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Der Steuerberater empfiehlt : Tipps für die Abrechnung international tätiger Arbeitnehmer

Leben und arbeiten Arbeitnehmer in verschiedenen Ländern, dies ist auch für die jeweiligen Lohnabrechner eine große Herausforderung. Der vorliegende Beitrag zeigt, dass es aufgrund steuerrechtlicher Änderungen der letzten Jahre einiges zu beachten gilt – auch um negative Folgen, insbesondere im Kontext von Abfindungen, zu vermeiden.

Lesezeit 4 Min.
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Bei der Besteuerung internationaler Arbeitnehmer ist zunächst danach zu unterscheiden, ob eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht vorliegt. Unbeschränkt steuerpflichtig ist in Deutschland jeder, der hierzulande einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beschränkt steuerpflichtig sind u. a. Arbeitnehmer, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, aber Einkünfte aus einer in Deutschland ausgeübten nichtselbständigen Arbeit für einen deutschen Arbeitgeber beziehen. Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern gilt die Einkommensteuer grundsätzlich als mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten.

Wirtschaftlicher Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug

Arbeitgeber sollten stets prüfen, ob sie in einem der beteiligen Länder zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sind. Nehmen wir den Klassiker einer Entsendung. In Inbound-Fällen, also wenn ein Arbeitnehmer aus dem Ausland nach Deutschland entsandt wird, gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2020 der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff. Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob ein inländisches Unternehmen die Personalkosten tatsächlich getragen hat, sondern darauf, ob es diese nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen.

Bitte immer beachten:

Der inländische Arbeitgeber ist verpflichtet, für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto zu führen und den gesamten Arbeitslohn zu erfassen.

Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nicht ausschließlich in Deutschland aus, ist der Lohn für Besteuerungszwecke auf die verschiedenen Länder aufzuteilen. Soweit Deutschland das Besteuerungsrecht für den (anteiligen) Arbeitslohn hat, ist auch Lohnsteuer abzuführen. Um eine sachgerechte Lohnaufteilung zu ermöglichen, ist es hilfreich, wenn der Mitarbeiter einen Reisekalender führt, dem die tatsächlichen Arbeitstage in den einzelnen Ländern entnommen werden können. Zu beachten ist, dass bestimmte Gehaltsbestandteile je nach Veranlassung ggf. abweichend zuzuordnen sind.

Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)

Seit dem 01.01.2020 gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer das ELStAM-Verfahren, also der Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Somit fällt – bis auf ein paar Ausnahmefälle – die bisherige Papierbescheinigung weg. Damit der Arbeitgeber den elektronischen Abruf vornehmen kann, muss der Arbeitnehmer eine Identifikationsnummer (IdNr.) haben. Diese ist durch den Arbeitnehmer oder, nach entsprechender Bevollmächtigung, durch den Arbeitgeber beim Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers zu beantragen. In der Folge kann Steuerklasse I angewendet werden. Wird der Antrag nicht gestellt, findet Steuerklasse VI (mit deutlich höheren Lohnsteuerbeträgen) Anwendung.

Besteuerung von Abfindungen: Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht

Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, gelten seit dem Veranlagungszeitraum 2017 für Zwecke der Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich als für die frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Durch die Aufgabe des deutschen Wohnsitzes vor Auszahlung einer solchen Abfindung können Arbeitnehmer damit im Regelfall nicht mehr der deutschen Besteuerung „entgehen“. Eine Besteuerung der Abfindung in Deutschland erfolgt kurz gesagt, soweit der Arbeitnehmer früher in Deutschland gearbeitet hat und mit den (anteiligen) Einkünften steuerpflichtig war. In der Praxis ist daher darauf zu achten, dass eindeutig dokumentiert wird, für welchen Zeitraum der früheren Tätigkeit die Abfindung gezahlt wird sowie wo die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt und besteuert wurde.

Bitte beachten: Diese Regelung gilt nicht für Abfindungen, die aus anderem Anlass gezahlt werden (z .B. Wettbewerbsverbot oder Abfindungen mit Versorgungscharakter). Fällt die Abgrenzung im Einzelfall schwer, ist eine Lohnsteueranrufungsauskunft sinnvoll.

Veranlagungspflicht bei Anwendung der Fünftelregelung

Für Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten existiert mit der Fünftelregelung eine besondere Tarifbegünstigung. Obgleich im Gesetzeswortlaut relativ kompliziert formuliert, bedeutet die Regelung letztendlich Folgendes: Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte bemisst sich nach dem Fünffachen der Steuer, die zusätzlich entstünde, wenn nur ein Fünftel dieses Betrags besteuert würde. Vor dem Hintergrund des progressiven Einkommensteuertarifs kann sich durch die Regelung eine gemilderte Steuerbelastung für den Steuerpflichtigen ergeben.

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Regelung anzuwenden, wenn die Lohnsteuer für den Steuerpflichtigen dadurch günstiger wird. Seit dem Veranlagungszeitraum 2020 ist besondere Achtsamkeit bei beschränkt Steuerpflichtigen geboten: Die grundsätzlich abgeltende Wirkung der Lohnsteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen gilt u. a. nicht mehr für Fälle, in denen die Fünftelregelung angewandt wurde. Diese Arbeitnehmer müssen nunmehr eine Steuererklärung einreichen und werden zur Einkommensteuer veranlagt.

Folge der Veranlagungspflicht ist, dass zu prüfen ist, inwieweit ausländische Einkünfte des Arbeitnehmers unter den Progressionsvorbehalt fallen, also zur Berechnung eines besonderen – höheren – Steuersatzes herangezogen werden. Kurzum: Die (verpflichtende) Anwendung der Tarifbegünstigung kann für beschränkt Steuerpflichtige zu einer insgesamt höheren Steuerbelastung führen!

Bitte beachten: Die Veranlagung mit der Folge der Anwendung des Progressionsvorbehalts ist für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer seit dem letzten Jahr auch Pflicht, wenn

  • ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von mehreren Arbeitgebern bezieht oder
  • der Arbeitgeber die Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug berechnet hat und dabei der Arbeitslohn aus früheren Dienstverhältnissen des Kalenderjahres außer Betracht geblieben ist.
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Die vorstehenden Erläuterungen zeigen, dass die steuerlichen Konsequenzen internationaler Arbeitnehmereinsätze wohlbedacht sein wollen. Dabei können pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden; jeder Sachverhalt ist individuell und erfordert eine umfassende steuerliche Beurteilung aller Umstände. Insbesondere sind stets sämtliche Einkünfte und das individuelle Doppelbesteuerungsrecht zwischen den betreffenden Staaten zu würdigen.

Dipl.-Ök. Dr. Simone Wick, Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht DIERKES PARTNER

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