Vom Wiederholen zum Praxistransfer (Teil 1) : Weiterbildung ja, aber bitte nachhaltig
Weiterbildung im Beruf hat einen hohen Stellenwert – zumindest in der Mehrzahl der Unternehmen. Die Bedeutung wird durch staatliche Maßnahmen und Unterstützungen unterstrichen. Einige von Kurzarbeit betroffene Betriebe nutzen die Zeit, um ihre Mitarbeiter weiterzubilden und fit zu machen für die Zukunft. Die Weiterbildungsindustrie profitiert in Teilen von der Corona-Krise – zumindest diejenigen Anbieter, die bereits digital unterwegs waren oder sich jetzt schnell umgestellt haben.
Bei den Anbietern gibt es – wie in vielen Bereichen – Licht und Schatten. Die Unternehmen sollten sich deshalb im Vorfeld genau anschauen, an wen sie Weiterbildungsaufträge geben, und die Durchführung überwachen.
Aber auch, wenn das Bildungskonzept gut ist und vernünftig durchgeführt wird, ist die Nachhaltigkeit nicht immer gegeben. Viel zu oft haben sich die neu erworbenen Kenntnisse schon nach kurzer Zeit wieder verflüchtigt. Ganz besonders, wenn das neu Erlernte nicht gleich in die Praxis und die tägliche Arbeit integriert werden kann.
Einzelne Weiterbildungsunternehmen bieten inzwischen eine Vertiefung bzw. Festigung des Erlernten auch nach Beendigung der eigentlichen Schulung an, aber leider längst noch nicht flächendeckend.
- Wiederholen, Rekapitulieren,
- Lerngruppen,
- Coach,
- Ziele setzen und erfüllen, Verhaltensänderung,
- Praxistransfer.
Wiederholen, Rekapitulieren
Die klassischen Weiterbildungsmaßnahmen enden oft mit einem Test und der Übergabe der Schulungsunterlagen – das war es dann. Sinnvoll ist es, danach weitere Lernschritte fest einzuplanen und zu terminieren. Das dient der Wiederholung und dem „Zwang“, sich auch nach Ende der Maßnahme immer wieder mit den Inhalten zu beschäftigen.
Bewährt haben sich in diesem Zusammenhang konkrete Aufgaben, die – gestreckt über einen längeren Zeitraum – immer wieder angegangen werden müssen. Die Abarbeitung muss verpflichtend sein und überwacht werden, damit sich eine gewisse Verbindlichkeit einstellt.
Lerngruppen
Gemeinsam geht es besser: Diese alte Binsenweisheit stimmt auch beim Lernen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen können Menschen neue Lerninhalte besser erfassen und vor allem behalten, wenn das Lernen in einer Gruppe geschieht. Für die eigentliche Maßnahme ist das – abgesehen von den Einschränkungen durch Corona – der Normalzustand. Aber hinterher? Da ist normalerweise jeder auf sich allein gestellt. Der innere Schweinehund hat da leichtes Spiel. Besser also, wenn man auch das „Nachlernen“ in einer Lerngruppe macht. Das müssen nicht alle Teilnehmer der Maßnahme sein, schon drei bis vier „Mitkämpfer“ können viel bewirken. Man fühlt sich verpflichtet und agiert entsprechend. Eine kleine Gruppe hat den Vorteil, dass sich gemeinsame Termine leichter organisieren lassen und das Fehlen eines Einzelnen sofort auffällt. Die Verpflichtung ist dadurch intensiver. Weiterer Vorteil: Tauchen Fragen oder Probleme auf, können sie in der Kleingruppe besprochen und gelöst werden – allein steht man mitunter hilflos davor und bricht dann aus Frustration das weitere Lernen ab.
Coach
Eine ähnliche Funktion wie die Lerngruppe erfüllt der Lernbegleiter oder Coach. Das gilt nicht nur im Ausbildungsbereich – hier übernimmt klassischerweise der Ausbilder diese Funktion –, sondern auch in anderen Bereichen, speziell bei der Führungskräfteentwicklung. Eine erfahrene Führungsperson als Unterstützung kann bei der Umsetzung des Gelernten extrem hilfreich sein.
Ziele setzen
Gute Weiterbildungsveranstalter sehen es in ihrem Programm ohnehin vor: Die Teilnehmer setzen sich für die Zukunft, also die Zeit nach der Maßnahme, eigene Ziele für die Wiederholung und Vertiefung. Konkrete Ziele mit konkreten Terminen. Daran kann dann per E-Mail oder Kalendereintrag erinnert werden, entweder vom Veranstalter im Rahmen der Nachbearbeitung oder natürlich vom Teilnehmer selbst. Auch hier wirkt die Kleingruppe motivierend und erhöht die Verpflichtung.
Welche Ziele das sind, ist natürlich abhängig von der Art der Maßnahme, dem Thema und den vermittelten Inhalten. Idealerweise ist das Ziel die Verknüpfung mit bzw. die Anwendung in der Praxis. Das gilt ganz besonders bei Themen, die sich mit dem Verhalten beschäftigen, wie beispielsweise in Führungsseminaren.
Praxistransfer
Sie kennen das sicher: Man macht einen PC-Kurs für ein neues Programm. Die Einführung verschiebt sich aber – aus welchen Gründen auch immer. Ruft man dann Wochen später das Programm das erste Mal wieder auf, steht man da wie der Ochs vorm Berg. Stehen gute Schulungsunterlagen zur Verfügung, kann man sich mit viel Aufwand wieder hineinfinden. Der eigentliche Effekt der Schulung ist aber schon verpufft. Das gilt nicht nur für die Arbeit mit dem Computer, sondern auch bei anderen Themen.
Wird neu erworbenes Wissen nicht sofort und systematisch in die Praxis umgesetzt und angewandt, verschwindet es sehr schnell wieder.
Die Übertragung der Lerninhalte sollten schon bei der Entscheidung über die Teilnahme an einer Maßnahme mitgedacht werden. Es ist zwar schön, wenn der Vorgesetzte nach einer Maßnahme zumindest fragt, wie es war und ob der Mitarbeiter etwas mitgenommen hat – für den wirklichen Transfer und die Verinnerlichung des Erlernten reicht das aber nicht aus.
Jürgen Heidenreich