund*innen gefunden und auch unsere Kund*innen haben dafür technisch aufgerüstet. Ich bin mir sicher, dass diese gute Erfahrung auch in Zukunft Bestand haben wird. Eben etwas mehr digital.
Herr Gilbergs, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Markus Stier.